 |  | Vom Salzstreuer zum Automobil - Designerinnen | |
Ob Salzstreuer oder Hängelampe, Tisch oder Sofa, Automobil oder Telefon, Computer oder Kaffeekanne, Stuhl oder Türgriff, alles ist heute dem Design unterworfen und es gibt kaum einen Gegenstand, der nicht bewusst gestaltet wird. Und längst sind ihre Schöpfer - wie Josef Hoffmann, Jacques-Émile Ruhlmann, Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe, Alvar Aalto, Verner Panton, Ron Arad, Ettore Sottsass oder Philippe Starck – gefeiert wie Pop-Stars und ihre Objekte schmücken die Museen. Doch halt! Wo bleibt das weibliche Geschlecht?
Ja, es gibt sie schon. Da fallen einem Namen wie Eileen Gray, Marianne Brandt, Charlotte Perriand oder Ray Eames ein. Aber so bekannt, wie ihre männlichen Kollegen, sind sie meist nicht. Selbst am fortschrittlichen Bauhaus waren die Ausbildungsmöglichkeiten von Frauen eingeschränkt. Der normale Weg führte sie in eine Frauenklasse der Webereiabteilung. Dass Marianne Brandt sich in der Metallwerkstatt hervortat, war eine Ausnahme. Schlägt man einschlägige Lexika auf, muss man feststellen, dass dort über 90 Prozent der Artikel ihren männlichen Kollegen gewidmet sind. Und obwohl der Studiengang Design heute zu gleichen Teilen von Männer und Frauen besucht wird, sind im späteren Berufsleben die Männer dann doch überwiegend präsent.
Seit fünf Jahren bemüht sich der kleine Berliner Verlag Aviva nun darum, Frauen, die maßgeblich an kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen mitgearbeitet haben, Gehör zu verschaffen. So entstanden Bücher über Sammlerinnen, Künstlerinnen und Architektinnen. Und ein neuer Band widmet sich nun den Designerinnen. 16 von ihnen aus dem 20. Jahrhundert finden darin Platz. Die Auswahl ist bewusst „subjektiv“, möchte aber die „wichtigsten Vertreterinnen der Designgeschichte, wobei der Schwerpunkt dieses Bandes auf Möbeln, Haushaltsobjekten und Industriedesign liegt“, vorstellen. Da fehlen dann beispielsweise doch Texte zu Gae Aulenti oder Margarete Schütte-Lihotzky. Aber da kein lexikalischer Anspruch erhoben wird, wiegt dies nicht so schwer.
Die von 17 Autoren verfassten Artikel folgen keinem festen Schema. Die biografischen Notizen werden meist mit Erläuterungen zu einzelnen Objekten, an denen die Formsprache der Entwerferinnen gezeigt wird, mal sachlicher mal erzählerischer gemischt. Neben einer Einschätzung des künstlerischen Werks erfährt man beispielweise im Artikel über Eileen Gray, dass ein Teil ihres Nachlass seit März 2002 ein bleibendes Quartier im National Museum of Ireland gefunden hat, und die bibliografischen Angaben am Ende des Buches regen zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema an. Da Farbe ein wichtiges gestalterisches Mittel ist, wäre es von Vorteil gewesen, die Abbildungen bunt wiederzugeben.
Manchmal fällt im Überschwang eine Würdigung, die dann doch nicht eingehalten wird. So preist Melanie Schirdewahn in ihrem Beitrag die bald 80jährige Dänin Nanna Ditzel als „heute weltberühmte Industriedesignerin“, äußert sich dann aber mit keinem Wort über diesen Schaffensbereich Ditzels, sonder führt nur ihre Entwürfe für Stühle, Kindermöbel, Schmuck oder Uhren an. Gerade beim Industriedesign wäre es interessant zu sehen, wie Frauen in einer Männerdomäne Fuß fassen. Hier führt das Buch die 1962 geborene Französin Anne Asensio ins Feld, die sich als Leiterin eines Designteams bei Renault für die Gestaltung des 1997 prämierten „Mégane Scénic“ verantwortlich zeigte und die seit 2000 als eine von fünf Exekutivdirektoren für Design den entsprechenden Abteilungen bei General Motors vorsteht.
Britta Jürgs (Hrsg.). Vom Salzstreuer bis zum Automobil – Designerinnen.
Aviva-Verlag, Berlin 2002.
253 Seiten, 109 Abbildungen, Preis 22,50 Euro.
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