Weitere Infos: Eröffnung 08.09.2006, 18.00 -21.00 Uhr
Ausstellungsdauer: 8. September bis 25. Oktober 2006
Jens Wolf wurde 1967 in Heilbronn geboren, lebt und arbeitet in Berlin.
Die folgenden, gekürzten Auszüge aus zwei Aufsätzen von Hans Jürgen Hafner beziehen sich auf ältere Arbeiten, sind aber für diese Ausstellung gültig.
„Die Bildformen sind vertraut, ihre Umsetzung ist es nicht. In seiner Malerei bedient sich Jens Wolf der Formensprache reduzierter, geometrisch geprägter Abstraktion. Die Referenzen sind offensichtlich: Hardedge, Systemic Painting oder Konstruktivismus – allemal antisubjektivistisch, unter Abzug malerischer Handschrift. Diese Adaptionen werden bei Wolf zu etwas völlig anderem. Er nutzt die kunsthistorisch sanktionierten Formensprachen als ästhetisch codierte Ausgangspunkte, spielt in seiner Malerei das Moment des Wiedererkennens aus, während er jene „Vor-Bilder“ darin in den Widerspruch treibt.
Jetzt ist es so, dass die Bilder von Jens Wolf gerne im Zusammenhang mit Geschichte, Kunstgeschichte diskutiert werden, um ihnen quasi in Abgrenzung zu dieser Kulisse zu ihrem eigenen Recht zu verhelfen. Oft ist dabei von Techniken der Aneignung oder des Zitats, von Wiederholung die Rede: dabei würde – heißt es immer wieder – Material aus der Vergangenheit im neuen Gewand präsentiert, erneut zur Aufführung gebracht. Eine brav postmoderne Denke spricht daraus, für die Aktualität immer einen Rückwärtslooping braucht. Ich gebe zu: mit Blick auf die Patzer und Kratzer, das fragmentarisch Abgeblätterte und die Historismus-Patina der Arbeiten von Jens Wolf scheint so eine Perspektive zu passen.
Aus der Warte würde sich Jens’ Ansatz etwa so darstellen, als würde er sich aus einem Bilderfundus bedienen, auf kanonisierte Motivressourcen zurückgreifen, die sich aus so nahe liegenden (sagen wir: Josef Albers) wie entlegenen Quellen (etwa Ilja Bolotowsky) speisen. Ans Aufspüren und Aneignungen schlösse dann das spezielle Treatment des Künstlers an: Malen auf Sperrholz, inszenierte Fehler, Motivvariationen etc. Und ganz zum Schluss am Ende kämen Jens Wolfs raus.
Diese Bilder kommen immer auch ein bisschen abgegriffen, angestoßen, ramponiert daher: die Farbschicht scheint da und dort an den an sich exakt gesetzten Kanten abzuplatzen, und manche Farbbahn scheint entweder, wie aus Desinteresse, nicht fertig gestellt, oder schon ein Stück weit, wie durch Gebrauch beschädigt.
Beschädigt sind auch die Bildträger selber. Das dünne, auf drei Standardgrößen formatierte Sperrholz, worauf Jens Wolf seit mehreren Jahren bevorzugt seine Kompositionen umsetzt, wellt oder ist an der Oberfläche rissig. Ein Arsenal an Fehlern kommt bei diesen Arbeiten zusammen: schadhafte Stellen oder unvollendete Passagen, dann wieder aufgrund sichtbarer Bleistiftvorzeichnung offenbar bewusst fragmentarisch belassene Passagen. Fehler allerdings, die nichts mit Alter und Abnutzung zu tun haben sondern zu Jens Wolfs Konzept, zum Bildprogramm gehören: gleichwertig wie die in Hard Edge-Manier sauber in Szene gesetzten Motive aus Stripes und Patterns und noch anderer solcher geometrisch-konkreter Universalien, wie sie seit Jahrzehnten im Baukasten abstrakter Malerei reichlich vorhanden und global verfügbar sind. Paradox ist außerdem, dass die ‚Fehler’, wie sie Jens gezielt macht, gleichzeitig formal wie inhaltlich bedeutsam werden, dass sie im Rahmen seiner Praxis auf-, keineswegs abwertend wirksam werden.
Ihre Stärke ziehen sie aus einem fein justierten Understatement, das durch die prekäre Simultanität von Präzision und Unterschleif, von Geometrie und Fehler, von Künstlichkeit und Naturbelassenheit erzielt wird. In gewisser Weise scheinen sich diese Arbeiten dem Betrachter schutzlos auszuliefern und bleiben dennoch, ohne alle Arroganz, in der Reserve.
Auf Eindeutigkeit zielenden Interpretationen verwahren sich die Arbeiten von Jens Wolf allerdings dadurch, dass sie, eben alles andere als „arrogant“, nicht ‚Position’ behaupten sondern sich auf verschiedenen Ebenen zwischen Grenzlinien, entlang formaler wie inhaltlicher Festschreibungen – etwa Technik und Ideologie, Distanz und Übertretung, Dekor und Autonomie, Aktualität und Nostalgie etc. – situieren, sieht es mit ihrer Vereinnahmung schlecht aus. Und dabei sind sie immer schön anzuschauen.
Bild:
Jens Wolf, o.T., 2006,
Acryl auf Sperrholz, 195 x 140 cm |