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August Gaul: 20 Bronzen aus der Sammlung Cassirer

August Gaul, Bronzen aus der Sammlung Cassirer

Paul Cassirer, eine der schillerndsten Kunsthändlerpersönlichkeiten seiner Zeit, verändert mit Sachverstand, Stilsicherheit und avantgardistischem Geschmack die Kunstlandschaft im wilhelminischen Deutschland. Sein Salon ist legendär, die Kunstgalerie von dem jungen Henry van de Velde eingerichtet – er betreut und berät die hochkarätigen Sammlungen in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Paul Cassirer bietet dem französischen wie dem deutschen Impressionismus eine Bühne. Den Tierbildhauer August Gaul, der u.a. in Berlin im öffentlichen Raum vertreten ist, hat er exklusiv unter Vertrag. Kunsthändler und Künstler verbindet darüber hinaus eine enge Freundschaft. Wie Roland Dorn es formuliert, bedeuten diese Bande für eine ganze Bildhauergeneration eine Wandlung ihrer Rahmenbedingungen innerhalb von zwei Jahrzehnten: „Gaulchen mit seinen munteren Tierchen, die Paulchen bei seiner vermögenden Kundschaft unterzubringen wußte. Zu des Kaisers ehernem Antlitz mit der bis ins letzte Härchen zu Höherem strebenden Barttracht hatten sich Bären und Gänse gesellt, ebenso Pinguine und Fischotter, die eigentlich nur – und dies allein aus der Form herauszu spielen, zu schnattern und von Wasser zu triefen vermochten. Ein Bewußtsein für die Essenz plastischer Form war im Entstehen […].“ (Roland Dorn, „Paulchen und Gaulchen“. Ponderabilien zu August Gauls Liaison mit dem Kunstsalon Paul Cassirer, in: Ursel Berger (Hg.), Der Tierbildhauer August Gaul, Berlin 1999, S. 74 f.)

Unter anderem seinem Bruder Dr. Alfred Cassirer vermittelt der Galerist zahlreiche Tierfiguren Gauls. Der deutsche Kunstkritiker Karl Scheffler erwähnt in seiner Beschreibung dieser qualitätvollen Kunstsammlung Alfred Cassirers im Journal „Kunst und Künstler“ allein zehn Kleinplastiken von August Gaul: „mit Ausnahme eines reizenden Bronzeköpfchens der Tochter [die dreijährige Eva] gehören alle August Gaul. Er ist ver - treten mit […] einer stehenden Löwin, stehenden Bären, einem sichern - den Reh, einer Hühnergruppe, einer Pinguinengruppe, zwei Enten und mit der ganzen sogenannten ’Eselei‘. […] Auch hier erweist sich Gaul als ein Meister, der unter Kunstwerken jeder Art und jeder Güte seinen Rang behauptet, als ein Meister […] unter Meistern.“ (Karl Scheffler, Die Sammlung Alfred Cassirer, in: Kunst und Künstler, Illustrierte Monatsschrift für Bildende Kunst, Jg. XXVII, Berlin 1930, S. 460)

Nach Alfred Cassirers frühem Tod 1932 werden seine Sammlungen von einer Nachlassverwaltung betreut. Seine Teppichsammlung gelangt in das Berliner Museum für Islamische Kunst. Während der NS-Zeit überstehen andere Kunstwerke wie die Werke August Gauls den Krieg und werden den Erben nachher zurückgegeben. Unter anderem gelangen die Tierbronzen Gauls in die Sammlung von Alfreds Tochter Eva Cassirer (1920-2009), die in London Philosophie und in den USA Astronomie studiert hatte und über das Thema „Concept of Time“ promoviert wurde. Für ihr Engagement in der Rettung verfolgter jüdischer Mitmenschen während der NS-Zeit wurde Eva Cassirer posthum von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.
Die hier angebotenen Bronzen von August Gaul entstammen dieser prominenten Provenienz und sind nicht nur Zeugnis einer tiefen Freundschaft von Künstler und Kunsthändler, sondern vermitteln auch einen Eindruck großbürgerlicher Sammlungszusammenhänge.

Kämpfende Wisente aus der Sammlung Oscar Schmitz

Im Jahr 1905 erhielt August Gaul von dem preußischen „Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten“ den Auftrag, für die Stadt Königsberg eine Brunnenanlage mit einer monumentalen Tierplastik auszuführen. Dargestellt werden sollte das Motiv zweier kämpfender Wisente, wie Gaul es bereits 1904 in einem kleinen Vorentwurf ausformuliert hatte (vgl. Gabler 118). Ausgehend von diesem Entwurf schuf der Bildhauer eine erste ausdrucksstarke Modellfassung, die als Unikat nur in dem hier angebotenen Bronzeguss existiert. Gaul steigert das zuvor recht statisch behandelte Sujet hier zu einer höchst dramatischen Szene: „Im Gegensatz zu dem ersten Entwurf prallen nun die beiden urtümlichen Tiere direkt aufeinander. Durch die deutlich herausmodellierten Muskelpartien der Tiere entwickelt Gaul eine kraftvoll-dynamische Kampfszene. Die raue Oberflächengestaltung verweist auf den Modellcharakter dieser Arbeit, die damit erkennbar für ein großes Format konzipiert ist.“ (Josefine Gabler, in: Werkverzeichnis August Gaul, S. 116)

Der monumentale „Wisentbrunnen“ wurde nach langen Vorarbeiten im Jahr 1913 vor dem Amts- und Landgericht von Königsberg aufgestellt (vgl. Gabler 133). Die großformatige Ausführung verliert im Gegensatz zu unserem Modell jedoch deutlich an Spannung, wie schon der Kunst - kritiker Karl Scheffler 1920 bemerkte: „In dem Maße aber […], wie die Gruppe mehr und mehr zu einer Einheit wurde, verschwand die ursprüngliche Leidenschaft des Kampfes, das Urgewaltliche der angreifenden Kraft.“ (zit. nach: Gabler, op. cit., S. 128).

Veranstaltungen zum Bericht:
Auktion 1268: Evening Sale – Moderne und Zeitgenössische Kunst

Quelle: © Kunsthaus Lempertz

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