Losnummer: 6324
"Ort der Handlung: Rapallo in der gemieteten Villa Hauptmanns. Gemütliche Stimmung. Mehrere leere Pullen italienischen Sekts stehen schon auf dem Büffet. 'Morgen, Leo, sitze ich Dir nach dem Frühstück ganz bestimmt und solange Du willst' (...) Für den nächsten Morgen dasselbe Versprechen und ein anderer Vorwand. Schließlich musste das Bildnis aus den Beobachtungen der feuchtfröhlichen Abende entstehen" - so schildert Leo von König das Entstehen des Portraits (zit. nach Alexandra Bechter: Leo von König. Maler der Berliner Secession, Ausst.-Kat. Oldenburg u.a. 2001, S. 23). Bis ins Jahr 1900 reichte die Bekanntschaft zwischen König und Hauptmann zurück, aus der eine enge, lebenslange Freundschaft wurde. Der neun Jahre jüngere König bewunderte Hauptmann und forderte ihn 1920 sogar auf, für das Amt des Reichspräsidenten zu kandidieren. Der Künstler besuchte Hauptmann in den 1920er Jahren mehrmals in Rapallo, so auch 1927. "Das erste Mal malte Leo ihn 1909. In Laufe der Zeit entstanden insgesamt acht Bildnisse, darunter drei Zeichnungen. Noch wenige Monate vor seinem Tode schrieb Leo an Hauptmann, wie gerne er ihn noch einmal porträtieren möchte, aber die 1927 gemalten Bildnisse sollten die letzten bleiben. (...) Gerhart Hauptmann beschrieb die Darstellung als die eines 'alten Landmenschen, diesen nach Acker und Wetter riechenden Mann' und war begeistert von Leo von Königs Auffassung und Bildkonzeption." (Op.cit, S. 23). Ein etwas kleineres Portrait Hauptmanns aus der Hand des Künstlers von 1927, ebenfalls im Mantel, reduziert das Kniestück auf eine Halbfigur (Privatbesitz, Abb. ebd. S. 95). Im Gegensatz zur Versunkenheit des Dichters in jener kleineren Darstellung erscheint der 65-Jährige in unserem Gemälde eher aktiv als nachdenklich - und auch hier nicht so repräsentativ, wie es seinem Status als einem der bedeutendsten Schriftsteller seiner Zeit entsprochen hätte. Naturalismus und eine sozialkritische Haltung prägen Hauptmanns literarisches Schaffen. Als Spiegel dessen zeigen sich menschliche Nähe und Natürlichkeit im Bildnis des Dichterfürsten, der hier eher wie ein ländlicher Gutsherr daherkommt.
Nach seinen Studien in Berlin, München und schließlich an der Pariser Académie Julian hielt Leo von König sich um die Jahrhundertwende länger in Frankreich auf und reiste von hier aus nach Spanien und Holland. Dort studierte er die großen Portraitisten des spanischen und niederländischen Barock: Velázquez, Frans Hals, Vermeer, Van Dyck und vor allem Rembrandt. Zugleich wirkte der unmittelbare Einfluss der französischen Impressionisten auf ihn ein, den auch unsere hier vorliegende Darstellung durch ihren lockeren, weichen und breiten Pinselduktus erkennen lässt. 1896 debütierte Leo von König auf der Großen Berliner Kunstausstellung. In diesem Jahr noch wurde er Mitglied der Münchner Secession, und 1902 trat er der Berliner Secession bei. Hier reüssierte er bald, insbesondere durch die malerischen wie psychologischen Qualitäten seiner Bildnisse.
Der Künstler gehörte neben Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt zu den wichtigsten Repräsentanten der Berliner Secession. Das Gemälde hing im Frühstückszimmer.
Literatur: Liegnitzer Katalog S. 196.
Antje Johanning, Die Sammlungen Gerhart Hauptmanns aus dem Besitz Anja Hauptmanns, Dresden 2006, S. 269 mit Abb.
Wir bitten darum, Zustandsberichte zu den Losen zu erfragen, da der Erhaltungszustand nur in Ausnahmefällen im Katalog angegeben ist.
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