
Lothar Quinte gilt gemeinhin als einer der erfolgreichsten Künstler der Op(tical) Art in Deutschland. Mit der konstruktiven Kühle seiner Op-Art-Kollegen hat der 1923 geborene und im Jahr 2000 verstorbene Maler allerdings nicht viel gemeinsam. Während seine Kollegen im Bereich der konkreten Kunst auf die laute Pop-Ära mit grellen Schockfarben kontern, strahlen Quintes Bilder eine eigentümliche Poesie aus, welche die konstruktiven Formen zum sinnlichen Erlebnis werden lässt.
Nachdem sich seine ersten Werke der 1950er Jahre noch im Kontext einer gestisch bestimmten informellen Malerei bewegen und die Zwiesprache von körperlichem Gestus und malerischem Grund thematisieren, rücken seine in den 60er Jahren entstehenden, sogenannten Schleier- und Fensterbilder die Themen Licht und Raum in den Mittelpunkt. Auf diesen Bildern fungieren rahmenartige und bildfüllende dunkle Flächen nicht als Mittel der Darstellung einer äußeren Wirklichkeit, sondern als eigentlicher Gegenstand der Aufmerksamkeit. Die Malerei beziehungsweise der durch sie evozierte farbige Klang im Raum wird als Mittelpunkt des sinnlichen Erlebens zelebriert. Bleibt die Farbe zunächst noch hinter schwarzen Vorhängen und Schleiern verborgen, halten mit den Werkserien der sogenannten Schlitz-, Falt- und Fächerbilder farbige Kreise, Quadrate und Rechtecke als räumlich angeordnete, zueinander in Kontakt tretende, mit Lineal und Zirkel konstruierte Farbräume ihren Einzug in den Quintschen Bilderkosmos. In ihrer reduzierenden Klarheit erinnern viele Gemälde an naturwissenschaftliche Darstellungen, etwa aus dem Bereich der Strahlenphysik. In den Schlitz-, Falt- und Fächerbildern schafft Lothar Quinte durch die vertikal oder diagonal ins Bild gerückten, prismatisch aufgefächerten Sehschlitze aufzuckende Leuchtspuren, welche auf den Betrachter eine geradezu hypnotische, meditative Wirkung ausüben, die Leinwand als farbige Membran in Vibration versetzen und das Verhältnis von Statik und Dynamik immer wieder neu thematisieren. Einen weiteren Höhepunkt stellen die Anfang der 1970er Jahre entstehenden Corona-Bilder dar, die vom Kreis als der am meisten in sich ruhenden Form und den um ihn wie Schwingungen gruppierten Ringen bestimmt waren. „Vom Kreis führt nichts mehr weiter“, sagte Quinte und legte seinen Pinsel nieder. Erst eine Weltreise 1975 und 1976 und die regelmäßigen Aufenthalte in Colva, einem Fischerdorf im westindischen Bundesstaat Goa, motivieren und inspirieren Quinte, seine perfekten geometrische Fixierungen aufzugeben und die Farbe als lasierende Farbbahnen, sinnliche Farbstelen und monochrome Farbräume wieder aufzugreifen. Zugleich knüpft Quinte in seinen Dripping- und Netz-Bildern mit den über die Bildfläche fließenden Rinnsalen an das Gestische seiner ersten Bilder an. In der Spätphase dominieren ruhige Farbklänge, mit Licht durchwobene Farbwolken und auratisch aufgeladene Energiefelder seine Bilder.
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1923 geboren in Neisse (heute: Nysa)
1937-41 Malerlehre in Leipzig
1946-51 Studium an der Kunstschule Kloster Bernstein
1951 Schüler von HAP Grieshaber
1959-60 Gastdozentur an der Werkkunstschule Krefeld
1956 Kunstpreis Junger Westen, Recklinghausen
1975/76 Weltreise
1977 Teilnahme an der documenta 6 in Kassel
1980-94 jährliches Winteratelier in Colva/Goa, Indien
1993 Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen
1995 Verleihung des Professorentitels
1997 Lovis Corinth-Preis der Künstlergilde Esslingen
2000 gestorben in Wintzenbach
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