Jenny Saville erstmals in Österreich  |  | Jenny Saville, Gaze, 2021/24 | |
Die Albertina in Wien widmet Jenny Saville erstmals in Österreich eine institutionelle Einzelpräsentation. Die Schau „Gaze“ bietet einen Einblick in das Werk der Britin aus den letzten 20 Jahren und stellt auch aktuelle, bislang der Öffentlichkeit nicht gezeigte Arbeiten vor. Saville, die wie Damien Hirst und Tracey Emin zu den Young British Artists zählt und als einzige figurative Malerin 1997 an der legendären Schau „Sensation“ in London teilnahm, lässt sich von der Kunstgeschichte inspirieren, etwa durch Leonardo da Vinci und Tizian, aber auch durch jüngere Künstler wie Egon Schiele, Pablo Picasso und Lucian Freud. Ihre Malerei ist von einer betonten Körperlichkeit und Fleischlichkeit geprägt und spielt mit neuen und alten Medien. Seit den 1990er Jahren entstehen Darstellungen von Leibern und Gesichtern, die sich durch Direktheit und Unmittelbarkeit auszeichnen. In der Albertina haben Angela Stief und Melissa Lumbroso 26 Werke der 1970 geborenen Künstlerin vereint.
Jenny Saville entwickelt ihre Figuren aus einer Mischung von Idealisierung und Dekonstruktion, Schönheit und Hässlichkeit stehen direkt nebeneinander. Der Ausstellungstitel bezieht sich auf ihr Werk „Gaze“: Ein Mädchen mit Pferdeschwanz blickt den Betrachter unschuldig mit großen blauen Augen an, der Mund ist leicht geöffnet. Das Antlitz hat Saville überlebensgroß auf die Leinwand gebannt und durchbricht die figurative Malerei partiell mit abstrakten Elementen, breiten Pinselzügen und einer pastosen Oberfläche. Hinter den verletzenden Farbschlieren scheint die Haut aufzureißen und gibt mit zwei Augen Fragmente eines weiteren Gesichts frei. Laut Stief und Lumbroso betone Saville damit die Nahbarkeit und Lebendigkeit der Protagonistin.
Die Malerin übersetze die Techniken der Alten Meister in eine originelle, aktuelle Herangehensweise, die zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion pendelt, so Stief. „Dabei entwickelt sie ihre figurativen Darstellungen, vergleichbar einem Bildhauer, meist aus abstrakten Farbfeldern und dicken Farbschichten, die nach und nach Form annehmen.“ Als Inspiration dürften ihr gerade bei den Portraits Maler wie Rembrandt oder Tizian dienen, da auch sie das Impasto einsetzen und die Pinselspuren gut sichtbar bleiben. In modernisierter Form wird dies bei „Gaze“ in den abstrakten Farbmomenten greifbar, die dekonstruierend wirken. Als Vorlagen für die künstlerische Auseinandersetzung dienen Saville auch die Antike oder die christliche Ikonografie. So erinnert „Byzantium“ von 2018 an eine Pieta.
Die Gemälde werden nicht nur durch Farben aufgebrochen und abstrahiert. Manchmal fügt Jenny Saville geometrische Ausschnitte ein, die eine andere Perspektive des Motivs zeigen, wie in „Skene“ von 2023. Oder sie verschränkt mehrere Motive und Perspektiven, etwa in der großformatigen Zeichnung „Chapter“ von 2016/18, die Saville der wichtigen Kunsthistorikerin Linda Nochlin widmete. So wird ersichtlich, dass die Malerin nicht nur Freude am Zitieren anderer Künstler hat, etwa von Francis Bacons Figurendekonstruktion in „Fate I“, sondern auch an der Malerei und der Farbe selbst.
Die Ausstellung „Jenny Saville. Gaze“ läuft bis zum 29. Juni. Die Albertina hat täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und freitags bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 19,90 Euro, ermäßigt 15,90 Euro. Für Jugendliche unter 19 Jahren ist der Eintritt frei. Der begleitende Katalog kostet im Museum 29,90 Euro.
Albertina
Albertinaplatz 1
A-1010 Wien
Telefon: +43 (0)1 – 534 830 |