Die Wegbereiterinnen der Abstraktion in Ludwigshafen  |  | Vera Molnár, Ohne Titel, 1945/50 | |
Die Ausstellung „Wir werden bis zur Sonne gehen“ im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen untersucht die Rolle von Künstlerinnen bei der Herausbildung der geometrischen Abstraktion. Der Titel ist der gleichnamigen Autobiografie von Sonia Delaunay entlehnt. Dort weist die Malerin darauf hin, dass die Geschichte der geometrischen Abstraktion ohne Künstlerinnen nicht hätte geschrieben werden können. Entsprechend legen die Kuratorinnen Astrid Ihle und Julia Nebenführ in der Schau einen Parcours mit Werken von 62 Kunstschaffenden von der russischen Avantgarde ab 1914, dem Bauhaus und den Entwicklungen in Paris während der 1920er Jahre über den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegskunst bis in das Jahr 1980. Der Rundgang mit Arbeiten von Lina Bo Bardi, Lucia Moholy, Gego, Shizuko Yoshikawa, Ana Sacerdote, Charlotte Posenenske, Regina Cassolo Bracchi, Charlotte Perriand oder Lucia di Luciano führt über Städte wie Zürich, Mailand, Paris und Ulm hin zu internationalen Zentren wie São Paulo, Buenos Aires und Havanna.
Der Anfang der geometrischen Abstraktion liegt um die Jahrhundertwende und war von der Idee der Erneuerung, Utopie und des Widerstands durchdrungen. Das Ziel war die Einheit aus Kunst und Leben. Bevor die Bewegung sich zu einer Weltsprache nach 1945 etablieren konnte, waren an ihrer Entwicklung viele Künstlerinnen beteiligt, darunter Sophie Taeuber-Arp, Marcelle Cahn, Louise Loeber, Franciska Clausen oder Alexandra Exter, die teils wenig Beachtung in der Kunstgeschichte fanden. Mit dabei waren nicht nur Fotografinnen, Malerinnen und Bildhauerinnen, sondern auch Frauen aus der angewandten Kunst, die etwa Textil- und Modedesigns oder Gebrauchsgegenstände entwarfen. So unterteilte Anni Albers ihren Wandteppich „Black White Gray“ von 1927 in horizontale graue Streifen, die wiederholt von schwarzen und weißen Quadraten rhythmisiert werden.
Einen anderen Effekt bietet die „Suprematistische Konstruktion“ von Ljubow Popowa. Um 1916 in Öl gemalt, staffeln sich unterschiedliche geometrische, bunte Flächen in Grün, Orange, Schwarz oder Rot in austarierten Größen auf weißem Grund über- und nebeneinander. Dieses geometrische Spiel in starker Vereinfachung findet sich mit Kreis und Gerade bei einem Mokkaservice: Margarete Heymann-Marks gelang um 1925/30 für die Haël-Werkstätten der Zusammenschluss von Abstraktion und Nutzgegenstand. Aus der Nachkriegszeit schlägt die 1953 datierte Wollarbeit „Acervo 9, abstratos cósmicos“ der 1922 in São Paulo geborenen Judith Lauand den Bogen nach Südamerika. Lauand war die einzige Frau bei der Grupo Ruptura, einer Kunstbewegung in São Paulo, die Konkrete Kunst mit mathematischer, geometrischer Formensprache in Brasilien etablierte. Mit Vera Molnár betritt eine Pionierin der Computerkunst die Schau, die aus dem Feld der konstruktiv-konkreten Kunst stammt und auf einer Gouache von 1945/50 die Farbbalken in zwei Reihen vertikal streng positioniert hat.
Die Ausstellung „Wir werden bis zur Sonne gehen. Pionierinnen der geometrischen Abstraktion“ läuft bis zum 21. April 2025. Das Wilhelm-Hack-Museum hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 20 Uhr und am Wochenende bereits ab 10 Uhr geöffnet. Geschlossen bleibt Heiligabend und Silvester. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 7 Euro. Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein Katalog, der im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro kostet.
Wilhelm-Hack-Museum
Berliner Straße 23
D-67059 Ludwigshafen am Rhein
Telefon: +49 (0)621 – 504 30 45 |