Berlin und die „Brücke“ Auch die Neue Nationalgalerie in Berlin reiht ab heute unter die Gratulanten zum 100jährigen Gründungsjubiläum der „Brücke“ ein und geht in ihrer Ausstellung, die zusammen mit dem Kupferstichkabinett und dem Brücke Museum entstand, besonders auf die Verbindungen zwischen der expressionistischen Künstlergemeinschaft und der Kunstmetropole Berlin ein. Darüber hinaus vermitteln die rund 500 Exponate aber auch einen Überblick über die gesamten acht Jahre des Bestehens der „Brücke“, die am 7. Juni 1905 in Dresden ihren Anfang nahm. Damals schlossen sich die Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt-Rottluff zusammen, um „unmittelbar und unverfälscht“ das wiederzugeben, was sie zum Schaffen drängte. Dass sie dabei ihre künstlerischen Gestaltungen über die freien Kunstformen ausdehnten und die Einheit von Kunst und Leben zu verwirklichen suchten, machen in der Ausstellung neben den 80 Gemälde, elf Skulpturen, den Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafiken auch illustrierte Bücher und expressionistische Zeitschriften, gebrauchsgrafische Dokumente und Plakate, kunstgewerbliche Gegenstände, wie holzgeschnitzte Gebrauchsgefäße oder selbst gefertigter Schmuck, und die dekorativen Glasfenster deutlich.
Diesen gesamtkünstlerischen Impuls verwirklichten die Brücke-Künstler in ihren Ateliers mit rustikal geschnitztem Mobiliar und Textilbehängen, auch nachdem Max Pechstein 1908 nach Berlin übergesiedelt war und ihm 1911 Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff folgten. Ein solches Interieur wird mit Kirchners zweitem Berliner Atelier in der Körnerstraße 45 mit originalen Gegenständen und bestickten Textilien rekonstruiert. Ein Vorbild dieser Einheit von Kunst und Leben sahen die Künstler in den außereuropäischen Kulturen, die sie darum und auch wegen der magischen Ausdruckskraft dieser Werke besonders schätzten. Die Afrika- und der Südsee-Abteilung des Ethnologischen Museums bestückt die Schau mit Skulpturen und Objekte und konfrontiert sie teilweise mit Arbeiten der „Brücke“, die unmittelbar von diesen inspiriert wurden.
Dem Spannungsfeld von Großstadt, Wohnatelier und der Welt der Exotik, in dem sich das Leben der „Brücke“-Künstler in Berlin entfaltete, ist eine spezielle Inszenierung mit großformatigen Skulpturen aus dem Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin in der Oberen Halle der Neuen Nationalgalerie gewidmet. Neben den eigenen Beständen der drei Museen konnten konzeptionell bedeutsame Leihgaben einbezogen, darunter so prominente wie das Gemälde „Die Straße“ aus dem Jahr 1913 von Kirchner. Einstmals im Besitz der Nationalgalerie, aber 1937 als „entartet“ beschlagnahmt, gehört es heute zum Bestand des Museum of Modern Art in New York. Das gleiche Schicksal erfuhr das großformatige Erinnerungsbild von Kirchner „Eine Künstlergruppe“, mit dem dieser 1926/27 der einstigen Gefährten gedachte – eine Leihgabe aus dem Museum Ludwig in Köln.
Die Ausstellung „Brücke und Berlin – 100 Jahre Expressionismus“ läuft vom 8. Juni bis zum 28. August. Die Neue Nationalgalerie hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags erst ab 11 Uhr geöffnet.
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