Die Kunst, online zu lesen.

Home


Magazin

News


Marktberichte


Ausstellungen


Journal


Portraits


Top Event


Netzkunst





Kunst kaufen
Werben

Translation EnglishFrench

Anzeige

Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé

Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Anzeige

Interieur – Asia Porcelain – Asiatisches Porzellan, um 1911/12 / Joseph Oppenheimer

Interieur – Asia Porcelain – Asiatisches Porzellan, um 1911/12 / Joseph Oppenheimer
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Newsmailer Eintrag

Bestellen Sie bitte hier:


Suchen mit Google

Google
WWW
kunstmarkt.com

Portraits

Aktuellzum Archiv:Künstler-Portrait

100 Jahre Künstlergemeinschaft „Brücke“

Gärende, revolutionäre Kräfte



Als Anführer der künstlerischen Rebellion in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden sie gerne bezeichnet. Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff waren aber zunächst nicht primär Maler, sondern Architekturstudenten, als sie sich am 7. Juni 1905 in Dresden in einer Künstlergemeinschaft unter der Bezeichnung „Brücke“ zusammenschlossen. Auf den Namen „Brücke“ kam die Gruppe, als Erich Heckel Partien aus Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ vortrug. Im letzten Teil, im Abschnitt „Die Begrüßung“, findet sich die Stelle: „Ihr seid nur Brücke: mögen Höhere auf euch hinüberschreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt nicht, der über euch hinweg in seine Höhe stiegt!“ An anderer Stelle schrieb Nietzsche: „Was groß ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist!“ Der Name „Brücke“ sollte für die Hitzköpfe implizieren, alle gärenden, revolutionären Elemente an sich zu ziehen. Damit war eine der bedeutendsten Kunstbewegungen der Moderne geboren.



Die zwischen 21 und 25 Jahre alten Kommilitonen waren alle ohne nennenswerte malerische Ausbildung und Erfahrung. Kirchner und Bleyl hatten sich während ihres Architekturstudiums an der Technischen Universität Dresden 1902 kennen gelernt und schlossen Ende Juni 1905 ihre Ausbildung mit dem Diplom ab. Eng verbunden durch zeichnerische und malerische Versuche bestand zwischen beiden eine tiefe freundschaftliche Beziehung. Diese Phase endete jedoch schon im Oktober 1906, als sich Bleyl vollkommen der Architektur widmen musste und die „Brücke“ verließ. Heckel, der 1904 als Architekturstudent nach Dresden kam, und Schmidt-Rottluff, der 1905 in der sächsischen Metropole eintraf und nur zwei Semester Architektur studierte, hatten sich in einem Literaturzirkel kennen gelernt. Bald entdeckten auch sie ihre Liebe zur Malerei und stießen zu Kirchner und Bleyl.

Anfänglich resultierte ihr kraftvoller, vereinfachter Stil durch Eindrücke, die Paul Gauguins Südseebilder oder Arbeiten des 1905 erstmals in Dresden ausgestellten Vincent van Gogh sowie das Studium ostasiatischer Holzschnitte bewirkten. In den Dresdener Kunstsammlungen ließen sie sich ferner von Lithografien des Franzosen Henri de Toulouse-Lautrec und von mittelalterlicher Malerei und Grafik anregen, insbesondere von Werken Cranachs, Dürers aber auch Rembrandts. Bei der Suche nach dem Ursprünglichen stießen sie auf Arbeiten sogenannter „Primitiver“, also afrikanische Plastiken oder ozeanische Schnitzereien. Das führte sie zu ungewöhnlichen Formaten, unkonventionellen Bildausschnitten, einem Verzicht auf die traditionelle Zentralperspektive und zu neuen malerischen Inhaltlichen.

Wie sehr allerdings Tendenzen, die auf ihren Ausbruch warteten, in der Luft lagen, zeigt der Erwerb von „Negerplastiken“ durch Matisse oder die Beschäftigung Picassos mit archaisch-iberischer Kunst. Aber die Durchdringung von revolutionären Bewusstsein und dem unnachgiebigen, schöpferischen Suchen brachte künstlerische Entwicklungen, in der die vier als Maler subjektiver verfahren konnten als Architekten. Allen war klar, vom Akademismus weg zu kommen und sich mutig in eine noch unbekannte Zukunft zu bewegen, die sich noch konkretisieren sollte. Mit Eigenwilligkeit, und hohem Anspruch artikulierten sie ihre Emotionen in expressiven Formen in Verbindung mit einem offensiven Bekenntnis zur Farbe. Formen und Farben dominieren immer stärker losgelöst von Gegenständen in freien Gesten. Ausgehend vom Jugendstil und Symbolismus ist erst um 1907/08 ist eine unverwechselbare Reife und ein autonomer „Brücke“-Stil zu beobachten.

Das Streben nach ausdrucksstarken Bildern mit vereinfachtem Linienwerk, großflächigen Kompositionen sowie reiner Farbe führte die Künstler zum Holzschnitt, der gleichwertig neben den gemalten Arbeiten steht. Wie keine andere Technik erlaubt er eine strenge, knappe Formung des Bildgedankens. Neben harten Bildaufbauten und einer plakativen Flächenhaftigkeit steigern hier die kontrastreichen Gestaltungsmöglichkeiten die Aussage. Der Gedanke, durch Vervielfältigung ein breites Publikum zu erreichen sowie die Einnahmen zu erhöhen, trieb die „Brücke“-Künstler ebenfalls in die Rolle des Begründers eines neuen deutschen Holzschnitts. Um in die Breite wirken zu können, wurden die Holzschnitte teils in hohen Auflagen gedruckt.

Der Konsument, der Betrachter, wurde gleichberechtigt mit einbezogen. Die Möglichkeit einer passiven, also zahlenden Mitgliedschaft war Bestandteil eines erstmals derart professionell angelegten Vertriebssystems mit Werbung, Akquise und Einbindung von Förderern und Käufern. Emil Nolde brachte diese Idee der passiven Mitgliedschaft auf. Für zwölf Mark gab es 1906 neben einem Tätigkeitsbericht auch eine Grafikmappe. Im Jahr 1912 musste man für diese, bis zu vier, fünf Grafiken enthaltende und begehrte „Brücke“-Mappe bereits 25 Mark zahlen. Die Zahl der Mitglieder war in dieser Zeit von 22 auf 68 gestiegen. Die absolut professionell angelegte Vermarktung und die strenge Organisation als Kampfgemeinschaft unterschied die „Brücke“ von anderen Künstlervereinigungen.

Das Pogramm war kurz und allgemein gehalten. Der 1906 veröffentlichte Pogrammentwurf, übrigens der erste künstlerische des 20. Jahrhunderts, bestand lediglich aus drei Sätzen: „Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Geniessenden rufen wir alle Jugend zusammen. Und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen, älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.“ Kirchner hatte den Entwurf verfasst und in Holz geschnitten.

In einem angemieteten, ehemaligen Metzgerladen in einem Dresdener Arbeiterviertel hatte Heckel ein Atelier eingerichtet. Später übernahm dies Kirchner. Heckel baute sich seine neue Bleibe in einem leer stehenden Schusterladen ein. In beiden Lokalitäten trafen sich die Mitglieder; hier wurde mit besessenem Fleiß und höchster Intensität gearbeitet. Das Atelier Heckels wurde auch Vereinslokal, da er zum Schatzmeister und Geschäftsführer der „Brücke“ ernannt wurde. Von Ende September bis Ende Oktober 1905 veranstaltet die „Brücke“ im Dresdener Schauraum der Lampenfabrik K.M. Seifert ihre erste Ausstellung aus Aquarellen, Gemälden, Druckgrafiken.

Mit der Zeit vergrößerte sich die Expressionistengemeinschaft. Im Jahr 1906 stieß neben dem umtriebigen Hermann Max Pechstein auf Bitten der Mitglieder auch Emil Nolde zur „Brücke“; allerdings bleibt er nur eineinhalb Jahre dabei. Ebenso traten der Schweizer Cuno Amiet und der Finne Akseli Gallén-Kallela für einige Zeit der Gemeinschaft bei. 1908 war vorübergehend der Hamburger Franz Nölken Mitglied geworden, der sich schnell wieder nach Paris verabschiedete, um bei Matisse zu studieren. Über die Mitwirkung an Ausstellungen entstanden auch Kontakte zum Berliner Otto Mueller, der 1910 beitrat. 1911 kam noch der Prager Bohumil Kubišta hinzu, allerdings ohne intensive Kontakte zu pflegen. Auch die Niederländer Kees van Dongen und sein Landsmann L. Zyl wurden als Mitglieder aufgenommen.

Nach sechs arbeitsreichen Jahren waren die künstlerischen Charaktere so stark ausgeprägt, dass jeder nach eigenen Wegen strebte. Noch 1912 erhielten die „Brücke“-Künstler die ehrenvolle Einladung zur Beteiligung an der „Sonderbundausstellung“ in Köln, für die überdies Kirchner und Heckel eine Kapelle ausmalen sollten. Die Faszination für die Großstadt fand ihren sinnfälligsten Ausdruck in der Übersiedlung nach Berlin. Da die Hauptstadt bessere Chancen zu bieten schien, ging zuerst Max Pechstein 1908 nach Berlin, bevor 1911 Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff folgten.

Um sich der abzuzeichnenden künstlerischen und menschlichen Trennung entgegen zu wirken, beschloss die Gruppe, aus der von Pechstein 1910 gegründeten Neuen Sezession auszutreten. Pechstein fügte sich nicht und wurde aus der „Brücke“ ausgeschlossen. Um das Gemeinsame nochmals zu betonen, verfasste Kirchner eine ausgesprochen egozentrische „Chronik der Künstlergruppe Brücke“. Schmidt-Rottluff, Mueller, aber auch Heckel beharrten auf einer anderen Sicht der von Kirchner dargestellten Tatsachen. Fast auf den Tag genau acht Jahre nach der Gründung, am 27. Mai 1913, erklärten die Drei die Künstlergemeinschaft „Brücke“ als aufgelöst. Ihr Ziel, gemeinsam eine neue deutsche Kunst zu kreieren, war 1913 aber bereits erreicht worden. Ihre Mitglieder entwickelten sich nun eigenständig weiter. Als erste deutsche Künstlergemeinschaft im 20. Jahrhundert schufen sie einen Stil, der aggressiv, archaisch und antibürgerlich ein zukunftsbewusstes Sendungsbewusstsein verkörperte.

Das Bild der Gruppe schiebt sich in den meisten Betrachtungen weit vor die Analyse der sehr individuellen, maßgeblichen Künstlerpersönlichkeiten. Dabei fixiert dieser Blick nur eine kurze Zeitspanne. Je nach Temperament entwickelten sich die ehemaligen Mitstreiter mehr oder weniger radikal weiter und vollzogen den Bruch endgültig. Das Ende der „Brücke“ markiert aber nicht das Ende des Expressionismus und der mit ihm verbundenen Künstlerpersönlichkeiten.

Unter den vielen Künstlergemeinschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts - man denke nur an die Sezessionisten, Nabis, Fauves - verfolgte keine zweite so konsequent den Weg als Ziel ohne ästhetische Maxime. Getragen vom Glauben an unbewiesene, eigene Kräfte revolutionierten sie die Kunst. Ihre Motive fanden sie primär in der freien Natur, wo sich der freie, nackte Mensch ungezwungen entfalten konnte. So sahen die Freunde den Akt an den Moritzburger Teichen in ihrer vitalen Aufbruchstimmung als Sinnbild für den Einklang mit der Natur. Später bot die Großstadt als wilder Dschungel ohne Ausflüchte, in dem sich das zeitgenössische Leben entfaltete, eine Fortsetzung. Nur Kirchner und Heckel stellten sich wirklich dieser Herausforderung des beschleunigten Großstandlebens ohne Heiterkeit. Alle anderen sahen die „Brücke“ als Weg in die freie Natur. Später wurde Kirchner dann zum bedeutenden Alpenmaler.

Im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ wurde das Werkschaffen der „Brücke“-Künstler einige Jahre später durch die Nationalsozialisten dem Blickfeld der Öffentlichkeit entzogen. Die Ironie der Geschichte bewirkte, dass diese Aktion weltweit die Anerkennung der malerischen Leistungen der „Brücke“ untermauerte und ihren entscheidenden Beitrag zum Beginn der Moderne festschrieb.



07.06.2005

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

Drucken

zurück zur Übersicht


Empfehlen Sie den Artikel weiter:
an


Weitere Inhalte:

Gesamt Treffer 36

Seiten: 1  •  2  •  3  •  4

Berichte (24)Künstler (12)

Bericht:


Max Kaus in Berlin

Bericht:


Die „Brücke“ in Leipzig

Bericht:


Sammlung Gerlinger in Schweinfurt

Bericht:


Eine Brücke zur Zukunft

Bericht:


Meisterwerke des Expressionismus in Duisburg

Bericht:


Die Brücke nun auch in Aachen

Bericht:


Exponate der „Brücke“-Künstler als Publikumsmagnet

Bericht:


100 Jahre Brücke in Bremen

Bericht:


Kolloquium zum Brücke-Jubiläum










Copyright © '99-'2025
Kunstmarkt Media
Alle Rechte vorbehalten


Impressum





Zum Seitenanfang Magazin

 Amazon export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce  Amazon ebay rakuten yatego meinpaket export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce