 |  | Erich Heckel, Zwei Mädchen am Wasser, 1910 | |
Neben dem Blauen Reiter bilden sie die wohl bekannteste deutsche Künstlergruppe: Fritz Bleyl, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff firmierten zwischen 1904 und 1914 unter dem Namen „Die Brücke“. Im Laufe der Jahre kamen andere Künstler hinzu, Fritz Bleyl jedoch verließ die Gruppe. Ausstellungen der Brücke oder ihrer einzelnen Mitglieder gab es landauf, landab und nicht zuletzt aufgrund des starken Publikumsinteresses immer wieder. Warum also sollte man dem offenbar hinlänglich bekannten Repertoire expressiver Farb- und Formexperimente und libertär-erotischer Motivik noch eine weitere Ausstellung widmen? Für Heinz Spielmann, den künstlerischen Leiter des Bucerius Kunst Forums in Hamburg, gibt es dafür eine Vielzahl von Gründen. So will er mit der Ausstellung „Die Brücke und die Moderne 1904-1914“, die neben 45 Gemälden auch rund 100 Zeichnungen und Holzschnitte sowie Skulpturen, Plakate, zahlreiche Briefe und andere Dokumente präsentiert, auch die Vorgeschichte und den Epilog der gemeinsamen Brücke-Episode aufzeigen. Ein weiteres Anliegen der Schau ist auch die Einbeziehung zentraler Wahlverwandtschaften zu Künstlern wie Paul Signac, Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Ferdinand Hodler, Edvard Munch oder Pablo Picasso. Außerdem wird die bisherige Brücke-Geschichtsschreibung einer kritischen Revision unterzogen.
Gleich angefangen bei dem in vielen Publikationen als offizielles Gründungsdatum der Brücke genannten 7. Juni 1905, datieren die Hamburger die ersten gemeinsamen Brücke-Aktivitäten nun bereits auf den Herbst 1904. Folgt man dieser Sicht, so wäre also bereits jetzt das hundertjährige Brücke-Jubiläum zu feiern. „Sie waren nicht die großen Genies, die wie Raketen aus dem Boden schossen“, urteilt Spielmann, der zum Auftakt der Schau im Untergeschoss mehr oder weniger talentierte „frühe Pennälerbilder“ etwa des 17jährigen Gymnasiasten Karl Schmidt-Rottluff im Stile der sächsischen Freilichtmalerei präsentiert. Ihr erstes Zeichentraining an der technischen Hochschule in Dresden erhielten die vier angehenden Architekten übrigens bei Fritz Schumacher, dem späteren Hamburger Stadtbaumeister.
Holzschnitte, die oft als Jahresgaben in relativ geringer Auflage auf kleineren Ausstellungen verkauft wurden oder Vorzugsausgaben von Zeitschriften beigelegt waren, belegen das frühe Talent der Brücke-Gründungsmitglieder, sich ins Gespräch zu bringen und ihre Arbeiten populär zu machen. Ein Holzschnitt ist auch das stark idealisierende „Nietzsche-Porträt Erich Heckels aus dem Jahr 1905. „Ein Seher, ein Wollender, ein Schaffender, eine Zukunft selber und eine Brücke zur Zukunft“, dieses Zitat aus Friedrich Nietzsches Pathos getragener philosophischer Dichtung „Also sprach Zarathustra“ dürfte ausschlaggebend für den auch unter Marketingaspekten geschickten Schachzug der Namensgebung sein. Referenzarbeiten vom japanischen Holzschnitt, über Holzschnitte des Franzosen Félix Vallotton bis hin zu Aktzeichnungen Auguste Rodins oder Oskar Kokoschkas stellen Zeitbezüge her und verdeutlichen das historische Umfeld.
Ein die Ausstellung wie ein roter Faden durchziehendes Prinzip, das sich bei den Gemälden im Obergeschoss konsequent fortsetzt. Paul Signacs neoimpressionistisches, pointillistisches Gemälde „Segelboote im Hafen von Saint-Tropez“ von 1893 beispielsweise wird Bildern alter und neuer Brücke-Mitglieder wie Schmidt-Rottluff oder Emil Nolde, der 1907 zur Künstlergruppe gestoßen war, als zumindest zeitweise den Brücke-Stil prägend vorangestellt. Weitere Einflüsse dokumentiert die Schau anhand von Vincent van Gogh, dessen gesteigerter Umgang mit der Farbe und dessen unbedingte Betonung des Ausdrucks ihren unmittelbaren Widerhall in Bildern Schmidt-Rottluffs oder Heckels fanden.
Arbeiten Paul Gauguins wiederum bilden das Bindeglied zwischen der tropisch-exotischen Unbeschwertheit in der paradiesischen Abgeschiedenheit Ozeaniens und dem „Arkadien des Nordens“ an den nördlich von Dresden gelegenen Moritzburger Teichen. Das uralte Motiv des harmonischen Einklangs von Mensch und Natur wird auf Bildern wie Kirchners „Das blaue Mädchen in der Sonne“ von 1910 oder Max Pechsteins „In der Hängematte“ von 1909/10 unendlich variiert. Die offenbar vollkommen zwanglose und unbekümmerte Atmosphäre dieser Darstellungen unbeschwerter Nacktheit fernab des Großstadttrubels hat dabei die allgemeine Wahrnehmung eines auf den ersten Blick wiedererkennbaren Brücke-Stils geprägt. Doch auch hier vermeidet Heinz Spielmann die allzu verengte Sichtweise und stellt lieber noch einmal Bezüge zur afrikanischen Skulptur her oder rückt mit Edvard Munch einen aus heutiger Sicht zentralen Wegbereiter der Moderne ins Rampenlicht der Ausstellung.
Einige Zeit später, im Jahr 1914, bricht der Erste Weltkrieg aus und die bereits zuvor immer heterogener werdende Gruppe der Brücke-Künstler endgültig auseinander.
Die Ausstellung „Die Brücke und die Moderne 1904-1914“ ist bis zum 23. Januar 2005 zu sehen und hat täglich außer dem 24. Dezember von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro und montags für alle 2,50 Euro. Der Katalog kostet 24,80 Euro. |