Die Kunst, online zu lesen.

Home


Magazin

News


Marktberichte


Ausstellungen


Journal


Portraits


Top Event


Netzkunst





Kunst kaufen
Werben

Translation EnglishFrench

Auktionsanzeige

Am 22.11.2025 Auktion 1276: Alte Meister und 19. Jahrhundert

© Kunsthaus Lempertz

Anzeige

Landschaft an der Nidda, 1898 / Hans Thoma

Landschaft an der Nidda, 1898 / Hans Thoma
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Anzeige

Interieur – Asia Porcelain – Asiatisches Porzellan, um 1911/12 / Joseph Oppenheimer

Interieur – Asia Porcelain – Asiatisches Porzellan, um 1911/12 / Joseph Oppenheimer
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Newsmailer Eintrag

Bestellen Sie bitte hier:


Suchen mit Google

Google
WWW
kunstmarkt.com

Ausstellungen

Aktuellzum Archiv:Ausstellung

Das Lütticher Museum La Boverie wartet mit der bislang umfassendsten Retrospektive zum Pariser Fotografen Robert Doisneau auf

Es kommt auf die Sekunde an



Robert Doisneau, Le cadran scolaire, Paris 1956

Robert Doisneau, Le cadran scolaire, Paris 1956

Der Blick fällt durch den Mittelgang eines Klassenzimmers auf die letzte Bank. Aufgeweckt und den Kopf schräg nach oben gewendet, blickt der Schüler mit dem feschen Haarwirbel erwartungsvoll auf die Uhr hoch über ihm an der Rückwand. Den Griffel in der rechten Hand schreibbereit, hat es fast den Anschein, als wolle er die Zeit protokollieren. Es ist 11:25 Uhr, und mancher mag sich fragen, wie lange die eintönige Unterrichtsstunde noch dauern mag. Sein rechter Nachbar schaut starr voraus. Auch der Blick seines an den linken Bildrand gerückten Vordermannes geht träumerisch ins Nichts. „Le cadran scolaire“ – „Die Schuluhr“ – lautet der Titel eines im Jahr 1956 in einer Pariser Schule von Robert Doisneau aufgespürten Augenblicks. Er gewährt humorvoll wie tiefsinnig einen Einblick in den Schulalltag der bescheidenen Nachkriegsjahre: Harte, fest montierte Holzbänke und Pulte, kerzengerade sitzende Schüler und die Uhr im Schnittpunkt von kreuzförmigen Stuckleisten, die ein Band mit kleinformatigen, voller Träume flimmernden Schülerzeichnungen unterbricht.


Zum Schmunzeln neigender Humor, aber auch bittere Ernsthaftigkeit zeichnen über fünf Dutzend weitere Fotografien unter der Überschrift „Kindheit“ aus. Auf Schutthalden spielende und ihrer Fantasie freien Lauf lassende Kinder, in Reih und Glied auf dem Hof antretende Schüler, herumtobende Jugendliche beim Erklimmen einer Laterne oder beim Klingeln an fremden Haustüren – viele mögen sich an wilde Umtriebe der eigenen Kindheit erinnert fühlen. Auch Robert Doisneau zeigte sich zeitlebens mit Kindern und deren unbändigem Freiheitsdrang und fröhlicher Unverfrorenheit verbunden. Bei seinem Tod am 1. April 1994 in Paris hinterließ er ein Œuvre von 450.000 Fotografien. Ein Kuratorenteam aus seinen beiden Töchtern Annette Doisneau und Francine Deroudille, die seit über zwanzig Jahren das ehemalige Atelier Doisneaus leiten, sowie der Kunsthistorikern Isabelle Benoit wählte aus dem gewaltigen Fundus rund 400 Werke aus, die nun im Museum La Boverie zu sehen sind. Zusammen mit Objekten, Publikationen und Dokumenten rollen sie übersichtlich in vierzehn Abschnitte gegliedert das Werk des Fotografen chronologisch und thematisch auf. Nach der Retrospektive im Berliner Gropiusbau im Jahr 2016 präsentiert das Lütticher Haus nun unter dem Titel „Instants donnés“, „Geschenkte Augenblicke“, die bislang umfassendste Würdigung von Doisneaus Schaffen.

Der 1912 in Gentilly am südlichen Stadtrand von Paris geborene Fotograf durchlebte eine düstere Kindheit. Der Vater war im Krieg abwesend, die Mutter starb bereits 1920. Das Studium an der Pariser École Estienne schloss Robert Doisneau acht Jahre später mit dem Diplom für Lithografie und Gravur ab. Dann interessierte er sich zunehmend für die Lichtbildkunst und stieg zu einem bedeutenden Vertreter der speziell mit Frankreich verbundenen „Humanistischen Fotografie“ auf, die sich vom Fotojournalismus unterscheidet. Wie bei „Le cadran scolaire“ stehen nicht politische oder gesellschaftliche Ereignisse im Fokus, sondern alltägliche menschliche Erfahrungen, soziale Trends, Konflikte oder die wirtschaftliche Not, mitnichten begüterte Schichten. Doisneaus Aufnahmen sind warmherzig, empfänglich für Leiden und vermitteln Beistand und Mitgefühl. Er war darauf bedacht, auch in unpässlichen Situationen die Würde zu wahren. Daher prägen Respekt und eine angemessene Distanz seine leisen Momente und Szenerien.

Die Besucher*innen der Schau in Lüttich tauchen in das Alltagsleben der Menschen ein. Glanz und Glamour tangierte Robert Doisneau lediglich bei Aufträgen für Hochglanzmagazine, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Vorwiegend sind es Arbeiten eines Flaneurs, der mit der Geduld das Leben beobachtete und auf entscheidende, unverhoffte Momente wartete. Dabei halfen ihm sein Gespür für Menschen und seine Fähigkeit, eine besondere Atmosphäre einzufangen. Teils auffallende grafische Strukturen sind seiner Ausbildung zum Graveur geschuldet. Besonders in den schwarz-weiß gehaltenen, mit vorhandenem Licht gemeisterten Fotografien kommen sie zur Geltung. Benutzt hat Doisneau die seinerzeit populären kleinen Rolleiflex-Kameras, von denen einige in die Ausstellung einleiten.

Die Präsentation ist ein sensibler Gang durch eine vergangene Epoche und gewährt Blicke hinter viele Kulissen. Im Jahr 1937 zog Robert Doisneau mit seiner jungen Frau Pierrette in ein Maleratelier in Montrouge bei Paris, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Zu seinen Freunden gehörten viele bedeutende Künstlerinnen und Künstler, die er über einen langen Zeitraum hinweg öfters porträtierte, etwa der sich gern selbst inszenierende Pablo Picasso, Niki de Saint Phalle, die sich nicht von ihren „Nanas“ trennen mochte, oder der sich hinter seinen flirrenden Konstrukten halb versteckende Victor Vasarely. Hinzu kamen Kontakte zu Schriftstellern, die zu wichtigen Weggefährten wurden und die er in diskreten Momenten ablichtete. Am Ende des Tages traf er sich mit Malern, Verlegern und Druckereibesitzern in Bistros, wo zahlreiche Shootings stattfanden.

In den fünf Jahren zwischen 1934 bis 1939 arbeitete Doisneau als fest angestellter Werkfotograf bei Renault. Diese Tätigkeit leitete seine Karriere ein, schärfte sein handwerkliches Geschick schärfte, schulte seine Kreativität und lehrte ihn, was Kameradschaft unter Arbeitern bedeutet. In den stimmungsvoll eingefangenen qualmenden Werkhallen entwickelte sich sein politisches Bewusstsein für die Solidarität mit der Arbeiterklasse, deren Alltag er nicht nur hier dokumentierte. Die Ausstellung zeigt in einem ausgedehnten Kapitel Schicksale derer, die von Wohlstand und gehobenem Leben abgeschnitten waren. Die Schwerstarbeit unter Tage, etwa wie Bergleute in den 1950er Jahren mit Bergeisen Kohle aus dem Flöz schlagen und mithilfe von Pferden unter Tage abtransportieren, gehört zu den beeindruckenden Bildern dieses Segments, das sich von Prostituierten der Hauptstadt bis hin zum Gefängnishospiz von Nanterre erstreckt. Diese Motive schuf Doisneau zumeist im Auftrag linker Medien, darunter „Regards“ oder „La Vie Ouvrière“, und sind ein wesentlicher, aber wenig bekannter Teil seines fotografischen Werks.

Durch den Kontakt mit Charles Rado, der 1933 die Agentur „Rapho“ gegründet hatte, erhielt Robert Doisneau fotojournalistische Aufträge. So arbeitete er ab 1949 für die Zeitschrift „Vogue“. Dies bedeutete für ihn ein Eintauchen in eine Welt prunkvoller gesellschaftlicher Ereignisse, denen er sich nicht verbunden fühlte. Die Fotografien zeigen eine Gesellschaft von exquisiter Eleganz mit den Gebärden einer oberflächlichen Welt, die er als deplatzierter Außenseiter festhielt. Kurz reißt die Ausstellung auch Doisneaus Auslandsreisen nach Amerika, Russland oder ins benachbarte Belgien an, wo er überwiegend Auftragsarbeiten für Geschäftsberichte von Unternehmen oder für Firmenbroschüren ausführte. Weitere Segmente beschäftigen sich mit seiner Auseinandersetzung mit Kunstwerken im öffentlichen Raum, was ihm über Jahre viel Freude bereitete, mit zwischenmenschlichen Begegnungen oder auch mit den Pariser Vororten, in denen er seine Kindheit verbrachte. Erkundete Doisneau 1949 noch die Poetik zwischen einer friedlichen Bevölkerung und der unwirtlichen Umgebung in Schwarzweiß, wagte er sich 40 Jahre später noch einmal in die nunmehrige Tristesse der kargen Banlieues, die er zum Abschluss in Farbe fixierte.

Ab Ende der 1960er Jahre wurde es zunehmend schwerer, mit Fotos Geld zu verdienen. Mit dem Aufkommen der Reise- und Tourismusfotografie und damit veränderten Ausdrucksweisen verlegte sich Robert Doisneau auf fotografische Experimente, auch um sich von langweiligen Werbeaufträgen abzulenken. Am Schluss der Schau steht dann der Kuss. Das 1950 vor dem Pariser Rathaus aufgenommene Foto „Le baiser de l’Hôtel de Ville“ war kein Schnappschuss, sondern ein im Auftrag des amerikanischen Magazins „Life“ gestelltes Motiv. Lange in Vergessenheit geraten, wurde es 1985 neu aufgelegt und stieg zum Symbol für Paris als Hauptstadt der Liebe, für Freiheit und Jugend auf. Im Jahr 2005 wurde ein früher originaler Abzug für eine Rekordsumme von 155.000 Euro in Paris versteigert. Es ist der beste Beweis für den vermeintlich romantischen Fotografen, der Doisneau nie war und auch nie sein wollte.

Die Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“ läuft bis zum 19. April 2026. Das Museum La Boverie hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 16,50 Euro, ermäßigt 11 Euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der im Museum 40 Euro kostet.

Kontakt:

La Boverie - Musée des beaux-Arts de Liège

Parc de la Boverie

BE-4020 Lüttich

Telefon:+32 (04) 238 55 01



04.11.2025

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

Drucken

zurück zur Übersicht


Empfehlen Sie den Artikel weiter:
an


Weitere Inhalte:

Gesamt Treffer 22

Seiten: 1  •  2  •  3

Adressen (1)Kunstsparten (1)Stilrichtungen (3)Variabilder (16)Künstler (1)

Bei:


La Boverie - Musée des beaux-Arts de Liège

Kunstsparte:


Fotografie

Stilrichtung:


Fotokunst

Stilrichtung:


Nachkriegskunst

Stilrichtung:


Moderne Kunst

Variabilder:

Robert Doisneau, Nicolas Schöffer, Liège, 27 mars 1962
Robert Doisneau, Nicolas Schöffer, Liège, 27 mars 1962

Variabilder:

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“
in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

Variabilder:

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“
in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

Variabilder:

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“
in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“







Robert Doisneau, Nicolas Schöffer, Liège, 27 mars 1962

Robert Doisneau, Nicolas Schöffer, Liège, 27 mars 1962

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

in der Ausstellung „Robert Doisneau. Instants donnés“

Robert Doisneau, Les pains de Picasso, Vallauris, 1952

Robert Doisneau, Les pains de Picasso, Vallauris, 1952

Robert Doisneau, Le violoncelle sous la pluie, Paris, 1957

Robert Doisneau, Le violoncelle sous la pluie, Paris, 1957

Robert Doisneau, Le sourire des galibots, Lens, 1945

Robert Doisneau, Le sourire des galibots, Lens, 1945

Robert Doisneau, Le baiser de l’Hôtel de Ville, Paris, 1950

Robert Doisneau, Le baiser de l’Hôtel de Ville, Paris, 1950

Robert Doisneau, Georges Simenon au musée Grévin, Paris, 4 septembre 1962

Robert Doisneau, Georges Simenon au musée Grévin, Paris, 4 septembre 1962




Copyright © '99-'2025
Kunstmarkt Media
Alle Rechte vorbehalten


Impressum





Zum Seitenanfang Magazin

 Amazon export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce  Amazon ebay rakuten yatego meinpaket export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce