Alison Knowles gestorben  |  | Alison Knowles bei ihrer Performance „Music by Alison“ während der „Fully Guaranteed 12 Fluxus Concerts“, New York, Mai 1964 | |
Alison Knowles ist tot. Die US-amerikanische Künstlerin der Fluxus-Bewegung ist am Mittwoch friedlich in ihrer New Yorker Wohnung aus dem Leben geschieden. Das teilte ihr Galerist James Fuentes mit. Sie wurde 92 Jahre alt. Fuentes bezeichnete Knowles als prägende Kraft der experimentellen Kunst in der Nachkriegszeit. In ihrer sechs Jahrzehnte währenden Karriere habe Knowles die Grenzen zwischen Kunst und Leben nachhaltig verändert. Sie habe zu den Gründungsmitgliedern und wichtigsten Vertreterinnen der Fluxus-Bewegung gehört, die darauf abzielte, traditionelle Barrieren zwischen den Kunstformen abzubauen und die Exklusivität der Kunstwelt zugunsten einer offenen und partizipativen Erfahrung für alle zu überwinden. Mit Stücken wie „Make a Salad“, „Nivea Cream Piece“ oder „Newspaper Music“ überschritt Knowles ab den 1960er Jahren die Grenzen von Kunst, Musik, Theater und Poesie.
Alison Knowles, geboren 1933 in Scarsdale, einer Kleinstadt nördlich von New York City, schloss 1956 ihr Kunststudium am Pratt Institute ab, wo sie von Richard Lindner und Adolph Gottlieb unterrichtet wurde. Zudem besuchte sie einen Sommerkurs bei Josef Albers an der Syracuse University. Während dieser Zeit trat sie der New York Mycological Society des Komponisten John Cage bei. Cage wurde ein enger Freund und Impulsgeber von Knowles. Diese frühen Begegnungen mit Gleichgesinnten wie Cage und George Maciunas führten zur Gründung der Fluxus-Bewegung. Die erste Fluxus-Performance fand 1962 in Düsseldorf mit einer Gruppe von Künstlern statt, die später eine zentrale Rolle in der Bewegung spielen sollten, darunter Knowles und Maciunas sowie Nam June Paik, Dieter Roth, Emmett Williams, Ben Patterson, Wolf Vostell und Dick Higgins, den sie später heiratete. Damit begann ihre grundlegende Integration von Zufall und kollektivem Experimentieren in Live-Performances.
Während dieser Zeit schuf Knowles „Event Scores“, eine von George Brecht entwickelte Form, die sie adaptierte und erweiterte. Dabei beteiligte sie das Publikum und rückte alltägliche Gesten und das performative Potenzial nicht lebender Materialien in den Mittelpunkt ihrer Kunst. Ihr erstes Event Score „Make a Salad“ von 1962 war eine Art Konzert zwischen dem rhythmischen Schneiden von Gemüse, musikalischer Begleitung und einer kollektiven Geschmackserfahrung, bei der die Teilnehmer die Performance durch den Verzehr der Speisen vollendeten. Insgesamt schuf Knowles weit über hundert Event Scores. Pionierarbeit leistete Knowles auch mit ihren Experimenten, bei denen sie einen kooperativen Ansatz mit neuen Technologien verfolgte. So entstand 1967 „The House of Dust“, das als eines der ersten computergenerierten Gedichte gilt. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten James Tenney nutzte sie dafür einen frühen IBM-Computer, um ihre Gedichtzeilen in kontinuierliche Zufallsvariationen zu programmieren.
Knowles experimentierte zudem häufig mit dem skulpturalen Potenzial des Buches. Zu den bekannteren Projekten gehört das „Big Book“ von 1967, ein großformatiges begehbares Buch, in dem Knowles ihr eigenes Lebensumfeld in New York abbildete. Dabei lud sie die Betrachter ein, sich physisch durch die skulpturalen „Seiten“ zu bewegen, die um einen zentralen „Buchrücken“ herum verankert waren. Später verwendete sie zudem eine lichtempfindliche Emulsion auf Stoff oder Papier, um die Silhouetten alltäglicher Gegenstände festzuhalten, die direkt auf die Oberfläche gelegt wurden. Damit nahm Knowles viele Themen vorweg, die heute grundlegend für die zeitgenössische Kunst sind: von prozess- und materialbasierten intermedialen Praktiken, relationaler Ästhetik und Zufallsoperationen, Performances, die durch die Beteiligung des Publikums geprägt sind, bis zur Klangkunst und einer Neudefinition alltäglicher Gegenstände des häuslichen Lebens als Orte kultureller und politischer Bedeutung.
Mit ihrer Kunst war Alison Knowles in zahlreichen Ausstellungen weltweit vertreten, unter anderem im Carnegie Museum of Art in New York, im Museum Wiesbaden, in der Nikolaj Kunsthal in Kopenhagen oder in der Staatsgalerie Stuttgart. 1983 wurde sie zur Biennale nach Venedig eingeladen. Zudem erhielt Alison Knowles zahlreiche Ehrungen, unter anderem das Guggenheim Fellowship, den „Anonymous was a Woman Grant“, eine Documenta-Professur an der Kunstakademie Kassel, den Karl-Sczuka-Preis für ihre vom WDR produzierte Klangarbeit „Bohnen Sequenzen“ oder Ehrendoktorwürden vom Pratt Institute und dem Columbia College Chicago. |