Warum fürchtet(e) man sich vor schönen Frauen?  |  | Lucas Cranach d.Ä., Herkules bei Omphale, 1537 | |
Das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig thematisiert in der Schau „Weibermacht. Die schöne Böse“ die Angst vor weiblicher Macht in den vergangenen fünf Jahrhunderten und will mit junger Kunst eine andere Perspektive auf den seit der Renaissance vorherrschenden Topos werfen. Dafür hat Kuratorin Anna Eunike Kobsdaj 99 Exponate ausgewählt und untersucht die Darstellungen weiblicher Vorherrschaft vom Mittelalter bis in die Gegenwart. 72 Grafiken, darunter Blätter von Albrecht Dürer, Hendrick Goltzius oder Lucas Cranach d.Ä., die von Skulpturen, Gemälden, Fotografien und einer Majolika ergänzt werden, verdeutlichen wie schöne Frauen seit dem Mittelalter als Bedrohung patriarchaler Ordnungen inszeniert wurden. Dem setzt die Kuratorin zeitgenössische Werke, etwa von Cindy Sherman, Ute Behrend oder Nobuyoshi Araki, für einen Dialog gegenüber, da sie die tradierten Geschlechterrollen und Machtverhältnisse hinterfragen und alternative Sichtweisen eröffnen. Die Ausstellung ist in drei Kapitel unterteilt: „Auflösung von Konventionen“, „Die schöne Böse – eine Antiheldin“ und „Starke Frauen und Heldinnen“.
Die sogenannten Weibermacht-Motive zeigen Szenen, in denen Frauen als listige Gespielinnen die Männer verführen, verraten und zum Narren halten und damit die herrschenden Verhältnisse untergraben. Den Anfang bilden Drucke von Albrecht Dürer und Lucas van Leyden, die den Sündenfall thematisieren. Mit der Erzählung der Verführung Adams durch Eva entsteht die Urfigur der Weibermacht: Eva wird zur ersten großen Projektionsfläche, auf der sich Misstrauen, Angst und Abwertung gegenüber Frauen bündeln. Es geht um die Angst von Männern, Macht zu verlieren, die vermeintliche Bedrohung durch selbstbewusst handelnde Frauen und misogyne Strukturen. All dies verdeutlicht etwa auch Georg Pencz’ Darstellung von Aristoteles, den Phyllis reitet: Einer der größten Philosophen der Antike in der Rolle des verspotteten Liebhabers, der durch weibliche Sinnenreize die Kontrolle über sich verliert.
In Cranachs Gemälde „Herkules bei Omphale“ wird der stärkste aller Helden seiner heroischen Attribute, also Keule und Löwenfell, beraubt und erhält statt dessen Frauengewänder und eine Spindel zum Spinnen. Dies ist eine radikale Umkehr der Geschlechterrollen. Was jahrhundertelang als Bedrohung inszeniert wurde, verweist auf eine tief verwurzelte Furcht vor weiblicher Selbstermächtigung, wie sie etwa auch im Sujet von Judith mit dem Haupt des Holofernes auf einem Kupferstich von Hendrick Goltzius zum Tragen kommt. Die Ausstellung verknüpft diese historischen Darstellungen mit zeitgenössischen Positionen, die gängige Rollenbilder hinterfragen und neue Narrative eröffnen. Cindy Sherman zeigt in ihrem „Untitled Film Still #2“, wie weibliche Identitäten durch mediale Bilder konstruiert und inszeniert werden. Tejal Shahs Arbeit „Women Like Us“ geht auf queere und feministische Körperbilder ein, die klassische Zuschreibungen aufbrechen und neue Formen weiblicher Selbstrepräsentation erproben.
Die Ausstellung „Weibermacht. Die schöne Böse“ läuft bis zum 22. Februar 2026. Das Herzog Anton Ulrich-Museum hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Das Haus bleibt an Heiligabend, 1. Weihnachtsfeiertag, Silvester und Neujahr geschlossen. Der Eintritt beträgt regulär 9 Euro, ermäßigt 7 Euro und 2 Euro für Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 17 Jahren.
Herzog Anton Ulrich-Museum – Kunstmuseum des Landes Niedersachsen
Museumstraße 1
D-38100 Braunschweig
Telefon: +49 (0)531 – 12 25 0 |