Wiederentdeckte Gaertner-Vedute bei Grisebach  |  | Eduard Gaertner, Die Lange-Brücke von den Mühlen aus gesehen, um 1856 | |
Fast 170 Jahre war es verschollen. Nun ist Eduard Gaertners Gemälde „Die Lange-Brücke von den Mühlen aus gesehen“ in einer slowakischen Privatsammlung wieder aufgetaucht und wird bei Grisebach in Berlin versteigert. Die Berliner Vedute sei nicht nur ein herausragendes Kunstwerk, sondern auch ein kulturhistorischer Schatz, urteilt Andreas Teltow vom Stadtmuseum Berlin. Demnach ermögliche das um 1856 entstandene Gemälde einen präzisen Blick in die heute vollständig verschwundene Berliner Stadtmitte. Laut Teltow war die Stadtansicht nur einmal in der Akademie-Ausstellung des Jahres 1856 nachweislich zu sehen und verschwand anschließend aus dem öffentlichen Bewusstsein und dem Blick der Forschung. „Alle im Bild sichtbaren Gebäude existieren heute nicht mehr“, so Teltow. Das Gemälde sei damit ein einzigartiges visuelles Dokument Berlins vor den Umgestaltungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Es markiere einen Höhepunkt des Schaffens von Eduard Gaertner und zeige ein Berlin, das es heute nicht mehr gibt.
Durch akribische Recherchen konnten Teltow und sein Kollege Michael Bischoff zahlreiche architektonische Details identifizieren und damit die Authentizität des Gemäldes bestätigen. Zu sehen sind die Lange-Brücke, die heutige Rathausbrücke, der Mühlendamm, das Spreeufer, Wohn- und Geschäftshäuser, die monumentale Damm-Mühlenanlage, das später abgerissene Wartenberg Palais sowie die Rückseite des alten Berliner Stadtschlosses. Auch Zeugnisse gescheiterter Baupläne und eine frühe städtische Flussbadeanstalt sind auf dem Bild versammelt. Bemerkenswert sei Gaertners Perspektive, so Teltow. Denn im Gegensatz zu früheren Werken rückt er nicht die königliche Repräsentation ins Zentrum, sondern das bürgerliche Leben, die architektonische Vielfalt und alltägliche Arbeitsszenen. Mit subtiler Lichtführung und fein abgestufter Farbpalette hat Gaertner ein ansprechendes Zeugnis von der Architektur und dem Leben Berlins zur Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffen. Dafür wollen Grisebach und der Einlieferer am 27. November nun 200.000 bis 300.000 Euro sehen. |