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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Auktions-Nachbericht

Kündet sich eine Trendwende auf dem Kunstmarkt an? Die Londoner Auktionen in der Frieze-Woche zeichnen jedenfalls ein positives Bild

Ein Winter voller Geheimnisse



Für Sotheby’s waren die Auktionen zur Frieze Week von Erfolg gekrönt

Für Sotheby’s waren die Auktionen zur Frieze Week von Erfolg gekrönt

Die Sommerpause war zu Ende, und schon die ersten großen Septemberauktionen von Koller in Zürich und Kornfeld in Bern erzielten hohe Ergebnisse. Von einer Flaute auf dem Kunstmarkt war da nichts zu spüren. Dann berichteten Mitte Oktober die Galeristen bei der Kunstmesse „Frieze“ in London von einem signifikant gestiegenen Kaufinteresse gegenüber den Vorjahren. Und schließlich zeigten sich noch die Londoner Auktionshäuser mit ihren Versteigerungen, die zur Frieze Week stattfanden, äußerst zufrieden: Sotheby’s sprach von einer starken Frieze-Brise, die für anhaltende Dynamik sorge, Christie’s von dem höchsten Umsatz zur Frieze-Woche seit sieben Jahren und einem Wachstum von 30 Prozent gegenüber der Vorjahresauktion. Der Abwärtstrend auf dem Kunstmarkt, der mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 auf ihn hereinbrach und sich mit weiteren Krisenherden und weltweiten Unsicherheiten in den vergangenen Jahren verstärkte, scheint vorüber. Die Stimmungslage der Marktteilnehmer hat sich bereits deutlich aufgehellt, zumal Christie’s und Sotheby’s, aber auch einige deutsche Auktionshäuser wichtige Privatsammlungen für die anstehenden Herbstauktionen angekündigt haben, was für ein wiedererstarktes Vertrauen in den Kunstmarkt spricht und weitere hohe Resultate erwarten lässt.


Die Ergebnisse der einzelnen Versteigerungen passen in dieses Bild. Christie’s schlug bei seinem „20th/21st Century: London Evening Sale“ am 15. Oktober 55 der insgesamt 60 Positionen los, was einer hohen Verkaufsrate von 91,6 Prozent entspricht, und setzte damit knapp 107 Millionen Pfund um. Die Bruttoeinahmen für die komplette Marquee Week in London summierten sich auf 141,8 Millionen Pfund. Auf den ersten Platz katapultierte sich Peter Doigs abstrakt-figurative Winterlandschaft „Ski Jacket“ von 1994. Das imaginäre Gemälde, das wie so häufig bei Doig voller Geheimnisse zu stecken scheint, verdoppelte in einem dreizehnminütigen Bietgefecht zwischen sechs Interessenten seinen Wert auf 12 Millionen Pfund. Es gehörte zur Sammlung von Ole Faarup. Der im Februar mit 90 Jahren verstorbene Däne, der seine berufliche Laufbahn für die Silberfirma Georg Jensen im New York der 1960er Jahre begann, hier in der Mittagspause oft das MoMA besuchte und sich von zeitgenössische Kunst begeistern ließ, baute eine der wichtigsten Kollektionen in seiner Heimat auf. Als Chef des dänischen Möbelhändlers „3 Falke Møbler“, der Hotels, Büros und Kreuzfahrtschiffe ausstatte, konnte sich Faarup dann die Kunstwerke leisten und lebte mit ihnen wie in einer vollgestopften modernen Kunstkammer.

Ein enthusiastischer Sammler

Als enthusiastischer Anhänger von Peter Doig legte sich Faarup zudem noch dessen großformatigere Leinwand „Country Rock“ kurz nach ihrer Entstehung im Jahr 1999 zu. Der ebenso rätselhafte Straßenabschnitt mit einer Leitplanke und einem Regenbogentunnel dahinter war mit 7 bis 10 Millionen Pfund höher taxiert; bei einem Zuschlag von 7,6 Millionen Pfund kam es jedoch zu keiner so nennenswerten Steigerung. Auch Doigs kleinere Bilder fanden ihre Abnehmer: die schemenhafte karibische Küste „Yara“ von 2001 bei 220.000 Pfund (Taxe 120.000 bis 180.000 GBP) und die „Concrete Cabin“ von 1993 bei anvisierten 500.000 Pfund. Mit Chris Ofilis schwarzer Schönheit „Blossom“, begleitet von sieben Elefantendungbällen, nahm die neu gegründete Ole Faarup Art Foundation, die junge dänische Künstler und Museen unterstützt, nun 1,7 Millionen Pfund ein (Taxe 1 bis 1,5 Millionen GBP), mit Mamma Anderssons schwarz gefasster, aber europäischer Frauenfigur „Hon“ 150.000 Pfund (Taxe 150.000 bis 200.000 GBP), mit Jean-Michel Basquiats 1982 gezeichnetem Menschpaar 400.000 Pfund (Taxe 300.000 bis 500.000 GBP) und mit Esben Weile Kjærs poppigem Glasbild „Aske and Johan upside down kissing in Power Play at Kunstforeningen Gl Strand“ 20.000 Pfund (Taxe 15.000 bis 20.000 GBP). Insgesamt setzten die Werke der Faarup Collection zusammen mit der Online-Auktion gut 28 Millionen Pfund um.

Highlight der Abendauktion bei Christie’s hätte eigentlich Lucian Freuds „Self-portrait Fragment“ bei 8 bis 12 Millionen Pfund werden sollen. Doch die Gebote für das unvollendete, dennoch ausdrucksstarke Konterfei des Londoner Starmalers aus den späten 1950er Jahren stoppten schon bei 6,2 Millionen Pfund. Auch seine etwa naive „Woman with a Tulip“ von 1944 brachte es nur auf 2,6 Millionen Pfund (Taxe 3 bis 5 Millionen GBP). Frank Auerbachs grau-schwarz-weiße „Reclining Figure“ von 1971/72 konnte mit 375.000 Pfund ebenfalls nicht so viel ausrichten (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP). Dafür reüssierte bei der britischen Kunst eher die jüngere Generation: Hurvin Anderson mit seinem wie immer koloristisch ungewöhnlichen „Lower Lake“ von 2005 bei 2,6 Millionen Pfund (Taxe 1,5 bis 2 Millionen GBP), Antony Gormley mit seiner 1999 aus kleinen Stahlstäben konstruierten Gestalt „Domain I“ bei 370.000 Pfund (Taxe 300.000 bis 500.000 GBP) und Annie Morris mit ihrer bunten Kugelstele „Bronze Stack 9, Copper Blue“ von 2015 bei 380.000 Pfund (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP). Einen Rekordpreis gab es für Paula Regos weibliches Selbstermächtigungsbild „Dancing Ostriches from Walt Disney’s ‚Fantasia‘“, auch wenn das Triptychon von 1995 mit einem Zuschlag bei 2,8 Millionen Pfund die Schätzung um mindestens 200.000 Pfund verfehlte.

Deutsche Unsicherheiten

Dem Italiener Domenico Gnoli war der Auktionsauftakt mit dem überdimensionierten Ausschnitt einer Strickware samt Knopf unter dem Titel „Bouton n. 2“ von 1967 bei 770.000 Pfund erfolgreich geglückt (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP). Die deutsche Kunst der Gegenwart hatte mit Gerhard Richter einen ihrer bedeutendsten Vertreter nach London entsandt, der mit dem fotorealistisch verschwommenen Stillleben gelber „Tulpen“ von 1995 zur oberen Schätzung von 5 Millionen Pfund gut abschnitt, mit der körnigen Leinwand „Grau“ von 1974 bei 600.000 bis 800.000 Pfund aber passen musste. Ebenso erging es Blinky Palermos zweigeteiltem, monochrom schwarzem Stoffbild von 1971 (Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen GBP). Bei der Moderne sah das nicht anders aus: Franz Marcs farbintensive Papierarbeit „Fabeltiere I“ von 1913 ging bei 2,1 Millionen Pfund weg (Taxe 2,2 bis 3,2 Millionen GBP), Alexej von Jawlenskys nicht minder farbenfrohes, rund ein Jahr älteres „Jünglingsportrait“ blieb hingegen liegen (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen GBP).

Teuerstes Werk der Moderne- und Impressionistenabteilung war wie erwartet Paul Cézannes tektonisch aufgebaute, südliche Sommerlandschaft mit dem „Maison de Bellevue et pigeonnier“ um 1890 bei 4,5 Millionen Pfund (Taxe 4 bis 6 Millionen GBP). Bei gleicher Erwartung spielte Paul Signacs pointillistische Venedig-Vedute „L’Arc-en-ciel“ mit einem Panorama über das Markusbecken auf San Giorgio Maggiore 4 Millionen Pfund ein, gefolgt von Pablo Picassos Blick von seiner Villa in Cannes auf „La colline de la Californie“ von 1959 ebenfalls zur unteren Schätzung von 3 Millionen Pfund. Claude Monet freute sich dann über 1,9 Millionen Pfund für seinen Landschaftsausschnitt „Printemps, saules“ mit zwei Kopfweiden an der Epte in Giverny (Taxe 1,8 bis 2,5 Millionen GBP), Alfred Sisley über 1,55 Millionen Pfund für seine ruhige Sommerstimmung „Le pont de Moret-sur-Loing en été“ von 1888 (Taxe 1,5 bis 2,5 Millionen GBP), Maurice Denis über 1,35 Millionen Pfund für sein symbolistisches Waldinneres „Avril ou Les anémones“ von 1891 (Taxe 600.000 bis 900.000 GBP) und Marc Chagall über 1,8 Millionen Pfund an der oberen Schätzgrenze für seine nächtliche Traumszene „Les fleurs de Saint-Jean-Cap-Ferrat“ mit Liebespaar und Tieren von 1957. Auch eine Malerin der Moderne heimste einen neuen Spitzenpreis ein: noch nie wurde für Suzanne Valadon so viel bewilligt, wie die 800.000 Pfund für ihr Aktbild mit den beiden statuarischen „Deux nus“ von 1923 beim Abtrocknen nach dem Bade (Taxe 600.000 bis 900.000 GBP).

Die steife Brise bei Sotheby’s

Da Sotheby’s die Moderne in seiner Offerte weitgehend ausgespart hatte, trat es bei seiner „Contemporary Evening Auction“ am 16. Oktober mit nur 27 Positionen an, von denen 24 in neue Hände übergingen, was ebenfalls einer hervorragenden Zuschlagsquote von 88,9 Prozent entspricht. Mit 47,5 Millionen Pfund erwirtschaftete Sotheby’s zwar weniger als die Hälfte seines Dauerkonkurrenten, der Durchschnittspreis pro verkauftem Los lag aber in etwa gleichauf. Zudem meldete der Auktionsriese gleichfalls eine Umsatzverbesserung gegenüber dem Vorjahr von 25 Prozent. Auch hier wurde das Highlight der Versteigerung von fünf Interessenten hartnäckig umkämpft: Es dauerte zwanzig Minuten, bis Francis Bacons ikonisches Gemälde „Portrait of a Dwarf“ den Besitzer wechselte. Vier Jahre nach dem tragischen Tod seines Lebenspartners George Dyer nahm sich Bacon 1975 in Paris dieses Menschenbild vor und ließ sich dabei abermals von seinem großen Vorbild Diego Velázquez und dessen Portrait des spanischen Hofzwergs Sebastián de Morra inspirieren: Als Verschmelzung von Dyers Haaransatz, Peter Beards Gesicht, Lucian Freuds Torso und seinen eigenen kurzen Beinen vereinte Bacon in dieser Figur, die er auf einem Barhocker erhöht präsentiert, um den Betrachter direkt zu konfrontieren, einige seiner engsten Freunde und seine größten Lieben, was sich nun in 11 Millionen Pfund niederschlug (Taxe 6 bis 9 Millionen GBP).

Ein zweites Mal konnte Bacon die Kundschaft bei Sotheby’s für sich einnehmen und stellte sich dabei in der nebelig verschleierten, kleinen „Study for Self-Portrait“ von 1980 selbst zur Verfügung. Hier kamen 4,9 Millionen Pfund zusammen (Taxe 5 bis 7 Millionen GBP). Dahinter folgten einige Stars der 1950er bis 1980er Jahre: Jean-Michel Basquiat mit der auf einer monochromen Steppdecke gemalten Menschenfratze samt langem schwarzem Arm von 1982 an der unteren Schätzgrenze von 4,5 Millionen Pfund, Andy Warhol mit dem Negativbild „Four Pink Marilyns“ aus den späten „Reversal Series“ von 1986 bei 3,8 Millionen Pfund (Taxe 3 bis 5 Millionen GBP) und ein typisches „Concetto spaziale, Attese“ von Lucio Fontana in tiefem Blau mit vierzehn in zwei Reihen übereinander angeordneten Einschnitten bei 2,25 Millionen Pfund (Taxe 2 bis 3 Millionen GBP). Bei gleicher Schätzung kam als bester deutscher Thomas Schütte mit seiner korrodierten Stahlplastik eines ungelenken „Großen Geists Nr. 6“ von 1998 für 2,2 Millionen Pfund ans Ziel.

Dazu gesellten sich noch Georg Baselitz mit der dreigeteilten Gestalt „Kullervos Füße“ aus den frühen „Frakturbildern“ von 1967 bei guten 1,3 Millionen Pfund (Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen GBP), Anselm Kiefer mit seinem materialreichen, fast acht Meter breiten Interieur einer Halle des Berliner Flughafens „Tempelhof“ von 2011 bei 600.000 Pfund (Taxe 600.000 bis 800.000 GBP) und Neo Rauch mit seinen drei wie Metzger gekleideten Männer bei geheimnisvollen Tätigkeiten im „Gegenlicht“ für schwache 300.000 Pfund (Taxe 400.000 bis 600.000 GBP), wohingegen Daniel Richter mit dem modernen Historienbild „Die Idealisten“ beim Straßenkampf von 2007/08 nichts ausrichten konnte (Taxe 350.000 bis 450.000 GBP). Da war der jungen Amerikanerin Lucy Bull mit ihrer sinnlichen und fiedrigen Farbabstraktion „9:59“ mehr Erfolg beschieden. Die rot grundierte Leinwand von 2021 kletterte von 300.000 Pfund auf 1 Million Pfund.

Hockneys Frühlingsvisionen

„Es war ein wunderbarer Frühling“, erinnerte sich David Hockney im Sommer 2011, „und wir hatten schon immer vor, ihn festzuhalten; ich wusste nur damals noch nicht, dass das iPad dabei eine Rolle spielen würde.“ Aus dieser Faszination entstand eine umfangreiche Hommage an die Jahreszeit, die Hockney erstmals 2012 in einer Ausstellung der Royal Academy in London zeigte. Der Brite hielt hier ab dem 2. Januar 2011 Tag für Tag den Frühling und das Wachstum der Natur auf einer Landstraße in den Woldgate Woods außerhalb von Bridlington in Yorkshire fest, nutzte zum Zeichnen recht fortschrittlich ein iPad, wählte aus den 94 digitalen Zeichnungen 51 für eine Edition aus und ließ seine poppig bunten chronologischen Beobachtungen auf größeren Papierbögen in einer Auflage von je 25 Stück drucken.

Der Folge „The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in 2011 (twenty eleven)“ hatte Sotheby’s nun eine eigene Auktion gewidmet und konnte siebzehn Blätter aus einer Sammlung anbieten, die auf reges Interesse stießen, alle einen Käufer fanden und oft das Vielfache ihrer Erwartungen einspielten, so dass die obere Schätzpreissumme mit einem Ergebnis von 6,2 Millionen Pfund mehr als verdoppelt wurde. Zudem konnte Sotheby’s den neuen Rekordwert für eine grafische Arbeit Hockneys aufstellen: er liegt nun bei 600.000 Pfund netto für die noch unbelaubte Landstraße „The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in 2011 (twenty eleven) – 19 February“ mit einem ruinösen Torbogen. Knapp darunter platzierte sich dann mit 550.000 Pfund die schon weitaus frühlingshaftere Stimmung vom 28. April in dichtem hellem Grün, während sie auf Hockneys Betrachtung vom 2. Juni für 500.000 Pfund schon einen satten dunkleren Farbton angenommen hat (Taxe je 120.000 bis 180.000 GBP).

Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld.

Kontakt:

Christie’s

8 King Street, St. James’s

GB-SW1Y 6QT London

Telefon:+44 (020) 78 39 90 60

Telefax:+44 (020) 78 39 83 26

E-Mail: info@christies.com



24.10.2025

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching

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