 |  | Giovanni Paolo Panini, Darbringung eines Opfers an Äskulap auf der Tiberinsel in Rom, 1734 | |
Der 1673 geborene Engländer Richard Mead war einer der führenden Ärzte seiner Zeit. Zu seinen Patienten zählten Königin Anne, ihr späterer Nachfolger Georg II., Sir Isaac Newton oder der französische Maler Jean-Antoine Watteau. Mead war berühmt dafür, dass er während seiner Experimente zur Wirkung verschiedener Gifte selbst Schlangengift trank und ein Duell austrug, um seine Theorie zur Behandlung von Pocken zu verteidigen. Wie viele Gelehrte seiner Zeit hielt er sich zu Studienzwecken länger in Italien auf, wurde 1695 in Padua promoviert und reiste dann noch nach Neapel und Rom. 1734 beauftragte Mead den damals schon berühmten Giovanni Paolo Panini mit einem Gemälde, das er seiner gut sortierten Sammlung mit Werken von Poussin, Canaletto oder Watteau zuführte. Panini ersann sich wie häufig ein Capriccio mit antiken römischen Versatzstücken, die er diesmal aber zu einer Hommage an die Heilkunst zusammenfügte. Dabei ließ er sich von Ovids „Metamorphosen“ inspirieren und griff auf eine Episode zurück, wonach die Römer, um der verheerenden Seuche im Jahr 293 vor Christus ein Ende zu setzen, Boten nach Epidauros entsandten. Dort stand ein berühmter Tempel, der dem Gott der Medizin Äskulap geweiht war. Als sie mit einer Statue des Äskulap nach Rom zurückkehrten, soll eine Schlange als Symbol des Gottes von ihrem Schiff heruntergeglitten sein und so den Standort des zukünftigen Tempels auf der Isola Tiberina angezeigt haben. Nach dem sofort eingeleiteten Tempelbau wurde Rom von der Krankheit befreit und die Tiberinsel daher zum Heiligtum des Äskulap.
Giovanni Paolo Panini machte daraus eine belebte Komposition mit zahlreichen Leuten auf der Tiber-Brücke und anbetenden Gläubigen vor dem Rundtempel mit dem Standbild des Gottes, der an den Tempel der Vesta auf dem Forum Romanum erinnert, und einem weiteren großen Tempel im korinthischen Stil, während im linken Hintergrund die Hänge des Palatin mit den kaiserlichen Palästen angedeutet sind, flankiert von einer imposanten Ehrensäule in Gestalt der Colonna Traiana. Nach vierzig Jahren in einer Schweizer Privatsammlung kommt Paninis dekoratives Capriccio wieder auf den Kunstmarkt und verlangt im Dorotheum 300.000 bis 400.000 Euro. Die Auktion „Alte Meister“ ist mit weiterer, teils hochpreisiger Vedutenkunst aus Italien gut bestückt. Mit Hendrik Frans van Lint bleibt es zunächst in Rom. Der 1684 in Antwerpen geborene und in die Ewige Stadt ausgewanderte Maler zeigt uns 1732 topografisch recht getreu in Aufsicht die Piazza del Popolo mit den Zwillingskirchen Santa Maria in Montesanto und Santa Maria dei Miracoli und dem Flaminischen Obelisken in der Mitte, der von zahlreichen kleinen Leuten umlagert wird (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Mit Gaspar van Wittel geht es dann nach Verona, der einige Sehenswürdigkeiten der Stadt entlang der Etsch aufreiht: links die Renaissancekirche San Giorgio in Braida, oben rechts das auf einem Hügel thronende Castel San Pietro und die nur teilweise sichtbare Kathedrale darunter. Ein besonders pittoreskes Detail hat Wittel mit einer schwimmenden Mühle im Vordergrund eingebaut (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR).
Ein Außenseiter
Selbstredend ist Venedig bei den Stadtansichten vorne mit dabei. Von Francesco Tironi gibt es ein eher ruhiges, fast schwermütiges Gemäldepaar, das den Canal Grande von der Fassade der ehemaligen Bruderschaftskirche Santa Maria della Carità mit Blick nach Osten zum Markusbecken und die Rialtobrücke zusammenführt (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), während Gabriele Bella festlich gestimmt auf seinen Pendants die Ausfahrt und die Rückkehr des Bucintoro an Christi Himmelfahrt und damit die symbolische „Vermählung“ der Serenissima mit dem Meer thematisiert (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Michele Marieschi lässt dann vom Torre dell’Orologio aus seinen Blick in „Weitwinkelansicht“ über den Markusplatz schweifen, was zu perspektivischen Verzerrungen, aber auch zu einer höheren Dynamik der Szenerie mit den vielen Leuten führt (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Den 1824 geborenen Luigi Querena, den das Dorotheum mit den günstigeren Arbeiten zurecht in die Auktion mit Gemälden des 19. Jahrhunderts gesteckt hat, trumpft bei den Alten Meistern dann noch einmal mit seinem lebendigen Treiben einer „Regatta auf dem Canal Grande“ auf und meint damit die Regata Storica, die vor der monumentalen Kulisse der Paläste an die Ankunft von Caterina Cornaro, der Königin von Zypern, im Jahr 1489 erinnert (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR).
Auch mit spätmittelalterlicher religiöser Kunst ist Venedig in der Versteigerung vertreten, etwa mit dem auf Goldgrund gemalten ausdrucksstarken Papst Sylvester I. von Vittore Crivelli oder mit einer anmutigen Maria samt Kind und einem Distelfink aus der Werkstatt Bartolomeo Vivarinis (Taxe je 40.000 bis 60.000 EUR). Zu den ältesten Werken gehören der bärtige Evangelist Johannes, den der Bologneser Simone di Filippo, genannt Simone dei Crocifissi, im 14. Jahrhundert noch ikonengleich ausführte (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), oder eine Krönung Mariens, begleitet von Heiligen und Engeln, die im Kölner Auktionshaus Van Ham 2017 noch als Tafel des 19. Jahrhunderts galt, damals aber schon von 3.000 Euro auf 70.000 Euro sprang und nun, dem Florentiner Giovanni del Biondo zugewiesen, erneut für 40.000 bis 60.000 Euro antritt.
Im November 2022 trat der prächtige „Triumphzug des Lucius Aemilius Paullus Macedonicus“, den der Apollonio di Giovanni für die Schauseite einer Hochzeitstruhe malte, schon einmal im Dorotheum für 400.000 bis 600.000 Euro an; jetzt hat sich der Preis für das extreme Querformat auf die Hälfte reduziert. Deutliche Anklänge an Leonardo da Vinci weist eine thronende Madonna in einer weiten Landschaft von Hernando de los Llanos auf, weswegen die Experten das Gemälde in den Aufenthalts des Spaniers in Florenz um 1506 datieren und sogar eine direkte Aufsicht Leonardos für wahrscheinlich halten (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR). Diesen Wert soll auch der in Norditalien um 1520/50 tätige Maestro del Monte di Pietà mit seiner Madonna samt den nackten Jesus- und Johannesknaben erzielen, dessen Stil sich durch kompakte monumentale Figuren, kantige Faltenwürfe, eine kräftige Modellierung und prägnante Konturen auszeichnet. Vergleichbar geht Marco Palmezzano bei seiner durchdringenden „Beweinung Christi“ vor und verstärkt durch den Kontrast der hell modellierten Figuren mit dem dunklen Hintergrund die meditative Dimension der Darstellung (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR).
Ein wiederentdeckter leidender Christus
Erst vor kurzem ist eine „Ecce Homo“-Darstellung wieder aufgetaucht, die Sebastiano del Piombo unkonventionell als nahansichtige Halbfigur, bekleidet mit einer graublauen Tunika, die Schultern unter der Last seines Leids gebeugt und an den Handgelenken gefesselt, in den 1520er Jahren ausführte. Die geröteten Augen Jesu verraten Tränen, seine tief gefurchten Brauen zeugen von inneren Emotionen, und die Tiefe seiner Trauer scheint eher nach innen gerichtet zu sein. So will Sebastiano del Piombo, der die Tafel 1525 womöglich Papst Clemens VII. persönlich schenkte, mit den Schmerzen des leidenden Christi die Betrachter direkt treffen (Taxe 300.000 bis 500.000 EUR). Schon deutliche Anklänge an den Manierismus weist „Der thronende heilige Zenobius mit zwei Cherubim“ auf, den Carlo Portelli in seiner frühen Schaffensphase um 1540 in skulpturaler Pose und farblicher Brillanz als Stadtpatron von Florenz entwickelte (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR).
Die religiöse Kunst der italienischen Schule setzt sich auch im Barock fort, etwa mit Lorenzo Lippis heiligem Philippus, der eben den Kämmerer von Äthiopien tauft, einer caravaggesk hell-dunkel ausgeleuchteten „Madonna mit Kind“ von Antiveduto Grammatica (Taxe je 40.000 bis 60.000 EUR) oder den beiden alttestamentlichen Erzählungen „Tobias heilt seinen blinden Vater“ und „Lot und seine Töchter“, die der Neapolitaner Bernardo Cavallino um 1640 auffallend theatralisch in Szene setzte (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). Doch der Katalog hält auch andere Sujets bereit. In die römische Historie geht es mit Giovanni Battista Langetti, der den „Tod des Cato“ dramatisch verbildlichte und damit einer Figur ein Denkmal aufstellte, die die altrepublikanischen Tugenden gegen den autokratischen Machtanspruch Gaius Iulius Caesars verteidigte (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Das Thema der von Nymphen und Amoretten bevölkerten pastoralen Landschaften ist in der emilianischen Maltradition verwurzelt; auch Giuseppe Maria Crespi bildete da keine Ausnahme, malte mehrere Nymphen, die eine Gruppe schlafender Putten entwaffnen, und wollte damit auf den steten Konflikt zwischen Liebe und Keuschheit anspielen (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR).
Stillleben aus dem Kloster
Auch die Stilllebenkunst kommt in Wien zu ihrem Recht. So präsentiert Bartolomeo Passarotti zusammen mit einem Werkstattmitarbeiter dem Betrachter groß zwei Marktfrauen und einen Knaben und hat sie mit Geflügel und Gemüse um Stilllebenelemente erweitert (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR). Für eine eigenständige Natura morta ist dann Orsola Maddalena Caccia zuständig. Der Ordensfrau und späteren Äbtissin des Ursulinenklosters im piemontesischen Bianzè gelang mit sparsamen Mitteln eine ausgewogene Komposition von Feigen auf einer goldenen Tazza mit vier Narzissen- und Tulpenblüten (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Die gedämpfte Farbigkeit, die Zurückhaltung und die Kontrolliertheit, deren Wurzeln in der Frömmigkeit der Gegenreformation liegen dürften und in der Natur als Spiegel der göttlichen Schöpfung auch eine religiöse Aussage impliziert, zeichnen auch ein spanisches Stillleben des 17. Jahrhunderts aus. Der Urheber des sogenannten „bodegón“ aus zentralem Korb mit gelb-roten Granatäpfeln auf einem Steinsims, flankiert von zwei Porzellantellern mit Mirabellen und Früchten des Erdbeerbaums, vor dunklem Hintergrund ist bisher noch nicht identifiziert; eine Verbindung zum Schaffen von Francisco de Zurbarán, Juan de Zurbarán, Pedro de Camprobín oder Juan van der Hamen y León liegt aber nahe. Hier teilt das Dorotheum den Schätzpreis auf Anfrage mit und will aufgrund der Qualität 800.000 bis 1,2 Millionen Euro sehen. Etwas üppiger hat dagegen Juan de Espinosa seine Früchte, Vasen und Weingläser auf einer mehrstöckigen, mit einem weißen Tischtuch bedeckten Anrichte arrangiert (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR).
Jan Breughel d.J. steht dann für die meist am Prächtigen orientierte Stilllebenmalerei des Nordens. Seine goldene „Tazza mit Blumenkranz, Schmuckkästchen, Taschenuhr und Blumen in einer Glasvase“ ist ein bedeutendes Beispiel für die Symbolhaltigkeit dieser Gattung: Die Uhr als Vanitas-Motiv, die Naturperlen und der Blumenkranz als Zeichen weiblicher Tugend, die Glasvase als Sinnbild für Kunstfertigkeit wie auch für die Zerbrechlichkeit des Daseins. Auch das feinmalerische dramatische Nachtstück seines Vaters Jan Brueghels d.Ä., das auf kleiner Kupfertafel vom brennenden Troja und der Flucht von Aeneas und Anchises berichtet, stammt aus einer deutschen Privatsammlung, genauso wie eine anmutige Maria lactans, die der um 1520/30 wahrscheinlich in Antwerpen Werkstattgruppe unter dem Notnamen Meister mit dem Papagei zugewiesen wird. Die beiden Gemälde aus der Brueghel-Familie sollen jeweils 120.000 bis 180.000 Euro einspielen, das Madonnenbild die Hälfte.
Religiös im Norden
Einer der Großen der Antwerpener Barockmalerei ist Peter Paul Rubens. In seiner Werkstatt entstand die zarte Anbetungsszene mit der Jungfrau Maria und dem schlafenden Jesusknaben, die früher schon einmal dem Meister selbst zugeschrieben war (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). Der Einfluss Caravaggios reichte bis in die nördlichen Niederlande. Das illustriert Matthias Stom mit seinem nahansichtigen Drei-Personen-Stück der Verleugnung Petri und erzeugt durch eine verdeckte Kerze atmosphärische Licht-Schatten-Effekte (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR). Jan Havicksz Steen ist für seine humorvollen Darstellungen von Sprichwörtern und Szenen aus dem Leben der unteren Schichten bekannt. 1651 nahm er sich jedoch einen Bericht aus der Apostelgeschichte her und schildert das Schicksal des reichen Mannes Ananias, der sich in der frühen Gemeinde fälschlicherweise als fromm ausgab, indem er behauptete, den vollen Erlös seines verkauften Grundstücks gespendet zu haben, aber tatsächlich die Hälfte behielt. Von Petrus zur Rede gestellt, fiel Ananias auf der Stelle tot um (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR).
Die Portraitmalerei ist in der Versteigerung ebenfalls gut vertreten. Ob aber das überzogen groteske Brustbild eines Sultans aus der niederländischen Schule des späten 15. oder frühen 16. Jahrhundert, das traditionell mit Sultan Mehmed II., einem der Gründer des Osmanischen Reiches, identifiziert wird, tatsächlich 100.000 bis 150.000 Euro auf die Waage bringt, ist doch etwas fraglich. Ansprechender ist da schon die Nürnberger Juweliersgattin Anna Tucher, geborene Kleebühler, die Hans Mielich 1551 mit schwarzem Gewand und langem weißem Kopftuch portraitierte (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Das Pendant ihres Mannes Hans Tucher von Schowerau hängt übrigens im Germanischen Nationalmuseum. Neben Angelika Kauffmanns eleganter Dreiviertelfigur der Lady Anne Simpson aus den frühen 1770er Jahren, die mit 20.000 bis 30.000 Euro veranschlagt ist, stellt Francisco de Goya einen der Höhepunkte klassizistischer Kunst. Bereits um 1783 stand Don José Álvarez de Toledo Osorio y Gonzaga, der mächtige Herzog von Alba, vor seiner Staffelei; gut zehn Jahre später dann noch einmal. Goyas Jugendbildnis ist eine Kombination aus naturalistischer Beobachtung und psychologischem Realismus und strebt nun nach 400.000 bis 600.000 Euro. Auch ein frühbiedermeierliches Gemäldepaar von Wolfgang-Adam Töpffer aus dem Jahr 1803 ist zu haben. Der Genfer Maler nimmt dabei Bezug auf ein zeitgenössisches Ereignis: das Konkordat zwischen der Ersten Französischen Republik und dem Heiligen Stuhl von 1801, das die Religionsfreiheit nach den Einschränkungen in den Revolutionsjahren wiederherstellte. Töpffer setzte dies in den beiden ländlichen und volksreichen Szenen „Die Rückkehr des Dorfpfarrers in seine Pfarrgemeinde“ und „Das Dorffest vor der Kapelle“ um (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR).
Die Auktion „Alte Meister“ beginnt am 23. Oktober um 18 Uhr. Eine Besichtigung der Objekte ist bis zum Auktionsbeginn täglich von 10 bis 18 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet alle Kunstwerke unter www.dorotheum.com. |