 |  | Johann Martin Heinrici, Tabatiere, 1755 | |
Erika Pohl-Ströher war eine umfassend gebildete Wissenschaftlerin und begeisterte Sammlerin. Geboren 1919 in Wurzen bei Leipzig, wuchs sie in Rothenkirchen im Vogtland auf, wo ihre Großeltern Franz und Marie Ströher 1880 die Kosmetikfirma Wella gegründet hatten. Sie selbst studierte in Jena Biologie und Chemie, war Unternehmerin und hatte ihren Sammeleifer von ihrem Vater Karl Ströher geerbt. Auch als die Familie nach dem Zweiten Weltkrieg in den Westen zog und das Wella-Imperium in Hessen ansiedelte, blieb Erika Pohl-Ströher ihrer Heimat verbunden. Eine ihrer Vorlieben galt der erzgebirgischen Volkskunst; hier trug sie weltgrößte Privatsammlung zusammen, die heute in der „Manufaktur der Träume“ in Annaberg-Buchholz und im Depot Pohl-Ströher im nah gelegenen Gelenau nebst ihrer Puppen- und Teddykollektion präsentiert wird. Seit ihrer Jugend interessierte sie sich auch für Minerale: Mit rund 80.000 Stufen gehört auch dieser Teil ihrer Sammelleidenschaft zu den weltweit umfangreichsten. 2004 brachte sie ihn in die Pohl-Ströher Mineralienstiftung ein und stellte ihn der TU Bergakademie Freiberg als Dauerleihgabe zu Verfügung, die Teile daraus seit 2008 in der Ausstellung „Terra mineralia“ in Schloss Freudenstein zeigt. Sogar das Mineral „Erikapohlit“ ist nach ihr benannt.
Aber auch auf künstlerischem Gebiet tobte sich die 2016 verstorbene Wella-Erbin aus, legte sich unter anderem Gemälde und Zeichnungen von Caspar David Friedrich, Oskar Schlemmer, Karl Schmidt-Rottluff, August Macke oder Alexej von Jawlensky zu, schmökerte in ihrer großen Bibliothek, interessierte sich mit ihrem Ehemann Gerhard Pohl aber vor allem für Porträtminiaturen, Tabatieren und andere Galanteriewaren. Seit 2018 haben sich die Nachkommen Erika Pohl-Ströhers in mehreren Auktionen bereits von Teilen ihrer umfangreichen Sammlung getrennt. Nun kommt eine weitere Tranche auf den Markt. Das Heidelberger Auktionshaus Metz versteigert über 300 Positionen aus der Kollektion Erika Pohl-Ströhers, wobei die kleinen Bildnisse, die der Experte Bodo Hofstetter einmal als „quantitativ und qualitativ bedeutendste Miniaturensammlung aller Zeiten“ charakterisierte, mit rund 220 Losen den größten Teil ausmachen.
Kunstvoller Fingerschutz
Doch los geht es am 18. Oktober aber erst einmal mit sieben historischen Fingerhüten des 18. Jahrhunderts aus der Porzellanmanufaktur Meißen. Auch von diesen Preziosen und den darauf filigran applizierten Miniaturbildern von Landschaften, Ruinen, Kauffahrteiszenen oder aus der Bergmannswelt war Erika Pohl-Ströher fasziniert. Sie alle sollen je 1.800 Euro einspielen. Ein erster Höhepunkt ist dann eine rechteckige Tabatiere von 1760 aus der Manufaktur Frankenthal, die von Jakob Osterspey auf einem blauen Guilloche-Muster mit weiblichen Allegorien auf Weisheit, Macht, Wohlstand, Stärke sowie Poesie, Glaube und Liebe in Roccaillekartuschen und im Innern mit den Portraits des Kurfürstenpaars Elisabeth Auguste und Carl Theodor von der Pfalz bemalte wurde. Hierfür sind 22.000 Euro fällig. Aus Meißen stammt eine vergleichbare Deckeldose: auch hier symbolisieren geflügelte Frauengestalten in Rocaillekartuschen auf der Außenseite verschiedene Tugenden, während im Innern neben einem violetten Rautenmuster mit dem Monogramm „AR“ für Augustus Rex groß das Bildnis des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. von Johann Martin Heinrici prangt (Taxe 24.000 EUR).
12.000 Euro sollen es für eine Meißner Tabatiere von 1740/45 in Köcherform mit galanten Szenen von Johann Jacob Wagner sein, 4.500 Euro für ein weiteres Exemplar aus Meißen um 1750 mit grotesken Zwergenfiguren nach Jacques Callot und 2.600 Euro für eine ungewöhnliche, leicht konkav gebogene Doppeldeckel-Tabatiere aus der Porzellanmanufaktur Fürstenberg von 1760, die Johann Heinrich Eisenträger außen mit purpurfarbenen Landschaften, innen mit bunten Schäferpaaren gestaltet hat. Die Manufaktur in Schrezheim ahmte um 1770 für ihre Dose einen Koffer mit gewölbtem Deckel und zudem die Holzmaserung nach (Taxe 2.800 EUR), der hugenottische Galanteriewarenhändler Alexander Fromery in Berlin dann das Material Porzellan, indem er um 1750 seine Tabatiere aus einem weiß emaillierten Kupferkern produzierte und ihn von Isaak Jakob Clauce bunt mit Watteauszenen in Parklandschaften staffieren ließ (Taxe 10.000 EUR). Ein französisches Döschen von etwa 1750 verzichtet ganz auf die Malerei und setzt dagegen auf die orangefarbenen Carneolplättchen, die den Goldkern umhüllen (Taxe 12.000 EUR). Der Pariser Goldschmied François-Guillaume Tiron ist Urheber einer aufwändig fabrizierten Tabatiere, die mit Landschaften am Wasser samt Schiffen auf violetten Emailplättchen belegt ist (Taxe 20.000 EUR).
Über ein Kruzifix des Nürnberger Silberschmied Paulus Bair, datiert auf das Jahr 1613 (Taxe 2.400 EUR), und ein Limousiner Leuchterpaar aus vergoldeter Bronze mit einem Emailleschaft wohl von Jean Court um 1550 für 8.000 Euro geht es dann zu den Miniaturen. Sie zeigen Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft und wurden zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert in verschiedenen europäischen Schulen ausgeführt. Den Konnex zu den Tabatieren stellen unter anderem zwei Döschen her, in deren Deckel kleine Portraits eingelassen wurden: Für seine Harfe spielende junge Dame nahm sich Louis-Léopold Boilly um 1800 eine runde Golddose des Pariser Meisters Joseph-François Marcillac her (Taxe 10.000 EUR), der nach England ausgewanderte Dresdner Maler Christian Friedrich Zincke einen mit Schildpatt belegten Kupferkern, auf dem er ein zartes Bruststück einer jungen Schönheit aufbrachte (Taxe 2.000 EUR).
Die kleinen Meisterwerke
Gerade England brachte im 18. Jahrhundert viele exzellente Miniaturmaler hervor, darunter etwa John Smart, von dem Erika Pohl-Ströher gleich mehrere Arbeiten erwarb. Jeweils 15.000 Euro sollen zwei Bildnisse aufgehübschter junger Damen in hellblauem Seidenüberwurf mit Pelzbesatz aus der Mitte der 1770er Jahre kosten. 1.000 Euro mehr verlangt sein Konterfei eines vornehmen, freundlich blickenden Herrn mit weißen, schon schütteren Haaren, das aus einem ovalen Kranz von Perlen auf dem Rahmen prangt. William Grimaldi ist dann für das traute Duo von Sophia Hawkins Whitshed mit ihrem jungen Sohn James auf dem Jahr 1798 zuständig (Taxe 5.000 EUR), der in Portugal geborene, aber hauptsächlich in London nicht zuletzt für die Königsfamilie tätige Eduardo de Moira für das Bildnis der 1879 geborenen jungen Evelyn Moreton, Viscountess Byng of Vimy, mit ihrem Hund (Taxe 9.000 EUR), und Richard Cosway für „The Ponsonby Miniature“, ein doppelseitiges Meisterwerk, auf dem er jeweils zwei Kinder der Familie Ponsonby liebevoll umschlungen verewigt hat. Hier hat Erika Pohl-Ströher 2011 bei Christie’s mit 52.000 Pfund netto einen Spitzenpreis bewilligt; jetzt sollen es nur 25.000 Euro werden.
Nach Frankreich geht es etwa mit Félicie de Watteville und ihrem charmanten Porträt einer jungen Frau, die vor einem Fenster mit dunkelgrünem Samtvorhang sitzt und an ihrem bunten langen Schal nestelt (Taxe 20.000 EUR). Eine jüngere Kollegin war Cécile Villeneuve, die 1881 die Marquise de Bonneval mit schwarzem Überwurf abkonterfeite (Taxe 1.200 EUR), oder Pauline Appert, deren Portrait einer älteren Dame mit aufwändig frisierten Haaren 360 Euro kosten soll. Zu den ältesten Stücken der Auktion gehören ein Bildnis des jungen Maximilian II. Emanuel von Bayern mit ausladender Allongeperücke, das dem Genfer Maler Jacques-Antoine Arlaud zugeschrieben wird (Taxe 700 EUR), und Anton Friedrich Königs Porträt einer Rokoko-Dame im Garten (Taxe 2.600 EUR). Dass auch Stillleben in Miniaturformat ausgeführt wurden, beweist Willem van Leens duftig auf nur 6,2 Zentimeter großem Tondo ausgeführtes Blumenbouquet samt Vogelnest von 1794 (Taxe 6.500 EUR).
Porzellan für die Winzer
Das zweite umfangreiche Konvolut der Auktion bei Metz, das schon museale Weihen hinter sich hat, steuert die bekannte Winzerdynastie Bassermann-Jordan aus Deidesheim bei. Bis zum Verkauf ihres Weingutes im Jahr 2002 war der Ketschauer Hof Stammsitz der Familie. Nicht nur das Weingut, sondern auch die Möbel und Kunstgegenstände wurden damals veräußert. Die mit Kennerschaft zusammengetragene Sammlung Frankenthaler Porzellans ging 2003 für zwanzig Jahre als Leihgabe an die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Nach Ablauf dieser Leihfrist hat die Familie Bassermann-Jordan nun ihre hochkarätige Sammlung von rund 170 Positionen zur Versteigerung gegeben und dabei auf Limite und Schätzungen verzichtet. Im Katalog sind als Richtwerte nun zu jedem Objekt die Versicherungssummen aus dem Inventar der Reiss-Engelhorn-Museen angegeben.
Zu den reizvollsten Schöpfungen der 1755 gegründeten kurpfälzischen Manufaktur im figürlichen Bereich gehören ein etwas feister „Barfüßiger Kavalier“ von Johann Friedrich Lück aus einer Folge französischer Komödienfiguren (Versicherungswert 10.000 EUR), sein „Galantes Paar“ von 1760 (Versicherungswert 25.000 EUR) oder Lücks „Junge Dame mit Vogelkäfig“ und Streublümchenkleid (Versicherungswert 8.000 EUR). Auch sein Bruder Carl Gottlieb Lück war als Porzellanmodelleur für Frankenthal tätig und schuf hier 1770 unter anderem ein von der Vorliebe für den fernen Osten inspiriertes „Chinesenhaus“ (Versicherungswert 15.000 EUR) oder ein Ehepaar, das in „Einigkeit“ einander zugetan ist (Versicherungswert 8.500 EUR), und sein humorvolles Pendant der Zwietracht unter dem Titel „Der Weiberzank“ (Versicherungswert 8.000 EUR). Ein großes, leicht bekleidetes Paar samt Putto auf einem unregelmäßigen Roccaillesockel hat Franz Conrad Linck um 1780 mit einem Eberkopf zur mythologischen Jagdgesellschaft von Meleager und Atalante ausgeformt, die gerade den Kalydonischen Eber erlegt haben (Versicherungswert 15.000 EUR).
Ein Weinfest im Herbst
Passend zur Tätigkeit der Familie Bassermann-Jordan gibt es von Johann Wilhelm Lanz dann noch einen „Winzer beim Traubenstoßen“ (Versicherungswert 4.000 EUR) und eine launige Gruppe von vier Putten, die als Allegorie für den Herbst steht und zur einer Folge der Vier Jahreszeiten gehört. In der Rocailleverästelung thront oben ein Knabe als mit Traubenzweigen bekrönter Bacchus auf einem Weinfass und lässt sich eben den Rebensaft einschenken, während unter ihm einer seiner Begleiter schon den Rausch ausschlafen muss (Versicherungswert 15.000 EUR). Dann verkleidete Lanz um 1755/59 noch einen Putto als Abbé (Versicherungswert 800 EUR) oder formte in diesen Jahren eine weibliche Allegorie der „Europa“ mit Schild und Helm als Teil einer Folge der vier Erdteile aus (Versicherungswert 10.000 EUR). Ansprechend ist zudem sein Poet, der an einem Tisch mit Schreibzeug gerade bei der Arbeit ist, aus einer Serie von Allegorien auf die Künste und Wissenschaften (Versicherungswert 6.000 EUR).
Den Übergang zur Tafelware vollzieht eine Zuckerdose, deren Deckel als Vogelnest mit einem Distelfink beim Füttern zweier Ästlinge naturalistisch gestaltet ist (Versicherungswert 2.000 EUR). Aus der Fülle an Geschirrteilen ragen ein Cremetöpfchen von 1770 aus Hofservice mit Wittelsbach-Dekor samt exotischen Vögeln auf Ästen (Versicherungswert 2.000 EUR), ein Suppenteller sowie eine Platte mit Goldstreifendekor und bunten Blumenbouquets (Versicherungswert je 2.800 EUR), ein Teller aus dem Tafelservice des Fürsten Dominik Constantin zu Löwenstein-Wertheim-Rochefort mit ovalem Medaillon samt Doppelhenkelvase und bunter Draperie (Versicherungswert 6.000 EUR) oder das ebenfalls schon klassizistische Solitärtablett „Form à l’antique“ heraus, das Johann Peter Melchior mit einem Holzmaserdekor auf dem Fond und einer Uferlandschaft, Gebäuden und Fischern in Sepiacamaieu verziert hat (Versicherungswert 1.500 EUR).
Meißen und Möbel
Im dritten abschließend Auktionsteil mit verschiedenen Provenienzen melden sich dann auch andere Porzellanmanufakturen zu Wort, allen voran Meißen, die etwa mit einem seltenen Becher samt Unterschale aus dem „Schwanenservice“ für den Grafen von Brühl für 60.000 Euro auftrumpft, an dessen 2.200 Einzelteilen Johann Joachim Kändler und Johann Friedrich Eberlein zwischen 1737 und 1742 gemeinsam gearbeitet haben. Kändler allein ist dann für ein Paar Eichelhäher mit Eichhörnchen, Hirschkäfer, Eicheln, Eichenblättern, Früchten und Pilzen (Taxe 48.000 EUR) oder einem ebenfalls lebensgroßen Paar Mandelkrähen auf Baumstämmen verantwortlich (Taxe 44.000 EUR). Es gibt auch frühe Meißner Produkte aus Böttgersteinzeug, darunter die Kaffeekanne „Türkische Form“ mit einem sogenannten „Türkenbund-Deckel“, die Martin Schnell auf dem schwarz glasierten Grund um 1710 mit einem Chinoiseriedekor und floralen Mustern golden bemalt hat (Taxe 36.000 EUR). Eine ungefasste, noch rotbraune Variante nach einem Modell von Johann Jakob Irminger verlangt 24.000 Euro. Eine birnenförmige Deckelvase hat Adam Friedrich von Löwenfinck um 1730/35 auf zitronengelbem Fond mit großen indianischen Blüten, Kranichen und Schmetterlingen exzellent verziert (Taxe 25.000 EUR).
Neben der Meißner Übermacht fallen die anderen Manufakturen kaum ins Gewicht, haben aber einige Raritäten zu bieten, etwa Kelsterbach einen fast devot „Grüßenden Harlekin“ von Jakob Melchior Höckel um 1785/90 (Taxe 3.000 EUR), Fulda ein Paar frühklassizistische Eiskühlgefäße mit bunt gemalten Insekten und dem Monogramm WB in einem Eichenlaubmedaillon (Taxe 2.000 EUR), Nymphenburg ein Paar unstaffierte Kinderbüsten um 1761/65 nach einem Modell von Franz Anton Bustelli (Taxe 7.500 EUR), Kassel einen „Winter“ aus der Serie „Die vier Jahreszeiten“ von 1770 (Taxe 2.500 EUR) oder Ansbach ein Paar mit Vogelkäfig samt Vögeln wohl nach einer Idee von Carl Gottlieb Laut (Taxe 3.000 EUR). Auch in der kleinen Möbelabteilung geht es quer durch deutsche Länder. Nach Schleswig-Holstein weist eine hohe Aufsatzschreibkommode um 1760, deren Würfelmarketerie aus Mahagoni gearbeitet wurde (Taxe 14.000 EUR), nach Bamberg um 1755/60 eine zweischübige, geschweifte Kommode, die wohl Ferdinand Hundt komplett gebrochen weiß und die Rosenblüten, das Rankenwerk sowie die S- und C-Schwünge darauf silbern und golden fassen ließ (Taxe 20.000 EUR), und nach Mainz ein virtuos bombierter Rokoko-Aufsatzsekretär, ein sogenannter „Cantourgen“ um 1765, für den von Christoph Artner eine fast identische Risszeichnung vorliegt (Taxe 65.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 18. Oktober um 11 Uhr mit der Sammlung Ströher, um 14 Uhr mit der Sammlung Bassermann-Jordan und um 16 Uhr mit den Möbeln und Porzellanen. Die Besichtigung ist vom 13. bis zum 17. Oktober täglich von 10 bis 18:30 Uhr sowie am 18. Oktober von 9 bis 11 Uhr möglich. |