Erstmals Preis für Kunstvereine in NRW vergeben  |  | Der Neue Essener Kunstverein wurde 2025 mit einem *Weststern ausgezeichnet | |
Der neue Förderpreis „*Weststern“ für Kunstvereine in Nordrhein-Westfalen geht an den Kunstverein Bielefeld, den Dortmunder Kunstverein, die Temporary Gallery in Köln und an den Neuen Essener Kunstverein. Mit der Auszeichnung will der Ratinger Unternehmer und Kunstsammler Jan Fischer in Zusammenarbeit mit der Leap Art Foundation, gegründet von Bettina Böhm, die kreative Arbeit von Kunstvereinen im bevölkerungsreichsten Bundesland der BRD, ihren Ideenreichtum und ihr lebendiges bürgerschaftliches Engagement unterstützen. Dafür hat er heuer ein Fördervolumen von insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Preisverleihung findet am 6. September im Rahmen des DC Open-Wochenendes in Düsseldorf statt.
In der Kategorie „Außergewöhnliches Jahresprogramm“ hat der Kunstverein Bielefeld nun 40.000 Euro erhalten. Sein programmatisches Konzept „Mund“ ist Teil eines fünfjährigen kuratorischen Projekts, das sich jährlich einem Sinnesorgan widmet und daraus gesellschaftsrelevante Themen ableitet. Die Jury hob die „ambitionierte Reihe miteinander verwobener Ausstellungen hervor, die sich auf die fünf Sinne konzentrieren und sowohl die Verkörperung als auch dringende gesellschaftspolitische Themen wie Rassismus und Klassismus behandeln“. Für 2025 hat der Bielefelder Kunstverein eine Auseinandersetzung mit dem „Auge“ angesetzt, das in seinen historischen wie kulturellen Dimensionen erforscht werden soll, etwa mit Blick auf visuelle Erzählformeln, hegemoniale Repräsentationssysteme und alternative Perspektiven im Kontext von KI mit einer Ausstellung von Hedda Roman ab Ende August.
Der Dortmunder Kunstverein wurde für die „Herausragende Ausstellung“ mit 30.000 Euro prämiert. Sie galt Latefa Wiersch und war bis Mitte April zu sehen. Die aus Dortmund-Dorstfeld stammende und heute in Zürich lebende Künstlerin wählte in ihrer Einzelpräsentation „Hannibal“ einen persönlichen und gleichfalls ortsbezogenen Ausgangspunkt: Sie setzte sich mit der Dortmunder Hochhaussiedlung „Hannibal II“ auseinander, in der sie als Tochter eines marokkanischen Gastarbeiters aufwuchs, und verhandelte „auf sensible und zugleich kraftvolle Weise Fragen postmigrantischer Identität, sozialer Herkunft und urbaner Architekturutopie“. Das Preisgremium sah darin eine „bewegende, intime Reflexion über Architektur, Herkunft und Leben in dem groß angelegten Wohnungsbauprojekt ‚Hannibal II‘, das sinnbildlich für Hoffnungen und das Scheitern utopischer Stadtplanung steht“.
Bei der Temporary Gallery aus Köln stand das „Großartige Engagement“ für die Preisvergabe in Höhe von 20.000 Euro im Vordergrund. Der Verein versteht Kunst als gesellschaftliches Werkzeug und entwickelt seit 2012 Formate, die künstlerische Praxis mit politischen, ökologischen und sozialen Fragen verbinden. Dabei verknüpft er programmatisch die lokale Verankerung mit internationalem Austausch und will somit marginalisierte Perspektiven sichtbar machen und neue Formen des Miteinanders erproben. Die Jury lobte dieses partizipative und inklusive öffentliche Programm und die fantasievollen Projekte, um mit verschiedenen Gemeinschaften in Kontakt zu treten. Ein Höhepunkt sei ein offener Karnevalskostüm-Workshop gewesen, der kreativen Ausdruck mit kritischer Reflexion über Fast Fashion und Stereotypen verband.
Die „Besondere Anerkennung“ und ein Preisgeld von 10.000 Euro gingen an den Neuen Essener Kunstverein. Gegründet 2017 von Akteur*innen aus der freien Szene, präsentiert er anspruchsvolle, oft malerische und objektbezogene Kunst mit internationaler Ausrichtung. Damit setze der Kunstverein bewusst eine unabhängige Gegenposition zur vorherrschenden lokalen Fokussierung auf Fotografie und strukturwandelbezogene Themen im Ruhrgebiet, so die Jury. Sein Alleinstellungsmerkmal liege in der gezielten Förderung erster institutioneller Einzelausstellungen, der Wiederentdeckung vergessener Künstler*innen sowie der Präsentation von „artist’s artists“ – Positionen, die sonst im Kunstgeschehen kaum Beachtung finden. |