Paula Modersohn-Becker und ihre Zeitgenossinnen in Worpswede  |  | Paula Modersohn-Becker, 1905 | |
Zu Ehren des 150. Geburtstags von Paula Modersohn-Becker widmen vier Museen in Worpswede der Malerin und ihren Weggefährtinnen derzeit die Schau „Der unteilbare Himmel“. Hierbei präsentieren der Barkenhoff, die Worpsweder Kunsthalle, das Haus im Schluh und die Große Kunstschau jeweils einzelne Frauen, ihre Verbindungen untereinander, dem Kampf um Anerkennung und die Folgen bis in die Gegenwart. Paula Modersohn-Becker, die berühmteste Gestalt der Künstlerkolonie, die am 8. Februar 1876 in Dresden geboren wurde und am 20. November 1907 im Alter von nur 31 Jahren in Worpswede an einer Embolie starb, wurde zu Lebzeiten kaum als eigenständige Künstlerin wahrgenommen und von ihren männlichen Kollegen auch weitgehend verkannt. Modersohn-Becker war jedoch auf ihrem Weg des Ringens um eine eigenständige Existenz als begabte Künstlerin nicht allein und freundete sich in Worpswede unter anderem mit Clara Rilke-Westhoff, Ottilie Reylaender und Martha Vogeler an. Jede der Frauen versuchte auf ihre Weise, mit den damaligen gesellschaftlichen Umständen umzugehen und selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten.
Der Barkenhoff thematisiert das frühe Schaffen der noch unverheirateten Paula Becker und das von Clara Westhoff in der Schau „Verwandte Seelen“. Sie lernten sich 1898 als junge Malschülerinnen in Worpswede kennen und freundeten sich an. Becker suchte Selbstbestimmung und eigene Ausdrucksformen in der Malerei, Westhoff in der Plastik. Historische Fotografien und Archivmaterial ergänzen die Präsentation ihrer Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen und zeichnen Stationen ihres Lebens nach.
Die Worpsweder Kunsthalle stellt die 1882 in Holstein geborene Ottilie Reylaender unter dem Motto „Frei und unabhängig“ vor. Auch sie kam als Malschülerin nach Worpswede, traf 1898 auf Paula Becker und war von deren Entwicklung fasziniert. Getrieben von Fernweh ging sie nach Rom, Paris und Mexiko, wo sie 17 Jahre lang lebte. 1927 kehrte Reylaender nach Deutschland zurück und ließ sich in Berlin nieder. In ihrem Œuvre bilden Selbst- und Doppelbildnisse, Landschaften sowie Mutter-Kind-Darstellungen zentrale Themen, die in der Kunsthalle einen Kontext zu Arbeiten von Paula Modersohn-Becker gestellt werden.
Das Haus im Schluh betrachtet Martha Vogeler als „Befreite Muse“. Sie löste sich aus der Künstlerehe mit Heinrich Vogeler und lebte ab 1911 mit dem Literaten Ludwig Bäumer zusammen. Dies war der erste Schritt in ihre Unabhängigkeit. Neun Jahre später gründete sie mit dem Haus im Schluh einen eigenen Lebens- und Wirkungsort für sich und ihre Töchter. Finanzielle Unabhängigkeit erreichte Vogeler mit ihrer Kunst und der Vermittlung von Arbeiten junger Malerinnen und Maler, mit Weberei und Vermietung von Gästezimmern. Das Haus im Schluh präsentiert die künstlerische Arbeit Martha Vogelers zusammen mit Werken ihres Ehemanns und lässt mit Fotos, Schrift- und Tondokumenten ein lebendiges Bild auch ihres sozialen und kulturellen Wirkens entstehen.
Mit dem Ausstellungstitel „Zukünftiges schaffen. Zeitgenossinnen damals und heute“ wendet sich die Große Kunstschau einem weiteren zeitlichen Rahmen zu. Neben Paula Modersohn-Becker wollten um 1900 weitere junge FrauenKünstlerinnen werden. Eine Künstlerkolonie bot ihnen Raum zur Entfaltung. Viele ergänzten ihre Ausbildung mit Studienaufenthalten in Paris. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den Lebenswegen von Künstlerinnen, etwa von Marie Bock, Käthe Kollwitz, Maria Caspar-Filser, Elisabeth von Eicken, Anna Gerresheim, Dora Koch-Stetter, Käte Lassen, Sabine Lepsius oder Mathilde Vollmoeller-Purrmann, wie auch auf der Wechselbeziehung zwischen künstlerischer Produktivität und gesellschaftlichen Rollen als Frau, Ehefrau und Mutter. Zeitgenössische Künstlerinnen, darunter Katerina Belkina, Ellen Korth, Cornelia Schleime, Ngozi Schommers oder die Stipendiatin des Museumsverbunds Anahita Razmi, reflektieren die Aktualität dieser Themen. So stellt Razmi mit ihrer Arbeit „Neun Worte“ Bezüge zum Kampf der Frauen um Selbstbestimmung im Iran her.
Unter dem übergreifenden Titel „Paula Modersohn-Becker und ihre Weggefährtinnen. Der unteilbare Himmel“ laufen alle Ausstellungen bis zum 18. Januar 2026. Die Häuser sind mit Ausnahme des Hauses im Schluh täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, die Kunsthalle nun dienstags bis sonntags. Das Haus im Schluh öffnet dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr und an Feiertagen, die auf einen Montag fallen von 14 Uhr bis 18 Uhr. Das Kombiticket für alle vier Häuser kostet 25 Euro, ermäßigt 15 Euro.
Barkenhoff – Heinrich-Vogeler-Museum
Ostendorfer Straße 10
D-27726 Worpswede
Telefon: +49 (0)4792 – 3968
Haus im Schluh
Im Schluh 35-37
D- 27726 Worpswede
Telefon: +49 (0)4792 – 522
Worpsweder Kunsthalle
Bergstraße 17
D-27726 Worpswede
Telefon: +49 (0)4792 – 1277
Große Kunstschau
Lindenallee 5
D-27726 Worpswede
Telefon: +49 (0)152 – 5797 3258
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