 |  | Jan Davidsz de Heem, Stillleben mit Blumen und Früchten auf einer Steinkonsole | |
Jan Davidsz de Heem war einer der begabtesten und besten Stilllebenmaler des „Goldenen Zeitalters“ und schuf opulent gedeckte Tafeln, Blumenkränze um Nischen, Fenster und Madonnenbilder, Vanitas-Darstellungen, auf wenige Utensilien reduzierte Arrangements und in seinem späten Schaffen bevorzugt Blumensträuße, die er mit Insekten, Backwaren oder Obst anreicherte. Ein solches Meisterwerk ist de Heems „Stillleben mit Blumen und Früchten auf einer Steinkonsole“. Die Komposition wirkt improvisiert und ist doch genau kalkuliert, die Farbigkeit berauscht, die Feinheit der Ausführung ist von hoher Qualität, und die kleinteilige Motivik lädt mit Schmetterling, Libelle, Hummel, Faltern, Raupen, Spinne und sonstigem Getier zum Suchen und Staunen ein. Trotz der Expertise des renommierten Kunsthistorikers Fred G. Meijer, der das vor noch nicht allzu langer Zeit in deutschem Familienbesitz wiederentdeckte Ölgemälde als „eines der besten“ Stillleben des Malers bezeichnete, blieb es im Herbst 2022, geschätzt auf 350.000 bis 450.000 Euro, bei Lempertz liegen.
Im letzten Jahr war es dann Bestandteil der Ausstellung „Opulence Distilled. Masterpieces from the oeuvre of Jan Davidsz. de Heem“ im Snijders & Rockoxhuis in Antwerpen, wurde von Meijer in seinen zweibändigen Œuvrekatalog zu de Heem aufgenommen und trat nun erneut bei dem Kölner Versteigerer an – aber etwa nicht mit reduzierter Taxe: Lempertz und der Einlieferer hatten sich nun 1 bis 1,5 Millionen Euro verständigt und behielten damit recht. Unter Teilnahme mehrerer Telefone und Online-Bieter konnte sich ein europäischer Privatsammler erst bei einem Zuschlag von 2,8 Millionen Euro durchsetzen und musste mit Aufgeld über 3,4 Millionen Euro berappen. Das ist nun eines der besten Resultate für ein Werk von Jan Davidsz de Heem. Laut Lempertz wurde weltweit erst drei Mal ein höheres Auktionsergebnis für den Barockmaler erzielt.
Dieser deutliche Aufschlag war auch nötig. Denn bis auf wenige Ausnahmen lief die Auktion „Alte Kunst und 19. Jahrhundert“ am 17. Mai für Lempertz eher durchschnittlich. Losbezogen wurde die Hälfte der 128 Positionen des ersten Hauptteils abgesetzt und brachte ein Bruttogesamtergebnis von 6,2 Millionen Euro. Im zweiten Teil mit den günstiger bewerteten Objekten lag die Verkaufsrate immerhin bei 62 Prozent, der Umsatz samt Nachverkauf bei 817.000 Euro. Während etwa Hans Hoffmanns kraftvolles Bildnis des dornengekrönten Jesus, flankiert von zwei nicht näher bestimmten Gesichtern, ein Werk der Dürer-Nachfolge aus dem späten 16. Jahrhundert (Taxe 200.000 bis 220.000 EUR), oder Francesco Albanis biblische Begegnung „Christus und die Samariterin“ von 1610/17 keinen Interessenten hervorlockten (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR), begeisterte eine Höllenvision die Sammler. Die in der Bildsprache von Hieronymus Bosch umgesetzte Sage des Ritters Tondalus, der von einem Engel zur Mahnung in die Hölle geführt wird und dort die nackten Verdammten bei allerlei Qualen sehen muss, entfachte den längsten Bieterwettbewerb des Tages. 17 Telefone und etliche Internetgebote ragen um die fantasievolle, mit 50.000 bis 70.000 Euro angesetzte Moralpredigt eines Bosch-Nachfolgers, bis ein belgischer Connaisseur bei 720.000 Euro den Zuschlag erhielt und mit Aufgeld 906.000 Euro berappen musste.
Ausfälle und Überraschungen gab es auch in anderen malerischen Genres, etwa bei den Madonnenbildern der Renaissance. So blieb Giovanni Pietro Rizzolis verspielte Version mit Maria als Rückenfigur, die sich lächelnd zum Betrachter umwendet und den nackten Jesusknaben liebevoll an sich drückt, trotz um 10.000 Euro erniedrigter Bewertung von 60.000 bis 80.000 Euro erneut liegen, während Lorenzo di Credis eher herbe „Madonna lactans“ von 40.000 Euro auf 95.000 Euro schnellte. Verlierer bei der Landschaftskunst waren etwa Jan Brueghels d.Ä. weite Talsenke mit der „Flucht nach Ägypten“ oder Michele Marieschis Pendants architektonischer Capricci mit einfachen Häusern und antiken Ruinen aus Venetien (Taxe je 80.000 bis 120.000 EUR), Gewinner – wenn auch mit Abschlägen – Jacob Saverys I belebtes Panorama einer Kirmes in der ostflämischen Gemeinde Schellebelle für 180.000 Euro (Taxe 200.000 bis 240.000 EUR) oder Jakob Philipp Hackerts ruhige frühklassizistische Ansicht „Der Tiber bei Rom“ mit lagernder Bauernfamilie am Ufer zur unteren Schätzung von 40.000 Euro.
Bei der Portraitmalerei verhielt es sich nicht anders. Willem Keys Bildnis von Robert de Croÿ, von 1519 bis 1556 Fürstbischof von Cambrai, mit skeptischem intensivem Blick kam auf gute 24.000 Euro (Taxe 18.000 bis 22.000 EUR). Das fein und lebensnah gemalte Konterfei eines holländischen Edelmanns, erstellt im 17. Jahrhundert von einem niederländischen Zeitgenossen, ergatterte zurecht 50.000 Euro (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Das Brustbild eines vornehmen Herrn in pelzbesetztem Mantel vor einem Landschaftsausblick, das Bartholomäus Bruyn d.Ä. 1527 geschaffen haben soll (Taxe 35.000 bis 45.000 EUR), musste aber genauso passen wie François de Troys etwas steifes, dafür würdevolles Portrait einer Dame als Göttin Ceres und Nicolas de Largillières wesentlich freundlichere Schilderung einer jungen Edelfrau in aufwändiger spitzen- und schmuckbesetzter Robe, die er ebenfalls im frühen 18. Jahrhundert zusammen mit seiner Werkstatt umgesetzt hatte (Taxe je 15.000 bis 20.000 EUR). Ein weiterer „Wiedergänger“ der Auktion war Abraham Janssens’ I kraftvoll ausgearbeitete Mythologie „Meleager und Atalante“. Das antike Liebespaar, die Wiederholung eines heute verschollenen Janssens-Gemäldes, das bis 1945 zu Berliner Kaiser-Friedrich-Museum gehörte, spielte diesmal taxgerechte 32.000 Euro ein. In einem klassizistischen Barock malte Charles Dauphin das Zusammentreffen von Chronos und Venus samt Putten, die den Gott der Zeit abhalten wollen, über Jugend und Schönheit zu triumphieren. Diese „Allegorie der Zeit“ verharrte bei 50.000 Euro an der unteren Taxgrenze.
Die zahlreich vorhandenen Stillleben der Alten Meister fanden oftmals keine Anhänger, darunter Floris van Schootens appetitanregende Auswahl an Käse, Brot, Fisch, Trauben, Oliven, Wein, Nüssen neben Gefäßen auf einem Tisch (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR), David Hennekyns Blütengirlande über einer steinernen Plinthe, auf der Früchte und ein Teekännchen ausgebreitet sind (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR), und die spartanische Komposition aus Pfirsichen in einem Zinnteller und Trauben auf einem Holztisch von Bartholomeus Assteyn (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR), oder gingen bis auf die de Heem-Ausnahme meist unter ihren Erwartungen teils erst im Nachverkauf weg, etwa ein großes Vanitasstillleben, auf dem Willem Kalf kostbare Gefäße und sorgfältig platzierte Hinweise auf die Vergänglichkeit alles Irdischen in eine raffinierte Lichtregie getaucht hat. Hier kamen nur 210.000 Euro zusammen (Taxe 300.000 bis 400.000 EUR). Mehr Engagement legten die Käufer bei einem schlichten Korb mit Pilzen an den Tag, um den ein italienischer Meister im 17. Jahrhundert Kastanien und eine freche Maus gruppiert hatte. Er verdreifachte seinen Wert auf 21.000 Euro.
Nach den Zeichnungen, die nur zu 38 Prozent übernommen wurden und nichts Besonderes zu berichten haben, ging es zu den Gemälden des 19. Jahrhunderts, die sich mit 65,5 Prozent Verkaufsrate wie schon bei den letzten Auktionen recht gut schlugen. Eindeutiger Sieger war hier Vladimir Egorovic Makovskijs Gemälde „Ein Ostergebet“ aus dem Jahr 1886. Die Ölstudie aus der religiösen Genrewelt der einfachen russischen Landbevölkerung, die Makovskij als Vorlage für seine ein Jahr jüngere museale Ausführung diente, schnellte von 20.000 Euro auf 100.000 Euro. Aber auch die 38.000 Euro für Konstantin Ivanovich Gorbatovs postimpressionistische, ebenso farbenfrohe „Ansicht von Chioggia“ (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), die 42.000 Euro für Wilhelm Kuhnerts friedlich und majestätisch im Grünen lagernden Löwen (Taxe 38.000 bis 42.000 EUR) oder die 25.000 Euro für Ferdinand Georg Waldmüllers biedermeierlich sanftes Portrait „Frau Hanakamp“ von 1838 können sich sehen lassen (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR).
Mit meisterlicher Hand schuf Anselm Feuerbach das Bildnis einer jungen Frau im Profil und war bei dieser Kreidezeichnung einer italienischen Schönheit mit geschlossenen Augen mit 10.000 Euro erfolgreich (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Auch einige weibliche Malerinnen traten bei den Neueren Meistern hervor, so die exzentrische Mélanie Hahnemann, geborene Marie Mélanie d’Hervilly Gohier und verheiratet mit dem Homöopathie-Begründer Samuel Hahnemann. Ihrem Engagement für den Griechischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Osmanen verlieh sie in der Darstellung eines einsamen, sinnierenden Freiheitskämpfers Ausdruck, der seinen Wert auf 24.000 Euro verdoppelte. Kein Glück hatte dagegen Bertha Sieck mit ihrer wiederentdeckten Shakespeare-Adaption von Julia, die den Ring ihres Geliebten Romeo an ihrer Hand betrachtet (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Gute Ergebnisse erzielten noch Joseph Moosbruggers Weitblick von einen Höhenweg über den Bodensee auf die blauen Alpen in der Ferne mit 14.000 Euro (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR), Carl Spitzwegs enge dunkle Schlucht samt Haus mit rauchendem Kamin und Dirndl bei 26.000 Euro (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR) oder im zweiten Auktionsteil die unscheinbar mit 2.000 bis 3.000 Euro veranschlagte sommerliche Ansicht des antiken Theaters von Taormina von Claude-Félix-Théodore Aligny, die samt schneebedecktem Ätna im Hintergrund bei 16.000 Euro andauernd umkämpft wurde.
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |