 |  | Wilhelm Brücke, Unter den Linden, 1838 | |
Das Bild steht symptomatisch für die kommende Auktion bei Lempertz: 1838 richtete Wilhelm Brücke seinen Blick „Unter den Linden“ gen Osten, streifte dabei das Palais des Prinzen Heinrich, das 1809 zum Hauptgebäude der neu gegründeten Universität zu Berlin umfunktioniert wurde, die nach Karl Friedrich Schinkels Plänen errichtete Neuen Wache, das mächtige barocke Zeughaus, das Alte Palais, das nach Entwürfen von Carl Ferdinand Langhans von 1834 bis 1837 als Wohnsitz für Prinz Wilhelm von Preußen, den späteren Kaiser Wilhelm I., erstellt wurde, die Staatsoper, mit deren Bau im Stil des Rokoko König Friedrich II. 1741 den Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff beauftragt hatte, und das nur noch schemenhaft zu erkennende Berliner Stadtschloss. Im Bildvordergrund reicherte Brücke die Architekturpretiosen durch eine abwechslungsreiche und fantasievolle Staffage zwischen den namensgebenden Lindenbäumen an und stellte hier unter anderem Reiter, Familien beim Spaziergang, auf Bänken sich ausruhende Bürger, Kinder, lustwandelnde Paare, Hunde und schließlich einen Mann zusammen, der auf einer Leiter stehend ein Flugblatt oder ein Plakat an einem Baum befestigt. Alles wird einem sonnengelb leuchtenden Himmel überwölbt.
Von so viel Berlin auf einen Blick war schon Willy Brandt begeistert. Der ehemalige Regierende Bürgermeister der Stadt und spätere Bundeskanzler gehörte zu den Vorbesitzern dieses Gemäldes von Wilhelm Brücke, der mit Eduard Gaertner zu den bedeutendsten Architekturmalern Berlins im 19. Jahrhundert zählt. Nun ist sein Prachtboulevard „Unter den Linden“ in der Berlin Auktion bei Lempertz für 50.000 bis 60.000 Euro zu haben. Bei dieser Versteigerung hat das Auktionshaus aus seinen verschiedenen Sparten wieder alles zusammengetragen, was mit Berlin und Preußen zu tun hat, so auch die prachtvolle „Münchner Vase mit Berliner Ansichten“ von KPM aus dem Jahr 1830. Ihr Name rührt daher, dass die Form von Friedrich von Gärtner zuerst für die Münchner Manufaktur Nymphenburg entworfen und dann von der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin übernommen wurde. Dargestellt sind das Alte Museum und die Friedrichswerdersche Kirche und damit zwei Gebäude nach Entwürfen Karl Friedrich Schinkels, die erst im Entstehungsjahr der Vase vollendet wurden (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Auf königliches Geheiß
Überhaupt nimmt das Porzellan dem meisten Platz unter den knapp 250 Positionen der Auktion ein. Vieles rekrutiert sich aus Bestellungen der preußischen Herrscher, etwa ein Suppenteller mit bunten Blumen und Purpurmosaik (Taxe 1.400 bis 1.600 EUR), ein Speiseteller aus dem Tafelservice mit purpurnen und grünen Blumen (Taxe 1.000 bis 1.200 EUR), eine ovale Platte aus dem Service mit Früchten und Goldspitzenrand (Taxe 800 bis 1.000 EUR), eine Dessertschüssel im Modell Brühlscher Durchbruch (Taxe 1.000 bis 1.500 EUR) oder ein Paar Schüsseln aus einem Service mit natürlichen Blumen (Taxe 1.000 bis 1.200 EUR), die der Alte Fritz in den 1760er Jahren bei KPM, aber auch noch in der Meißner Manufaktur in Auftrag gab. Als Set liegen ein Messer und eine Gabel (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR), ein Paar Schüsseln und eine Wärmeglocke aus dem Tafelservice mit rotem Mosaikrand und indianischer Blume vor (Taxe je 4.000 bis 6.000 EUR), das Friedrich II. 1762 in Meißen bestellt hatte. Ob und wie der König das Service nutzte, ist bis heute nicht bekannt. 1781 verschenkte er es an seinen General Wichard von Möllendorff, nach dem das Service heute seinen Namen trägt. Die passenden zehn Speiseteller und die ovale Deckelterrine im „preussisch-musikalischem Dessin“ wurden allerdings erst zwischen 1918 und 1933 in Meißen produziert (Taxen 1.500 bis 2.000 EUR und 1.000 bis 1.500 EUR).
In die Meißner Porzellanmanufaktur weist zudem eine hohe Deckelvase mit plastischem Blumenbelag und turtelnden Kanarienvögeln. Das Modell taucht 1744 in Johann Joachim Kändlers Arbeitsbericht auf, die Bemalung ist wenige Jahre später vorgenommen worden (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Bevor KPM zum Zug kam, gründete der Berliner Kaufmann Wilhelm Caspar Wegely 1751 die erste Berliner Porzellanmanufaktur. Aus seiner Produktion stammt eine zweifigurige ungefasste Kindergruppe mit Vogelbauer (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR). Als König Friedrich II. 1756 zu Beginn des Siebenjährigen Krieges Sachsen besetzte, beschlagnahmte er auch die Meißener Porzellanmanufaktur. In der Folge wurde diese für Wegely zur tödlichen Konkurrenz, da der König kein Interesse mehr an einer zweiten Porzellanmanufaktur zeigte. Daher entschloss sich Wegely 1757, seine Manufaktur aufzulösen. Ein kurzes Intermezzo gelang dem Berliner Unternehmer Johann Ernst Gotzkowsky mit einer neuen Manufaktur zwischen 1761 und 1763, ehe sie danach in die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin überführt wurde. Der kurzen Gotzkowsky-Ära wird eine Tabatiere mit Figuren auf Landschaftsinseln für 1.500 bis 2.000 Euro zugeschrieben. Auf den ersten Blick ähnlich, aber doch aus dem Material Email sind die Tabaksdosen des Berliner Galanteriewarenhändlers Alexander Fromery, der unter anderem eine Dose mit feinen Flusslandschaften nach Vorlagen Francesco Zuccarellis en grisaille bemalt hat (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR) und auch für ein weiteres Exemplar mit Bataillen nach Georg Philipp Rugendas d.Ä. in Purpurcamaieu zuständig sein soll (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR).
Für den Prinzen Georg von Mecklenburg-Strelitz lieferte KPM um 1790 das Hofservice mit blauem Band und Blumengirlande. Daraus liegen ein Suppenteller für 2.000 bis 3.000 Euro und ein Dessertteller mit durchbrochener Fahne für 6.000 bis 8.000 Euro vor. Das Tafel- und Dessertservice „mit bunten natürlichen Feldblumen und kleinen Calitten nebst grünem bord und gantz vergoldeten Ornements“, gefertigt 1791 für den Prinzen Heinrich von Preußen, war für die Aufstellung in Schloss Rheinsberg vorgesehen. Einer der Speiseteller soll nun 1.200 bis 1.500 Euro einspielen. Teurer wird es bei der vergleichbaren Vase „fleurs en terrasse“ um 1795 mit hohen Bandhenkeln und umlaufend dekorierten Wiesenblumen und Rosen für 13.000 bis 15.000 Euro. In dieser Zeit produzierte KPM auch das Tafel- und Dessertservice Antique glatt „mit bunten natürlichen Vögeln auf Fruchtzweigen und kleinen Calitten, nebst Gold- und Purpur-Kante a la grecque No 63“ für das Schloss Pfaueninsel von König Friedrich Wilhelm II. Eine Schüssel mit zentralem Wiedehopf auf einem Pflaumenast, umschwirrt von fünf Faltern, soll 1.800 bis 2.400 Euro kosten.
Zugkraft Residenzstadt
Für weitere Einrichtungsgegenstände sorgen dann die in Bayreuth geborenen Brüder Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler, die sich 1765 in der Residenzstadt Potsdam niederließen und hier mit ihrem Schreinerhandwerk wesentlich zur Ausstattung des Neuen Palais im Stil des friderizianischen Rokoko betrugen. Aus dieser Zeit stammt auch ihr kleiner eleganter und doch funktionaler Beistelltisch aus Zedernholz und Palisander mit vergoldeten Messingbeschlägen (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Der ebenfalls in Potsdam beheimateten Werkstatt von Johann Michael Hoppenhaupt II wird ein stilverwandter vergoldeter Spiegel mit asymmetrischen C-Schwüngen und farbigen Blütenranken zugewiesen (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Schon in klassizistischer Ausführung arbeitete der Silberschmied August Ferdinand Gentzmer um 1800 ein Girandolenpaar mit Palmettfriesen und jeweils drei Tüllen (Taxe 4.500 bis 5.000 EUR). Sein Berliner Kollege Esajas Carl Hoffmann tat es ihm wenige Jahre später bei seinen beiden Kerzenleuchtern gleich, verwendete zur Zier aber Blumenfestons (Taxe 4.500 bis 4.800 EUR). Für die große Beleuchtung eines Zimmers ist dann eine prächtige Deckenkrone zuständig, die in den 1790er Jahren wohl in der kursächsischen Spiegelglasfabrik Friedrichsthal mit viel Glasbehang an den vergoldeten und versilberten Messingreifen fabriziert wurde (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).
Das Porzellan des frühen 19. Jahrhunderts steuert dann Waren aus der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Wien bei, darunter eine Kratervase mit Unterteller, die Franz Solnek 1807 mit exotischen Vögeln zwischen Pflanzenzweigen verziert hat (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), und Joseph Niggs Stillleben mit einem dichten Arrangement aus Gartenblumen in einem Korb von 1832 (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Als Blumenmaler war Gottfried Wilhelm Völcker bei KMP angestellt. Er schuf aber auch freie Arbeiten, etwa 1827 ein Stillleben mit Trauben, einem Apfel und Herbstblumen auf einer Steinplatte (Taxe 7.000 bis 10.000 EUR). Auch Eduard Gaertner begann seine Ausbildung 1814 als Porzellanmaler bei KPM, brachte es durch sein gleichzeitiges Akademiestudium im architektonischen Zeichnen zu einer Meisterschaft, die wegweisend für die Dekorgestaltung der Manufaktur wurde. In seiner Art wurde bei KPM um 1837/44 eine Vase mit zwei Veduten von Frankfurt an der Oder bemalt (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Für die Hochzeit von Georg II. von Sachsen-Meiningen mit Charlotte von Preußen produzierte KPM 1850 umfangreiches und reich dekoriertes Tafelservice mit Blumenmalerei und Golddekor. Elf Teile daraus liegen für 6.000 bis 8.000 Euro vor. Später macht sich die Manufaktur etwa noch mit einer von Julius Wilhelm Mantel modellierten, historistischen Prunkkanne von 1871 in Biskuitporzellan und sparsamer Vergoldung bemerkbar, die auf der Schauseite zentral eine Kartusche mit dem Profilkopf der Kaiserin Augusta unter der Kaiserkrone, gehalten von zwei schwebenden geflügelten Kindern mit Tuchdraperien, präsentiert (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR).
Der 1794 geborene Carl Joseph Begas ist der Stammvater einer mehrere Generationen umspannenden Künstlerdynastie, die die deutsche Kunst zwischen Romantik und Historismus prägte. Ob er auf seinem von einer melancholischen Stimmung umflorten Bildnis eines lorbeerbekränzten Mädchens als Muse Erato die Großfürstin Olga Nikolajewna Romanowa, die spätere Königin von Württemberg, portraitiert hat, wie es eine alte Inschrift auf dem Keilrahmen nahelegt, ist nicht gesichert (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Mit drei Zeichnungen tritt der Realist Adolph von Menzel an, darunter einer Skizze des Wallpavillons im Dresdner Zwinger (Taxe 18.000 bis 22.000 EUR). Ausdrucksstärker ist aber seine „Notiz zum Antiquar“, eine Vorstudie zu seiner Lithografie „Der Antiquar“ aus dem Jahr 1851, in der sich Menzel selbst portraitiert hat. Da ist sich die Fachwelt einig (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Zwischen Helgoland und Grunewald
Als einer der wichtigsten Exponenten der Berliner Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts gilt Emil Wolff. Von seiner Marmorfigur „Jugendlicher Satyr“, die er um 1850 in Rom schuf, wo er 1822 das Atelier von Rudolf Schadow übernommen hatte, gibt es laut Literatur drei Versionen. Eine ist heute verschollen, eine weitere aus britischem Adelsbesitz wurde vor einem Jahrzehnt bei Sotheby’s in London mit ihrem Pendant eines jugendlichen Herkules für zusammen 35.000 Pfund netto versteigert, die dritte kommt nun in der Berlin Auktion für 50.000 bis 70.000 Euro zum Aufruf. Eine weitere Überraschung bietet Walter Leistikow mit seiner von Urlaubsgästen gefüllten, sommerlichen „Strandpromenade von Helgoland“. Das impressionistische Gemälde aus seinem frühen Schaffen von 1892, das bereits von der zeitgenössischen Kritik mit Werken von Liebermann verglichen wurde, ist eine Wiederentdeckung und seit 1940 im Besitz einer nordrhein-westfälischen Familie beheimatet (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR). Charakteristischer wird es bei Leistikow mit zwei Ansichten des stillen menschenleeren Grunewaldsees in moderner flächiger Malweise, die ab 25.000 Euro respektive 30.000 Euro gelistet sind.
Aus dem frühen 20. Jahrhundert treten zudem Philipp Franck mit dem sonnenbeschienenen und voll erblühten „Rosengarten“ der Berliner Salonnière Cornelie Richter, der Tochter des Komponisten Giacomo Meyerbeer, in der Villenkolonie Alsen am Wannsee (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR), Max Slevogt mit der flüchtig hingestrichelten Verwechslungsszene von Titania und Zettel aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ von 1929 (Taxe 18.000 bis 22.000 EUR) und Dora Hitz mit ihrem intimen gefühlvollen Pastell „Mutter mit zwei Kinder“ an (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Als besten Beitrag der KPM zu den Geschirrformen des Jugendstils preist Lempertz das 1912 von Theodor Hermann Schmuz-Baudiss entworfene Tafelservice „Ceres“, das für sechs Personen bei 12.000 bis 15.000 Euro zu haben ist. Die Porzellanmanufaktur stellt zudem noch ein Kandelaberpaar mit den Halbakten eines Mannes und einer Frau zur Verfügung, bei dem sich Hans Latt im Jahr 1900 nicht so recht zwischen Naturalismus und Jugendstil entscheiden konnte (Taxe 7.000 bis 8.000 EUR). Ins monumentale Format hat Hans Hubert Dietzsch diesen Stilmix bei seiner Bronzefigur „Der Sonne entgegen“ gehoben. Der weibliche Akt, der seine Arme nach hinten wirft und sich nach oben reckt, entstand 1919 in einer Zeit, in der sich in Berlin der Naturismus und die Freikörperkultur zu verbreiten begann. Dieses Freiheitsgefühl macht Dietzsch in der freudig erregten Bewegung der nackten lebensgroßen Frau deutlich (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 21. Juni 11 Uhr in Berlin. Die Besichtigung ist noch bis zum 19. Juni täglich von 10 bis 17 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.lempertz.com. |