Toyin Ojih Odutola in Berlin  |  | in der Ausstellung „Toyin Ojih Odutola. U22 – Adijatu Straße“ | |
Im Hamburger Bahnhof in Berlin startet heute die erste museale Personale zum Schaffen von Toyin Ojih Odutola in Deutschland. Dafür hat die nigerianisch-amerikanische Künstlerin die fiktive U-Bahnlinie U22 eingerichtet, die am Bahnhof „Adijatu Straße“ endet. Das Design des Ausstellungsraums, das an eine U-Bahn-Station erinnert, verweist auf die Ursprünge des Museumsbaus als Kopfbahnhof des 19. Jahrhunderts und damit auf das Zusammenspiel von Bewegung und Geschichte. Benannt ist die Endhaltestelle nach Ojih Odutolas muslimischen Vornamen in der westafrikanischen Sprache der Yoruba. Damit bezieht sich die Künstlerin auf die nigerianische Tradition, in der Namen die Hoffnungen der Gemeinschaft und das Erbe der Vorfahren tragen. In diesem Setting mit Wartebänken und Fließen an der Wand präsentiert Ojih Odutola nun 25 Arbeiten mit Tinte, Zeichenkohle und Pastellkreide auf Papier und Leinwand, in denen die menschliche Figur im Mittelpunkt steht. Mit diesen Porträts konstruiert sie fiktionale Geschichten und Mythologien, untersucht soziale und politische Dynamiken und fordert die Betrachter*innen auf, Machtkonstellationen, Kolonialgeschichte und die Wahrnehmung afrikanischer Ausdrucksformen und sexueller Orientierung zu überdenken.
Untermalt wird die Schau von Tonaufnahmen ihres in Berlin lebenden Cousins, die in unregelmäßigen Abständen aus Lautsprechern an den Galeriewänden erklingen und An- und Abfahrten verkünden. Die Sprache nimmt auch in den Werken selbst eine wichtige Rolle ein. So verknüpft Ojih Odutola detaillierte Erzählungen mit den gemalten Figuren und integriert Texte in einige grafische Arbeiten wie „Every Inch“ von 2020. Die Titel ihrer Ausstellungen der vergangenen siebzehn Jahre sind in der Berliner Schau symbolisch durch die U22-Linie miteinander verbunden und legen damit den Fokus ihrer künstlerischen Praxis offen. Ihre Werke gehen der Frage nach, wie sich Erzählungen verändern, wenn sie sich durch verschiedene Orte bewegen und wie die Entwurzelung in der Fremde zu neuen Verbindungen führt. In „Balogun Market Vintage“ und „Agitated Accountant“ findet ein subtiler Blickaustausch statt: Der Junge auf dem belebten Markt in Lagos scheint zum Erwachsenen in der benachbarten Zeichnung hinüberzusehen. Und auch die Rahmung ihrer Arbeiten dient dem Herstellen von Bezügen: Im Diptychon „Fruitless Record-Keeping“ paart Ojih Odutola zwei einzelne Werke durch identische Rahmen miteinander.
Toyin Ojih Odutola wurde 1985 in Nigeria geboren. Sie studierte Kunst in Alabama und Kalifornien, schloss 2012 ihre künstlerische Ausbildung mit einem Master of Fine Arts ab und wurde im selben Jahr auf der Forbes Liste der 30 bemerkenswerten Persönlichkeiten im Bereich Kunst und Style gewürdigt. Ihre erste Einzelausstellung fand 2011 in der New Yorker Jack Shainman Gallery statt. Bekannt ist sie vor allem für ihre farbintensiven Gemälde und ihre Zeichnungen, die sich mit diversen Themen wie Kolonialismus, Identität und sozialer Ungleichheit befassen. Ihre Werke wurden bereits im Museum of the African Diaspora in San Francisco, im Whitney Museum of American Art in New York, im Barbican Center in London, im Kunsten Museum of Modern Art im dänischen Aalborg oder in der Kunsthalle Basel präsentiert. Außerdem war sie 2018 Teil der zwölften Manifesta in Palermo.
Die Ausstellung „Toyin Ojih Odutola. U22 – Adijatu Straße“ läuft vom 13. Juni bis zum 4. Januar 2026. Der Hamburger Bahnhof hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags erst ab 11 Uhr und donnerstags zusätzlich bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 16 Euro, ermäßigt 8 Euro. Für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ist der Besuch kostenlos. Am Eröffnungswochenende zwischen dem 13. und 15. Juni ist der Eintritt für alle frei.
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
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