Johan Grimonprez im ZKM  |  | Johan Grimonprez, All Memory Is Theft | |
Das ZKM in Karlsruhe widmet Johan Grimonprez die Retrospektive „All Memory is Theft“, die auch den für den diesjährigen Oscar nominierten Dokumentarfilm „Soundtrack to a Coup d’Etat“ des belgischen Film- und Medienkünstlers enthält. In der von Daniel Pies und Philipp Ziegler kuratierten Schau sind Filminstallationen, Kurz- und Langfilme, Video-Blogs, Storyboards, Fotografien und Zeichnungen zu sehen, die sie zusammen mit Archivmaterialien, Zitaten und Skizzen zu einem dichten Parcours verbunden haben. In seinen Arbeiten hinterfragt Grimonprez unsere kollektive Vorstellungskraft und analysiert ausgehend von einer Archäologie der aktuellen Medien, wie Angst den Raum des politischen und sozialen Dialogs infiziert hat. In einer Welt, in der sich Wahrheit und Fakten gegen Populismus und Fake News behaupten müssen, komponiert Grimonprez zugleich medienkritische und poetische Film-Essays.
Dazu kreiert der 1962 in Westflandern geborene Künstler aus Fragmenten von Fernsehnachrichten, Werbung, Kino- und Amateurfilmen sowie dem Internet neue Narrative. Diese stellen unser Verständnis von Wirklichkeit auf die Probe. Seine zentrale Frage lautet: „Wem gehört unsere Fantasie in einer Welt, in der die Existenz ins Wanken gerät und die Wahrheit als Schiffbrüchige umherirrt?“. Dabei bezieht sich Grimonprez auf den französischen Philosophen und Medientheoretiker Paul Virilio, der davon ausgeht, dass jede Technologie auch ihren eigenen Unfall hervorbringt. „Mit dem Schiff hat man den Schiffbruch erfunden, mit dem Fliegen den Flugzeugabsturz“, so Virilio. In seinen sowohl poetischen als auch politischen Filmen dekonstruiert Grimonprez die Bilderflut unserer Zeit, durchforstet Archive, montiert Geschichte(n) neu und hinterfragt, wie Medien unsere Wahrnehmung manipulieren.
Ein zentrales Werk der Ausstellung ist der Beitrag „Soundtrack to a Coup d’Etat“, der die Ermordung des kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba in den 1960er Jahren und die Rolle westlicher Kolonialmächte dabei kritisch beleuchtet. Das spezielle Augenmerk liegt auf dem Jazz als einem Instrument hegemonialer Machtpolitik wie auch als Ausdruck politischen Widerstands. Im Found-Footage-Film „dial H-I-S-T-O-R-Y“ zeigt der an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten in Gent, der New Yorker School of Visual Arts und der Jan van Eyck Academy ausgebildete Belgier, wie Flugzeugentführungen in den 1970er Jahren als politische Waffe den Nachrichtenjournalismus und das öffentliche Bewusstsein prägten. Mit diesem Werk gelang ihm 1997 auf der Documenta X der internationale Durchbruch.
Die Ausstellung „Johan Grimonprez. All Memory Is Theft“ ist bis zum 8. Februar 2026 zu sehen. Das Zentrum für Kunst und Medien hat mittwochs bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie am Wochenende ab 11 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 6 Euro, für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 17 Jahren 2,50 Euro. Jeden Freitag ab 14 Uhr ist er kostenlos.
ZKM – Zentrum für Kunst und Medien
Lorenzstraße 19
D-76135 Karlsruhe
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