 |  | Bamberger Burgenbuch: Conterfei etlicher Kriegshandlungen von 1523 bis in das 1527 Jar, nach 1527 | |
Weitreichende militante Konflikte erschütterten im Laufe der Jahrhunderte oft den europäischen Kontinent. Dazu kamen eher regional ausgeprägte aufrührerische Verwerfungen. Primär religiös motiviert war die maßgeblich vom Augustinermönch Martin Luther ausgelöste Reformation von 1517. In deren Sog entfachte sich wenig später im mittel- und südwestdeutschen Sprachraum der sogenannte „Bauernkrieg“. Geografisches Kerngebiet war das Dreieck zwischen Freiburg im Breisgau, Waldshut und Radolfzell. In Etappen weitete sich der Volksaufstand in den Jahren zwischen 1524 bis 1526 auf das Gebiet zwischen Goslar im Norden und Bozen im Süden, Straßburg im Westen und Zwickau im Osten als Flächenbrand aus. Diese Erhebung war eine regional verortete, zersplitterte, sozial beflügelte und unterschiedlich prägnante Revolte, die sich vorrangig gegen die Ständeordnung richtete, auch wenn maßgebliche Hauptakteure Kleriker waren. Zwar trugen seinerzeit Bauern die Hauptlast zum Fortbestand der Feudalgesellschaft über die von ihnen zu leistenden Abgaben und Dienste. Doch auch Städter, Bergleute oder ärmere Schichten waren wesentlich an den gewaltsamen Konflikten beteiligt, für die sich die Bezeichnung „Bauernkrieg“ verfestigte, auch wenn es weder Friedensschlüsse noch Kriegserklärungen, noch größere Schlachten, lediglich lokal verortete blutige Gefechte wie etwa in Leipheim, Ostheim, Memmingen, Böblingen oder Frankenhausen gab.
Bedauerlicherweise betrachtet keine große zentrale Schau die Ereignisse von damals. Dafür widmen sich regionale Darstellungen etwa in Bad Schussenried, Memmingen, Halle/Saale, Würzburg, Stuttgart, Bad Frankenhausen und insbesondere Mühlhausen diesem Themenkomplex. In der Stadt von Thomas Müntzer, einer der Leitfiguren des Aufstandes in Thüringen, verteilen sich rund 400 Exponate von über 80 Leihgebern auf drei Standorte unter dem Titel „freiheyt“. In der imposanten fünfschiffigen Marienkirche, in der Müntzer als Pfarrer wirkte, stehen soziale Strukturen der ländlichen Gesellschaft und mit den Jahreszeiten verbundene Tätigkeiten im Fokus. Speziell diese führten häufig zu wirtschaftlichen Härten, die die Forderungen nach gerechteren Strukturen auslösten. Recht anschaulich führen zwei 530 Jahre alte Lindenholzfiguren des Bildhauers Jacob Russ bäuerliche Tätigkeiten wie Säen, Graben oder Ernten als Allegorien der Jahreszeiten vor Augen, während kostbare Stangengläser oder Nuppenbecher sich nur wenige begüterte Leute leisten konnten und atypisch für einen normalen Haushalt waren.
Dem Bergbau ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Arbeitsgerätschaften verdeutlichen den enormen technischen Aufwand und die harten Arbeitsbedingungen der Bergleute, die einen eigenen Stand bildeten und wegen schlechter Bezahlung immer wieder Streiks und Zerwürfnisse provozierten. Ersparnisse wurden in Gefäßen mit dem Aussehen eines Schweins gesammelt. Der älteste Fund eines Sparschweins aus dem 13. Jahrhundert fand sich im thüringischen Billeben. Den Jahreslauf ordneten damals kirchliche Fest- und Gedenktage. Glockengeläut regelte den Tagesablauf. Die Pfarrkirche war Zentrum des Lebens. Unter den liturgischen Gerätschaften zählt das um 1330 entstandene Mühlhausener Reliquienkreuz zu den bedeutendsten Stücken der Goldschmiedekunst in Thüringen. Hinter den Edelsteinen wurden Reliquien eingearbeitet, die damals wertvoller angesehen wurden als ihr kostbares Behältnis.
In der Kornmarktkirche stehen Geschehnisse des „Bauernkriegs“ in Verbindung mit ausgewählten bekannten und weniger namhaften Persönlichkeiten in der Form von Gemälden, Drucken und Objekten im Mittelpunkt. Der junge Buchdruck mit beweglichen Lettern ermöglichte es, in der Sprache des Volkes rasch neue Polemiken oder Forderungskataloge wie die 1525 in Memmingen verfassten „Zwölf Artikel der Bauernschaft“ als Flugschriften zu verbreiten. Martin Luther reagierte in einer Schrift im Typendruck auf die „Zwölf Artikel“ mit Verständnis, kritisierte jedoch die Argumentation entlang des Evangeliums und appellierte an beide Seiten, sich gütlich zu einigen. Auch sein Schreibkasten ist hier zu sehen. Angeheizt wurde der Aufstand von konvertierten Priestern wie Thomas Müntzer, der sich radikalisierte.
Wie eindrucksvoll in der Kunst die Kritik an der religiösen Praxis zum Ausdruck kommen kann, zeigt die elfenbeinerne Figur eines Bischofs im Ornat, in dessen Innerem eine weibliche Aktfigur eingelassen ist. Mit der Aussage, des Bischofs Kern sei die Sünde, verspottete der unbekannte Künstler um 1575 den Klerus. Die „Eiserne Hand“ des Götz von Berlichingen ruft die zwielichtige Rolle des Odenwälder Reichsritters in Erinnerung, der mit mehreren tausend Personen die fürstbischöfliche Festung Marienberg über Würzburg belagerte, die aber standhielt. Götz von Berlichingen und die mit den Aufständischen verbundene Stadt Würzburg erlitten eine Niederlage. Der Ritter wurde in Haft genommen, die Mitglieder des Stadtrates, darunter auch der Bildschnitzer Tilman Riemenschneider, mussten harte Strafen erdulden. Heiligen- und Marienfiguren von ihm und seiner Werkstatt werfen einen Blick auf sein Werk. Spieße, Partisanen, Hellebarden und andere Stangenwaffen verdeutlichen die Ausrüstung der bäuerlichen Kämpfer, die allerdings im Ergebnis nichts gegen die professionell agierenden fürstlichen Streitmächte ausrichten konnten.
Im dritten Teil im Kulturhistorischen Museum kann man das verzierte Schwert Thomas Müntzers betrachten. Er war als begnadeter scharfzüngiger Agitator bekannt, der mit seinen Predigten zur Gewalt anstachelte, selber aber nie aktiv ins Kampfgeschehen eingriff. Deutung und Erinnerung bilden das Thema in dieser Station mit Plakaten, Bildnissen, Filmen oder Druckwerken. Dazu gehören etwa das älteste bekannte Bildnis von Müntzer, ideologische Interpretationen des Bauernkriegs zur Zeit der DDR, die Müntzer auf dem Fünf-Mark-Schein verewigte, und das vergleichsweise geringe Interesse an den Ereignissen in der Bundesrepublik. Auch die Künste nahmen sich dieses Themas an. Zu sehen sind ein vorbereitendes Modellbild von Werner Tübkes großem Panoramagemälde in Bad Frankenhausen oder Albrecht Dürers schon unmittelbar nach den Aufständen Ende 1525 veröffentliche Studie zu einem Denkmal für den Sieg über die Bauern. Als das Jubiläum nun nahte, entschlossen sich einige Initiativen, den Entwurf für 250.000 Euro endlich in Mühlhausen auszuführen. Anfang April 2025 konnte die Säule vor der Kornmarktkirche aufgestellt werden: Auf einem Butterfass steht ein Milchkrug mit einer aufgesetzten Getreidegarbe samt Erntewerkzeugen und Hühnerkäfig, auf dem ein vom Schwert durchbohrter Bauer sitzt, ähnlich wie mittelalterliche Christusdarstellungen den Kopf auf die Hand stützend.
1975 erhielt Mühlhausen den amtlichen, erst 1991 wieder gelöschten Beinamen „Thomas-Müntzer-Stadt“, was wie zahlreiche weitere Denkmale auf die enge Verbundenheit des Ortes mit dem Theologen verweist. Bereits vor dem Inneren Frauentor begrüßt die Besucher*innen der Stadt das freistehende Denkmal des radikalen Reformators und Predigers in der Form einer überlebensgroßen, vom Bildhauer Will Lammert um 1956 geschaffenen Staue aus lokalem Travertin. Von hier aus zog Müntzer am 10. Mai 1525 nach Frankenhausen, wo am 15. Mai der berühmte Waffengang auf dem Hausberg stattfand, bei dem innerhalb weniger Stunden auf Seiten der Bauern mindestens 6.000 Leute fielen, auf Fürstenseite dagegen nur sechs Tote gezählt wurden. Der vernichtenden Schlacht bei Frankenhausen setzte der Maler Werner Tübke mit seinem riesigen Rundgemälde im Panorama Museum vor Ort ein signifikantes Denkmal. Das Werk zeigt, wie sehr der Bauernkrieg Anknüpfungspunkte an politisch-sozialistische Vorstellungen bot, und sollte suggerieren, dass damalige Ideen nun endlich in der DDR realisiert wurden. Vollendet kurz vor der Wende im Jahr 1989, entwarf Tübke nicht wie vom Auftraggeber intendiert ein heroisches Propagandabild, sondern das szenenreiche künstlerisches Schaubild „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“.
Tübkes Welttheater auf 14 Meter Höhe und 123 Metern Länge geht weit über den Bauernkrieg hinaus und behandelt Grundthemen der Menschheit, wie Fragen nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Glauben und gesellschaftlicher Ordnung. Basierend auf einen Kupferstich mit dem Titel „Der Welt Lauf“ des Nürnberger Meisters Barthel Beham, dessen Sujet Tübke in seinem Opus Magnum zitierte, bietet eine Sonderschau unter selbigem Titel Einblicke in die Quellen, die Tübke für sein Panoramagemälde nutzte. Sorgfältig von Museumsdirektor Gerd Lindner recherchiert, belegen die 128 Exponate in sechs Abschnitten teils evident die Hinweise auf Tübkes Vorbilder. Neben 66 Originalen legen Reproduktionen und Faksimiles etwa von Werken Albrecht Dürers, Lucas Cranachs, Hieronymus Boschs, Pieter Bruegels d.Ä. oder Hans Memlings die im Panoramagemälde implantierten Ideen. „Der Welt Lauf“ in „freiheyt“, zwei Titel und zwei Wünsche, die heute aktueller wohl nicht sein könnten.
Die Ausstellung „Der Welt Lauf“ ist bis zum 17. August zu besichtigen. Das Panorama Museum in Bad Frankenhausen hat täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 9,50 Euro, ermäßigt 8,50 Euro, für Kinder von 6 bis 16 Jahren 4 Euro.
Panorama Museum
Am Schlachtberg 9
D-06567 Bad Frankenhausen
Telefon: +49 (0)34671 – 61 90
Die Ausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“ läuft in den Mühlhäuser Museen bis zum 19. Oktober und hat täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 17 Euro, ermäßigt 13 Euro, für Kinder von 4 bis 14 Jahren 6 Euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der im Museum 14,95 Euro kostet. |