Baukunstarchiv NRW ehrt Werner Ruhnau  |  | in der Ausstellung „Werner Ruhnau. Bauen für eine offene Gesellschaft“ | |
Allein der Ausstellungstitel „Bauen für eine offene Gesellschaft“ verrät bereits, dass der primär als Architekt bekannte Werner Ruhnau weit mehr war als nur ein Baumeister. Weit schaute er über die Grenzen seines Fachs hinaus und wirkte auch als Stadtplaner, Arrangeur künstlerischer Interventionen oder als sozial- wie gesellschaftspolitischer Akteur. „Er hatte einfach Mut, er war frech“ betonte sein Sohn, der Architekt Georg Ruhnau auf der Eröffnungsveranstaltung einer großen Werkschau im Dortmunder Baukunstarchiv NRW.
Eigentlich war beabsichtigt, zum 100. Geburtstag des 1922 in Königsberg geborenen und 2015 in Essen verstorbenen Vordenkers und Visionärs eine monografische Schau zu arrangieren; doch die Covid-19-Pandemie machte die Planungen zunichte. Zuletzt wurde Ruhnaus Werkschaffen in seinem wohl bekanntesten Kernwerk, dem Gelsenkirchener Musiktheater, in einer vom damaligen Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW M:AI arrangierten Schau im Jahr 2007 vorgestellt. Zwischenzeitlich wurde der Nachlass dem Baukunstarchiv übereignet und gehört hier zu den größeren Beständen, der sich speziell durch großformatige, voluminöse Modelle auszeichnet. Über ein Dutzend Modelle, ferner Pläne und Grafiken, Fotografien, Schriften sowie weitere Dokumente geben nun im Lichthof des ehemaligen Landesoberbergamtes frische Einblicke auf seine Projekte, nicht ohne Bezüge zur heutigen Zeit anzudeuten.
Am Beginn von Ruhnaus Karriere steht das im kollegialen Team realisierte Theater in Münster. Freiere Formen, Abkehr von Wucht und Geschlossenheit, Transparenz sowie die Konzeption einer Doppelanlage aus großem und kleinem Haus, in dem künstlerische Experimente möglich waren, zeichnen den 1956 eröffneten und 1971 um das „kleine Haus“ erweiterten Bau aus. Hinzu kommt die kongeniale Zusammenarbeit mit Künstlern, die beim 1959 eröffneten Gelsenkirchener Theater ihren Höhepunkt erzielte. Norbert Kricke, Jean Tinguely, Yves Klein, Karl Hartung, Robert Adams und Paul Dierkes konnten in dem Bau Werke realisieren, der im Rahmen eines „Floating Space“ fließende Übergänge zwischen Innen und Außen bietet. Vom Gedanken der Demokratisierung des Theaters getragen ist ebenso die innovative Bühnenkonzeption, die die Trennung zwischen Schauspiel und Publikum überwindet.
Neben dem Theater widmete sich Werner Ruhnau etlichen anderen Bauaufgaben. So plante er das neue Rathaus in Neubeckum, das Büro- und Sozialgebäude der Firma Herta in Herten, private Wohnhäuser oder Siedlungen. Hinzu kommen zahlreiche Wettbewerbsteilnahmen. Weniger als Architekt, dafür umso mehr als Regisseur trat Ruhnau bei der Planung der Spielstraße im Rahmen der Olympischen Spiele in München 1972 in Erscheinung. Auf 800 Meter Länge verteilte er 30 Bühnen um ein „Theatron“ als Herzstück für Kunst für alle. Besonders dieses Projekt verdeutlicht den bei Ruhnau stets relevanten Spielgedanken und sein Grenzgängertum in der Nutzung vorhandener, offener Bühnen, für die er Künstler und Akteure gewann. Das Typische an Ruhnaus Schaffen ist das Streben nach prozessual-partizipatorischem Bauen, interdisziplinärer Zusammenarbeit, eine Vorliebe für offene Begegnungsräume, ein Festhalten an menschlichem Maß und unter dem Eindruck seiner Erfahrungen in Diktatur und Krieg das Bestreben, offene, variable, dialogisch ausgerichtete Gegenentwürfe zum damals überwiegenden Zeitgeist zu schaffen.
Die Ausstellung „Werner Ruhnau. Bauen für eine offene Gesellschaft“ ist bis zum 27. Juli zu besichtigen. Das Baukunstarchiv NRW hat dienstags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Verlag Kettler erschienen, der im Archiv 34 Euro kostet.
Baukunstarchiv NRW
Ostwall 7
D-44135 Dortmund
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