Der Kugelist Hans Ticha in Quedlinburg  |  | Hans Ticha, Der Klatscher, 1983 | |
Das Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg widmet dem Maler, Grafiker und Buchillustrator Hans Ticha die Schau „Kugel. Kegel. Körperkult“. Anlass ist der 85. Geburtstag des am 2. September 1940 im böhmischen Bodenbach geborenen Absolventen der Kunsthochschule Weißensee, der zu den prägenden Gestalten der Nachkriegskunst in der DDR zählt. Sein Stil ist zwischen Pop Art und Konstruktivismus zu verorten, ergänzend kommen eine grafische Strenge, eine starke Farbigkeit und eine charakteristische Formensprache hinzu. Seine überzeichneten, oft kugelrunden Figuren zeigen eine ironische Bildwelt, die sich kritisch mit Gesellschaft, Politik und Ideologien auseinandersetzt. Tichas Kunst spielt mit der Ästhetik der Massenkultur und karikiert gleichzeitig die Uniformität der Moderne.
Hans Ticha ist vor allem durch seine Grafiken für Buchillustrationen bekannt. Er gestaltete über 100 Bücher, darunter Werke von Bertolt Brecht, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Mascha Kaléko wie auch Schul- und Kinderbücher. Seine Bildsprache orientiert sich unter anderem am Bauhauskünstler Oskar Schlemmer, am Konstruktivisten El Lissitzky wie auch an Fernand Léger. Dies zeigt sich etwa in der Serie der Schlagersängerinnen im 2016 gemalten „Love“. Das Echo von Léger ist erkennbar, jedoch überformt und in Tichas eigene Stilsprache verwandelt: Übergroße Hände, der geöffnete Mund bildet quasi den Kopf und steht in deutlichem Kontrast zum vereinfachten langen blondem Haar der barbusigen Sängerin. Anders präsentiert sich das vorwiegend in Grau gehaltene Gemälde „Maschine“ von 1985 mit einem gelben Kopf und einer Lampe vor den Rädern eines Industriemolochs.
Tichas Vorliebe für die Kugel in seinen Gestalten führte zu seinem Beinamen „Kugelist“, was besonders eindrücklich in dem Werk „Der Klatscher“ von 1983 wird. Leib und klatschende Hände sind der Kugelform eingeschrieben, darüber schwebt vor schwarzem Hintergrund eine kleinere rote Kugel als Kopf. Das Werk ist ein ironischer Verweis auf die Claqueure im sozialistischen Staat. Ticha, der seit 1970 in Ost-Berlin als freier Künstler arbeitete, spielte in seinem Schaffen auch mit den Symbolen des Sozialismus und hinterfragte unterschwellig dessen Ästhetik und Ideologie. Daher wurde er von der Stasi bespitzelt.
Nach der Wende wurde sein Werk auch im Westen zunehmend geschätzt und durch Museen, etwa die Berlinische Galerie oder das Städel Museum in Frankfurt, erworben. Tichas klaren Linien, die leuchtenden Farben und die spielerische Ironie machen ihn zu einem bedeutenden Vertreter der deutschen Pop Art. So waren seine Werke unter anderem 1990 auf der Biennale in Venedig, 1977/1978 und 1982/1983 auf der Kunstausstellung der DDR, im Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum in Rheinsberg und im Museum für Druckkunst in Leipzig zu sehen.
Die Ausstellung „Hans Ticha. Kugel. Kegel. Körperkult“ läuft bis zum 8. September. Das Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg hat mittwochs bis montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 9 Euro, ermäßigt 6 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren ist der Besuch kostenlos. Der begleitende Katalog aus dem Sandstein Verlag kostet im Museum 38 Euro.
Museum Lyonel Feininger
Schlossberg 11
D-06484 Quedlinburg
Telefon: +49 (0)3946 – 689 593 80 |