 |  | auf der Art Düsseldorf 2025 | |
Am Sonntag ist die siebte Ausgabe der Art Düsseldorf zu Ende gegangen. Mit einer Gästezahl von rund 20.000 konnte das Niveau der Vorjahre stabil gehalten werden. „Die Art Düsseldorf ist jetzt auf dem Radar der Sammlerwelt – nicht nur regional, sondern deutschlandweit und international. Die Zahl der internationalen Sammler*innen, die das umfangreiche VIP-Programm und die Messe 2025 genossen haben, stieg im Vergleich zum Vorjahr sogar um 40 Prozent“, teilte die Art Düsseldorf in ihrem Abschlussbericht mit. 108 Galerien haben an der Messe teilgenommen, davon allein 34 Galerien aus dem Rheinland. 33 Erstteilnehmer sind in diesem Jahr nach Düsseldorf gereist. Mit 32 Teilnehmern, die ihren Standort außerhalb von Deutschland haben, waren auch Staaten wie Österreich, Japan, Südkorea, Frankreich, Belgien oder Spanien auf der Art Düsseldorf gut repräsentiert.
Die neben der Art Cologne derzeit zweitwichtigste deutsche Kunstmesse findet auf dem im Norden der Stadt gelegenen Böhler Areal in zwei ehemaligen Industriehallen statt, die aufgrund des vorhandenen Tageslichts und des sensiblen Umbaus äußerst beliebt bei Ausstellern und Besucher*innen sind. Patina und Modernität geben sich hier die Hand. Rund 500 deutsche und internationale Sammler*innen hatten ihren Besuch auf der Art Düsseldorf zugesagt. Mit der Beteiligung internationaler Key Player wie Krinzinger aus Wien, Mennour aus Paris oder der New Yorker Pace Gallery, die im Mai auch einen Standort in Berlin eröffnet, stößt man in Düsseldorf so langsam auch in die internationale Topliga vor.
Als Besonderheit der Art Düsseldorf heben etliche der ausstellenden Galerien in ihren Abschlussstatements nicht nur die hohe Anzahl bedeutender Privatsammlungen im Rheinland hervor, sondern auch die Präsenz etlicher halböffentlicher Sammlungen und die hohe Museumsdichte. So betont die Düsseldorfer Galerie Sies + Höke: „Die starke Sammlerschaft hierzulande ist einfach das große Kapital der Messe, allen voran die Freundeskreise der Museen. Ihr Ankäufe sind klare Statements, sie stehen voll und ganz hinter dieser Messe und engagieren sich mit viel Kunst- und Kauflust gemeinsam für den Standort.“
Auffallend war aber, dass einige der etablierten Düsseldorfer Galerien wie etwa Kadel Willborn, Cosar oder Petra Rinck in diesem Jahr auf eine Messeteilnahme verzichtet haben. Stattdessen setzten sie auf die Düsseldorfer „Gallery Night“, die am Freitagabend zahlreiche Kunstinteressierte in den an Galerien reichen Stadtteil Flingern lockte. Regelmäßiger Teilnehmer auf der Art Düsseldorf ist der in Flingern ansässige Galerist Rupert Pfab. Er zeigte unter anderem Textarbeiten der als Bildhauerin, Performance- und Installationskünstlerin tätigen Düsseldorferin Julia Bünnagel. Überwiegend aus Songtexten entnommene Sätze wie „Think for Yourself and Question Authority“ lassen erahnen, dass die Künstlerin auch als DJane tätig ist. Daneben waren bei Pfab abstrakte Gemälde von Sophie Heinrich, ebenfalls einer Absolventin der Düsseldorfer Akademie, im Angebot. Markante geometrische Elemente wie spitz zulaufende Dreiecksformen wechseln sich auf ihren Bildern mit zarten, nahezu ephemeren Pinselspuren und großen unbemalten Leinwandpartien ab. Dabei kombiniert sie häufig mehrere Leinwände zu größeren Tableaus.
Die Düsseldorfer Galerie Sies + Höke hatte unter anderem eine großformatige Arbeit des Berliner Künstlers Julius von Bismarck aus seiner aktuellen Serie „OOOSB“ mit auf die Messe gebracht. Als Bildträger benutzt der Künstler hier sogenannte Grobspanplatten, wie sie im Trockenbau verwendet werden. Mit Hilfe einer industriellen Presse bringt er auf diese Platten verschiedene Materialien wie ausgestopfte Tiere, Federn, Insekten, Pflanzen und Zivilisationsreste auf. Was Bismarck bei diesen mechanischen Einbettungsprozessen evoziert, ist eine Art Archäologie der Gegenwart nicht ohne kunsthistorische Referenzen, etwa bei seiner Arbeit „Ontic Spectral Betrayal“. So verweist das Fragment eines Etiketts der in Nordamerika beliebten Mineralwassermarke „Poland Spring“ auf Landschaftsmalerei, und eine platt gepresste Brieftaube samt Plastikring scheint an die Tradition flämischer Jagdstillleben des 17. Jahrhunderts anzuknüpfen. Gleichzeitig scheinen aber auch Bezüge zur Fluxus-Bewegung und den Materialbildern von Dieter Roth auf.
Die Galerie Sperling aus München war in diesem Jahr in der neu eingerichteten Sektion „Paper“ vertreten. Johannes Sperling machte unter anderem auf Arbeiten des 1989 geborenen Wieners Wolfgang Matuschek aufmerksam. Man merkt den eher klein- und mittelformatigen Blättern an, dass der Künstler zunächst ein Architekturstudium abgeschlossen hat, bevor er dann Kunst studierte. An einem großen Zeichentisch, wie er in der vordigitalen Zeit noch in jedem Architekturbüro zu finden war, fertigt Matuschek mit selbst gemischten Tinten verwirrende Raumgebilde. Seine monochromen Zeichnungen setzen sich aus Gittern, Rastern, Architektur- und Comicelementen zusammen. Immer wieder tauchen offenstehende Schubladen auf. Schleifenbänder und Kurvaturen strukturieren die Kompositionen und schaffen so eine Vielzahl sich überlagernder Einblicke und Sichtachsen.
Schräg gegenüber konzentrierte sich die auf Fotografie spezialisierte Robert Morat Galerie aus Berlin in einer Solopräsentation auf das schweizerische Duo Lena Amuat und Zoë Meyer. Die beiden in Zürich und Berlin lebenden Künstlerinnen haben in den vergangenen 15 Jahren für ihre Stilllebenserie mit dem Titel „Artefakte und Modelle“ in ganz Europa die Archive von Universitäten und Naturkundemuseen besucht und ausgewählte wissenschaftliche Exponate in ihrem zum mobilen Fotostudio umgebauten Transporter direkt vor Ort vor farbigen Papierhintergründen analog fotografiert. Dahinter steckt unter anderem die Frage: Welches Bild macht sich der Wissenschaftsbetrieb von der Realwelt? Angaben über die genaue Herkunft und den Zweck der jeweiligen Modelle machen sie jedoch nicht, so dass die Betrachter*innen aufgefordert sind, über Sinn und Bedeutung der Objekte eigene Theorien zu entwickeln. Besonders ins Auge fallen ihre Arbeiten aus der Serie „Verlorene Sammlung“. Für diese großformatigen Fotografien haben Amuat und Meyer Karteikarten aus dem Naturkundemuseum zu Berlin eingescannt. Da die darauf einst abgebildeten Sammlungsgegenstände aber im Laufe der Jahre verloren gegangen sind, haben die Künstlerinnen die Abbildungen mit der Schere entfernt. Zu sehen sind also nur die Leerstellen, die vom unwiederbringlichen Verlust anonymer Sammlungsobjekte zeugen.
Ebenfalls mit Archiven agiert die 1982 in Helsinki geborene Finnin Milja Laurila in ihrer aktuellen Serie „Interiors“, die von der Berliner Galerie Persons Projects vorgestellt wurde. Ausgangspunkt ihrer fotografischen Collagen sind Rückenansichten unbekleideter Patientinnen, die sie in medizinischen Lehrbüchern aus dem frühen 20. Jahrhundert gefunden hat. Wie Galerist Timothy Persons berichtet, war es beispielsweise in französischen Kliniken üblich, Patientinnen komplett nackt zu fotografieren. Milja Laurila gibt den anonymen Frauenporträts einen Teil ihrer Würde zurück, indem sie deren Aufnahmen mit Bildern von emotional besetzten Orten und Ereignissen aus ihrem eigenen Leben verschränkt. So entstehen vielschichtige Narrative, die Vergangenes mit Gegenwärtigem und Anonymität mit subjektiven Erinnerungen verbinden.
Galerist Timothy Persons hat eine aktuelle Entwicklung auf dem Kunstmarkt beobachtet: „Der Trend geht zu Fotografie mit Unikatcharakter“, sagt er. „Vielen Sammlern ist das Medium Malerei zu teuer geworden. Sie wissen Arbeiten beispielsweise von Milja Laurila oder Nanna Hänninen zu schätzen.“ Beide Künstlerinnen nutzen Einzelfotos, die sie individuell mit Techniken der Malerei und der Collage erweitern. So versieht Nanna Hänninen Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus amerikanischen Nationalparks und Wüsten in ihrer Serie „Painted Desert“ mit minimalen malerischen Interventionen, die beispielsweise Phänomene wie das Aufblühen einer Blumenwiese oder einen Sternenhimmel andeuten.
Mehreren Werken des gerade erst ins Galerieprogramm aufgenommenen Prateek Vijan bot die Hamburger Produzentengalerie eine Plattform. Vijan wurde vor wenigen Tagen vom Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft mit dem renommierten Ars Viva-Preis geehrt. Der 1991 in Neu-Delhi geborene Künstler, dem der Kunstverein in Hamburg aktuell eine Einzelausstellung widmet, hat seinen Studienabschluss an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg gemacht. In mehrjährigen Langzeitprojekten beschäftigt er sich mit Fragen der Rückführung geraubter Kulturgüter und anderen kolonialgeschichtlichen Aspekten. Im Angebot waren eine Edelstahl-Kühlschranktür, die Vijan mit den Techniken Transferdruck und Handgravur zu einem ungewöhnlichen Bildträger umfunktioniert hat, sowie ein roter Leuchtkasten in Form eines Dietrichs, eines Schlüssels also, mit dem theoretisch unerlaubt Museumstüren geöffnet werden könnten, um etwa Raubkunst in ihre Herkunftsländer zurückzuführen.
Mit einem anspruchsvollen, von renommierten Journalist*innen moderierten Talk- und Panel-Programm unter Beteiligung von Künstler*innen, Kurator*innen, Kunst- und Medienwissenschaftler*innen konnte die Art Düsseldorf in diesem Jahr punkten. Den Abschluss am Samstagabend bildete dann die Verleihung des AICA-Preises für junge Kunstkritik an Anne Küper und Alicja Schindler. Auch was den inhaltlichen Diskurs angeht, sind die Düsseldorfer den Kölnern also durchaus auf den Fersen. |