Katharina Trudzinski trifft in Bietigheim-Bissingen auf Paul Reichle  |  | Paul Reichle, Wunderland, 1953 | |
Seit dem Wochenende zeigt die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Arbeiten von Paul Reichle und Katharina Trudzinski in zwei separaten Ausstellungen, die sich dennoch aufeinander beziehen. Anlass für die Retrospektive zu Reichle ist der 125. Geburtstag des Bauhaus-Künstlers. Seine Auseinandersetzung mit Paul Klee und Wassily Kandinsky, später mit der Ecole de Paris und seine Freundschaft mit Willi Baumeister führten ihn zu einer spielerisch-abstrakten Art der Bildfindung. Zunächst entwickelte Reichle auf geometrischen Prinzipien beruhende Kompositionen, während seines Studiums am Bauhaus 1924 etwa eine „Kreis-Dreieck-Komposition“ aus Aquarell- und Deckfarben, die seine Qualitäten als Kolorist offenlegt. In seiner „Figürlichen Komposition II“ von 1948 und seinem Gemälde „Wunderland“ von 1953 lassen sich die Formen noch vom Gegenstand ableiten, sind aber auch durch eine gestische Malweise geprägt. In späteren Werken wie dem „Stillleben“ von 1971 lässt sich der figurative Kern kaum noch erahnen.
Über diese abstrakten, teils geometrischen Werke stellt die Städtische Galerie eine Verbindung zu Katharina Trudzinski her, die in ihren Gemälden, Zeichnungen, Reliefs und Skulpturen ebenfalls ungegenständlich agiert. Ihre Formsprache drückt sich in geometrischen und amorphen Bildgegenständen aus, etwa in der schablonenartig zusammengesetzten und mit Acrylfarbe in Grautönen gefassten Holzskulptur „A groupe of young sculptures“ von 2024/25. In den Buntstiftzeichnungen ihrer Serie „Small works on paper“ von 2022 geben sich schwebende Formen mit Karo- und Streifenmustern ein fröhliches Stelldichein. Über die plane Bildfläche geht die Künstlerin hinaus, wenn sie in kräftigen Farben bemalte Holzgebilde zu Reliefs arrangiert und sie im öffentlichen Raum humorvoll an ungewöhnlichen Orten wie Fahrradständern und Parkbänken appliziert.
Paul Reichle kam 1900 in Stuttgart zur Welt und studierte nach dem Abschluss einer Malerlehre an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart und zwischen 1924 und 1925 am Bauhaus in Weimar. 1927 holte ihn Willi Baumeister ins Atelier der Stuttgarter Werkbundausstellung. Von 1935 bis 1965 war Reichle bei den Deutschen Linoleumwerken als Kolorist und Farbberater beschäftigt. Nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit steigerte sich seine künstlerische Produktivität nochmals, so dass bis zu seinem Tod 1981 der Großteil seiner Kreidezeichnungen und insgesamt über 700 Gemälde entstanden. Katharina Trudzinski, geboren 1977 in Aachen, studierte von 1998 bis 2004 Industrie- und Textildesigns an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und absolvierte 2005/06 ein Aufbaustudium bildende Kunst bei Andreas Slominski. Seit 2009 lebt und arbeitet sie in Berlin. Ihre Werke waren unter anderem in Berlin, Hamburg, Pinneberg oder in Wilhelmshaven zu sehen.
Die Ausstellungen „Paul Reichle zum 125. Geburtstag – Vom Bauhaus nach Bietigheim“ und „Katharina Trudzinski – Slalom“ laufen bis zum 6. Juli. Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen hat dienstags, mittwochs und freitags zwischen 14 und 18 Uhr, donnerstags von 14 bis 20 Uhr und am Wochenende und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenlos.
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen
Hauptstraße 60-64
D-74321 Bietigheim-Bissingen
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