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Aktuellzum Archiv:Ausstellung

Das MAK in Wien breitet den üppig wuchernden und wundersamen Kosmos von Dagobert Peche aus und sucht nach seinem Widerhall in der Gegenwart

Österreichs größtes Genie des Ornaments



in der Ausstellung „Peche Pop – Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart“

in der Ausstellung „Peche Pop – Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart“

Die eigenen Sammlungsbestände zeitgenössisch zu kontextualisieren, das ist dem MAK – Museum für Angewandte Kunst in Wien mit Ausstellungen wie „The Fest“, „Falten“ oder „Showroom Wiener Werkstätte“ bereits mehrfach überzeugend gelungen. Ein aktuelles Bravourstück ist die Schau „Peche Pop“, die das Œuvre von Dagobert Peche vorstellt und die Nachwirkung seiner Entwürfe im Jetzt befragt. Anders als vor 27 Jahren, als das MAK den fantasiebegabten Künstler erstmals präsentierte, liegt der Schwerpunkt jetzt nicht allein auf einer reichhaltigen Werksschau. Ansatzpunkt ist vielmehr das Heute: Wie Peches beachtliche und dabei visionäre Produktivität inspirierte – innerhalb der Wiener Werkstätte und bis in die Gegenwart.


Im Vergleich zu Josef Hoffmann und Koloman Moser wurde der im österreichischen Lungau geborene Vertreter der Wiener Werkstätte (WW), der eigentlich Maler werden wollte, aber auf Wunsch des Vaters Architektur in Wien studierte und 1923 im Alter von nur 36 Jahren starb, stets als Improvisator, Antirationalist und Außenseiter angesehen. Sein Schaffen, das unter anderem Möbel, Schmuck, Stoffmuster und Ausstellungsdisplays umfasst, entstand aufgrund seines kurzen Lebens in nur etwas mehr als zehn Jahren, in denen er von Josef Hoffmann als „Österreichs größtes Ornamentgenie seit der Barockzeit“, als herausragendes Jahrhunderttalent erkannt und entsprechend gefördert wurde. Sein unbeschreiblicher Schaffensdrang – allein das MAK besitzt mehr als 600 Exponate –, seine überbordende Kreativität, seine präzise ausbalancierten, fantasievollen und gleichzeitig irritierenden Gestaltungen faszinieren bis heute.

Die anfängliche Reduktion und Strenge der Wiener Werkstätte, die etwa Hoffmanns Schaffen ausmachte, konterkarierte Peche mit wunderlich opulenten Entwürfen. Naturmotive wuchsen bei ihm ungehemmt, näherten sich wieder dem Jugendstil und führten die Formensprache des damaligen Designs in eine neue Richtung. Seine Biografen, unter anderem der Kunsthistoriker Max Eisler, beschrieben die Kontraste, die Peche in seinem Werk vereinte: das Gefühl für die Landschaft und das für den Luxus, den Drang auszuschmücken und die Sehnsucht nach Klarheit. Peche war das Enfant terrible, das die Formensprache der Wiener Werkstätte revolutionierte. Die verschiedenen Einflüsse führten bei Dagobert Peche stets zu Lösungen, die die Bezüge zwar erkennen lassen, zugleich aber etwas gänzlich Eigenes sind. Bei Aubrey Beardsley beispielsweise, dessen Werke Peche 1910 während eines Aufenthalts in London kennenlernte, faszinierte ihn die Schwarz-Weiß-Manier, nicht aber die skurrilen Szenen, sondern deren Requisiten: der Vorhang, die Quasten, der Kerzenleuchter. Rokoko verband Peche mit Klassizismus bei einem schwarzen Salonschrank, dessen mächtiger Körper durch ein goldenes Blumenmuster in die Fläche gezwungen wird.

Zwei Jahre nach dem hundertsten Todestag des Künstlers nähert sich die vom Kuratorinnenteam Claudia Cavallar und Anne-Katrin Rossberg groß angelegte Schau nicht chronologisch, sondern mit thematischen Kapiteln dem Schaffen Peches an. Zu den Leitmotiven des Peche-Kosmos gehören die Themenbereiche „Arkadien“, „Boudoir“, „Metamorphose“, „Unmögliche Räume“, „Zierwut“, „Unheimlich“ und „Paradies“. Sie gliedern sowohl die Ausstellung als auch den Katalog und bieten Informationen und Orientierung.

Auftakt ist jeweils ein Zitat von Dagobert Peche selbst. Erhaltene Briefe beschreiben seine Gedankenwelt, die in den Räumen und Gegenständen Gestalt annimmt. Die Ausstellungsarchitektur, entworfen von der Architektin Claudia Cavallar, erinnert an einen Palast. Man betritt ihn durch ein luftiges Tor, drapiert mit weißen Vorhängen, wie sie Peche in seinen verschiedenen Interieurs oder in Ausstellungsgestaltungen verwendet hat, durchquert eine Art Arkadien, Kabinette und Korridore, um schließlich einen ovalen Hauptraum zu betreten, der rund um das Thema des „Boudoirs“ gebaut ist. Über allem steht jedoch die Metamorphose in Gestalt der Daphne. Die Figur aus der antiken Mythologie sollte Peche immer wieder beschäftigen: Die Nymphe wurde vom Gott Apollo begehrt, entzog sich aber seinen sexuellen Avancen, indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelte. „Es ist alles langsam“, schrieb Peche 1915 in einem Brief, „es ist das Gefühl des Grauens dabei, die Freude, alles schleicht, kommt auf leisen Schuhen aus Pelz mit wachsenden Blättern, die mich nicht ruhen lassen. Es ist (...) die Daphne, die immer kommt und vergeht, die mit Schmerz im Auge mit Freuden wächst.“

Peches Gestaltungen verkörpern nicht den harmonischen Übergang, sondern einen unruhigen Zustand des Gestaltwandels, der Metamorphose. Die Mutation ins Pflanzenhafte ist am deutlichsten in den späten maskenhaften Köpfen veranschaulicht. Aber so gut wie alle seine Figurationen sind Mischwesen im Stadium vegetativer Unentschiedenheit. Was der Metamorphose am nächsten kommt, ist die Maskerade, von der Peche vielseitigen Gebrauch machte. In einer Art manieristischer Mimikry wird die silberne Blüte zum Pokal, die Birne zur Bonbonniere. Dasselbe Prinzip verstehen auch Andere anzuwenden, wenn beispielsweise Julius Zimpel, Peches Nachfolger an der Künstlerwerkstätte, eine Dose in Apfelform als Ehrengabe für Josef Hoffmann variiert oder Götz Bury alte Besteckteile anspielungsreich zu einem kunstvollen, überdimensionalen Überraschungsei verwandelt.

Dagobert Peche blieb dieser Methode auch in seinen späteren modernistischen und naturfernen Werken treu, wenn er etwa eine Vase durch horizontale Streifen in etwas Kreiselartiges umformte. Bei anderen dreidimensionalen Objekten findet die Verräumlichung in der Entkörperlichung ihre Entsprechung. Oberflächenglanz und Umriss lenken von Volumen und Kanten ab. Bevorzugt experimentierte Peche mit der Glätte der Politur oder des Farbanstrichs. Barock anmutende Wülste, Rillen und Profile erwecken den Anschein von Volumen. Manchmal aber ist das Objekt von vornherein zu einem Gestell abgemagert, filigran und überschlank. Man stelle sich einen dreidimensionalen Scherenschnitt vor, dann kommt man der optischen Umdeutung nahe, die Peche an seinen gewichtigen Objekten vornahm. Tektonik und Konstruktion spielen keine Rolle. Es kommt sogar fast zu einer provokativen, ironischen Umkehrung, wenn Peche Quasten oder flatternde Bänder als Möbelfüße einsetzt und gerade diese tragenden Teile in ihrer stofflichen Qualität als weich und fließend umdeutet.

Das Ausspielen von Gegensätzen durchzieht Peches gesamtes Werk und gehört zum großen Thema Verwandlung: sei es jene von Raum in Fläche und umgekehrt, jene von Materialen – Holz wirkt wie Stoff, Blech wie Keramik, Metall wie Papier –, sei es die eines Ornaments – als Tapetenmotiv, Holzdekor oder auf Seide gedruckt – oder die der Daphne, der Lieblingsfigur des Architekten, der keiner sein konnte, weil Architektur Beständigkeit verlangt und Verwandlung Bewegung bedeutet. Folgerichtig ist die Innengestaltung von Räumen und Ausstellungsarchitektur sein Metier. Nachdem Josef Hoffmann ihn 1915 als Entwerfer in die Wiener Werkstätte geholt hatte, inszenierte Peche die Mode-Ausstellung im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, dem heutigen MAK, und verwandelte die Säulenhalle in eine weiß-rosafarbene Tüllwelt mit geheimnisvollen dunklen Umgängen. In Zürich gestaltete Peche die Zweigstelle der Wiener Werkstätte, die er mehrere Jahre leitete, als Daphne-Paraphrase mit hängenden Fruchtgirlanden und sprießenden Blattmotiven. Aus der Schweizer Idylle kehrte Peche 1919 in das Wien der Nachkriegszeit zurück, wo er eine baufällige Wohnung beziehen musste. Der Gestalter von Luxuswohnungen wurde Opfer der Wiener Wohnungsnot. Spätestens jetzt kam das Unheimliche in Peches Werk zum Vorschein. Die Formen verfestigten sich, das Ornament wurde herb und scharfkantig. In seinen schriftlichen Äußerungen sah er sich als „Mumie, die schon lange in jenem Sarkophag geruht hat, beklebt mit viel Papier, umwickelt mit den toten Blumen aus Brokat“.

Doch bevor der „Künstlerhandwerker“, wie ihn Max Eisler bezeichnete, starb, hatte Dagobert Peche noch große Auftritte. Mit seinen monumentalen Schränken auf der Kunstschau 1920 spaltete er die Kritik, die entweder von „schrankenlosester Abgeschmacktheit“ sprach oder von der erfrischenden Belebung des Wohnraums durch Peches dekorativen Instinkt. Außerordentlichen Erfolg hatte er mit einer WW-Tapetenkollektion. Hier zog er noch einmal alle Register, schichtete verschiedene Muster übereinander oder erfand „elementare“ Motive wie „Das Wasser“ oder „Den Stein“. Das von ihm geschätzte „Ombré“, ein Farbverlauf zwischen Dunkel und Hell, charakterisierte seine letzten Wohnungseinrichtungen, etwa jene für den Architekten und Kunstsammler Wolko Gartenberg in Wien und Paris. In dieser sehr persönlichen Welt, die Peche erschuf, zelebrierte er „unendlich hohe Räume“, den Vorhang als subtiles Gestaltungselement, die Metamorphose von Figur, Raum und Gegenstand in Blüten und Blätter.

Ein Augenschmaus ist die Wiener Schau nicht allein wegen ihrer Vielfältigkeit und den mit Bedacht arrangierten Konstellationen, sondern vor allem auch wegen der zahlreichen direkten Auseinandersetzungen, etwa im Werk von Uli Aigner, die mit ihrer Grafik-Serie „Dagobert Peche und ich – Die Überwindung der Utilität“ nicht nur auf das zentrale Peche-Thema, sondern auch auf die MAK-Ausstellung von 1998 anspielt. Marco Dessí antwortete 2012 mit der Arbeit „Dagobert Peche Revisited“ auf den berühmten achtbeinigen Salonschrank aus der Wohnung Gartenbergs in Paris und verlieh ihm dabei die kühle, technoide Rhetorik der Jetztzeit. Das Erzählerische, Verspielte, Verrückte in Peches Werk ist hier vollständig getilgt. Das aber verbindet sich umso mehr mit den postmodernen Gestaltungen der 1980er Jahre. Wenn die Schriftstellerin Berta Zuckerkandl einen von Peche als Blume mit beinartigen Stängeln gestalteten Silberkelch „als ob er laufen möchte“ beschreibt, erinnert das an Philippe Starcks staksende Zitronenpresse ebenso wie an den winkenden „Casablanca“-Schrank von Ettore Sottsass.

Gleichzeitig bedienen diese Objekte die skurrilen und unheimlichen Aspekte durch ihre wesenhafte Transformation oder das überbordende Ornament, das alles überwuchert. Direkt oder assoziativ: In der Ausstellung werden Peches Arbeiten auch in Beziehung gesetzt zu jenen von Richard Artschwager, Adriana Czernin, Christine und Irene Hohenbüchler, Hans Hollein, Vivienne Westwood, Pierre Molinier und aktuellen Beiträgen von Olaf Nicolai oder der österreichischen Künstlergruppe Gelitin, die ihre Videoarbeit „Bauernstube“ 2021 gemeinsam mit dem in Haltung und Zugang konsensuellen Schweizer Performance-Dancekollektiv Young Boy Dancing Group (YBDG) entwickelte. Peches Arbeiten bleiben dabei stets im Mittelpunkt eines inspirierenden Gefüges aus reichen Impulsen, die der Künstler selbst erhielt, und jenen, die er geben konnte. Empfohlen sei zudem der schön gestaltete Katalog, der zur Ausstellung einen bereichernden Streifzug durch den wundersamen Peche-Kosmos offeriert.

Die Ausstellung „Peche Pop – Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart“ ist bis zum 11. Mai zu sehen. Das Museum für angewandte Kunst (MAK) hat dienstags von 10 bis 21 Uhr, mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 16,50 Euro, ermäßigt 13,50 Euro und reduziert sich im Online-Verkauf jeweils um 1 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre ist er frei. Der Katalog aus dem Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König kostet im MAK 55 Euro.

Kontakt:

Österreichisches Museum für angewandte Kunst

Stubenring 5

AT-1010 Wien

Telefon:+43 (01) 711 360

Telefax:+43 (01) 713 10 26

E-Mail: office@mak.at

Startseite: www.mak.at



09.04.2025

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Jacqueline Rugo

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11.12.2024, Peche Pop - Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart

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Österreichisches Museum für angewandte Kunst

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Dagobert Peche, Wiener-Werkstätte-Tapete „Daphne“, 1914

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Dagobert Peche, Stoffbahn „Regenbogen“, 1919

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Dagobert Peche, Motiv aus dem Zyklus „Liebe und Tand“, 1912

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Dagobert Peche, Kaffeeservice, 1920/23

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Hans Hollein, Tisch „Schwarzenberg“, 1980

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Dagobert Peche, Silberdose, 1919

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Dagobert Peche, Interieur der Wohnung Gartenberg, 1921/22

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Uli Aigner, Offene Form 85 – Dagobert Peche und Ich – Die Überwindung der Utilität, 2018

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Dagobert Peche, Pokal, um 1915

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Dagobert Peche, Tafelaufsatz, 1920

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Dagobert Peche, Wiener-Werkstätte-Tapete „Schilf II“, 1922

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Dagobert Peche, Vase „Liebeszauber“, 1922

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