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Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé

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© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


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Interieur – Asia Porcelain – Asiatisches Porzellan, um 1911/12 / Joseph Oppenheimer

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In der Ausstellung „Suburbia“ setzt sich das Architekturzentrum Wien mit der Idee des Einfamilienhauses auseinander, zeichnet die Geschichte dieses Lebensmodells nach, analysiert aber auch die Widersprüche und die sozialen und ökologischen Folgen

Der Wohn-Alb-Traum



Ed Templeton, Contemporary Suburbium, 2017

Ed Templeton, Contemporary Suburbium, 2017

Ein Einfamilienhaus am Stadtrand mit Garten, Pool und zwei Autos in der Garage: Warum versprechen sich viele Menschen von dieser zeitlosen Sehnsucht nach wie vor ein besseres Leben? Häuser für Kleinfamilien, wie wir sie heute kennen, werden wir uns in Zukunft ökonomisch und ökologisch nicht mehr leisten können. Wie aber sollen unsere Häuser in Zukunft aussehen? Was verraten sie über unser Leben? Könnte man sie sich ganz anders vorstellen?


Ausgehend von den reicheren US-amerikanischen Vorstädten des frühen 19. Jahrhunderts eroberte das Lebensideal Einfamilienhaus die Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Typologie auch in Europa massiv entwickelt und seitens Politik, Wirtschaft und der Unterhaltungsindustrie gefördert. Auf der Suche nach einem ruhigen sicheren Ort, naturnah und in einer menschenfreundlichen Umgebung, zogen viele Familien in Einfamilienhäuser in die Vorstädte. Und aktuelle Statistiken beweisen: der Traum von den eigenen vier Wänden im Speckgürtel ist keineswegs ausgeträumt: In Österreich beispielsweise, das neun Millionen Einwohner*innen zählt, stehen rund 1,5 Millionen Einfamilienhäuser.

Die Ausstellung „Suburbia“ im Architekturzentrum Wien zeichnet die Geschichte des Wohnmodells nach, beleuchtet den wirtschaftlichen und politischen Kontext dieser rasanten Ausbreitung in den USA und darüber hinaus, analysiert Widersprüche und soziale wie ökologische Folgen und macht deutlich, dass diese Form des Wohnens auf sozialer, ethnischer und geschlechtsspezifischer Segregation beruht – mit gravierenden Folgen wie Flächenverbrauch, Versiegelung und Leerstand.

Die ursprünglich in Barcelona von Philipp Engel für das Centre de Cultura Contemporània konzipierte und nun mit lokalen Materialien ergänzte Ausstellung stellt das US-amerikanische Vorbild in den Mittelpunkt, die Suburbs. Vermittelt wird die Genese des scheinbar uramerikanischen Wohn- und Siedlungstypus und dessen Verwandlung in den mitteleuropäischen, verhältnismäßig wohlhabenden Speckgürtel, der hier alle größeren Städte umgibt und in dem viele Pendler, die in der Großstadt arbeiten, ihren Wohnsitz haben.

Die Ursprünge des Einfamilienhauses reichen ins 19. Jahrhundert zurück, als mit der Herausbildung der bürgerlichen Kleinfamilie reiche Europäer in Villen im Grünen zogen. Die Siedlungsbewegungen stellten um 1900, ebenfalls als Echo auf die durch steigende Industrialisierung verschmutzte Umwelt, dem Besitztum der Oberschicht das einfache Häuschen mit Gemüsegarten gegenüber. Die USA verklärten das eigene Heim zum Mythos. Die während des Zweiten Weltkriegs in Stadterweiterungsgebieten entstandenen Häuserkonglomerate drückten Freiheit und Individualität aus.

Die weite Verbreitung des Einfamilienhausbaus fand mit dem Bedarf und den Möglichkeiten in den 1960er Jahren im Anschluss an die Nachkriegsjahre statt. Mit zunehmendem Wohlstand konnte sich ein großer Teil aus den Arbeiter- und Angestelltenmilieus den „Traum vom Einfamilienhaus“ verwirklichen. „Suburbia“ demonstriert anhand von zahlreichen Materialien, Bildern und Kommentaren den Ideentransfer nach Österreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Alliierten zunächst die politische Verantwortung; es folgten Entscheidungen über Politik, Presse, das Ausbildungssystem und die Gewerkschaften. Die USA nutzten unter anderem den Marshallplan dazu, politische und gesellschaftliche Änderungen herbeizuführen.

In den frühen Jahren des Kalten Krieges war es das Ziel, Österreich und die Bundesrepublik Deutschland als verlässliche Partner in ein westliches Wirtschaftssystem einzubinden. Um dies umzusetzen, wurde versucht, auch das Kaufverhalten zu beeinflussen: Ähnlich wie in den USA sollten die Verbraucher den Genuss am Konsums erleben. Das Einfamilienhaus als Eigenheim, vor dem Krieg für die kleinen Leute nahezu unvorstellbar, wurde ein Teil dieser Politik. Mündete die Wohnungsbaudebatte der Vorkriegszeit noch in eine Kulturdebatte, die vorwiegend als eine Diskussion um ästhetische Fragen geführt wurde, wendete sich das Augenmerk nach dem Krieg auf die Wiederherstellung konservativer Familienformen, die sich durch eine bürgerliche Bauform am besten umsetzen ließen. So sollte die Überlegenheit des westlichen kapitalistischen Systems gegenüber der Sowjetunion und deren osteuropäischen Verbündeten garantiert und die kommunistische Idee des kollektiven Eigentums erschüttert werden.

In der Wohnungsbaudebatte der frühen Nachkriegszeit wurden zwei Positionen vertreten: die Erneuerung, die das Hochhaus im Park als „Stadt von Morgen“ forcierte, und eine traditionsbezogene Position, die das Einfamilienhaus im Grünen, als Garantie einer gefestigten Nachkriegsordnung anstrebte. Fortschrittliche Architekturmodelle fanden hierzulande allerdings wenig Anklang. Einer der wenigen Versuche die Produktion günstiger Serienhäuser einzuleiten, war die Wiener „Mustersiedlung“ von Carl Auböck III und Roland Rainer, eine Anlage aus 15 ebenerdigen Fertighäusern. Sie war als Mustersiedlung gedacht, doch kam es niemals zur Serienproduktion der Gebäude. Die österreichischen und deutschen Häuslebauer setzten lieber auf einen hohen Eigenleistungsanteil und Improvisation, entwarfen selbst und verwendeten das, was zur Verfügung stand oder günstig war. Einzelinteressen überwogen eine ausgewogene Gesamtplanung – nicht zum Vorteil für das heutige Erscheinungsbild vieler Vorstädte, so das unmissverständliche Urteil der Ausstellung.

Mit dem Einfamilienhausboom bahnte sich eine weitere Neuerung an, die ebenfalls mit Begeisterung aufgenommen wurde: das Auto, welches als Demonstration technischen Könnens und als Symbol individueller Freiheit bewundert und von den Konservativen als Zeichen wirtschaftlicher Stärke gefeiert wurde. Von öffentlichen Verkehrsmitteln stiegen die Bewohner auf den eigenen PKW um und kauften in Einkaufszentren statt beim kleinen Lebensmittelhändler in der Nähe ein. Die Folgen sind bekannt: forcierter Straßenbau, der hohe volkswirtschaftliche sowie gesellschaftliche Kosten mit sich brachte, Flächenfraß, Bodenversiegelung, Zersiedlung, Bedrohung der Biodiversität, Verödung der Ortskerne und Isolation.

In ihrem Song „Suburbia (The Full Horror)“ brachte die Pop-Band Pet Shop Boys 1986 die Tristesse der Vorstädte, die Langeweile und die ihr zugrundeliegenden Spannungen als „Vorstadthölle“ zum Ausdruck. Dieser Spur folgend, präsentiert „Suburbia“ unter anderem Luftaufnahmen amerikanischer Vororte ebenso wie vom niederösterreichischen Traiskirchen südlich von Wien, die die Entwicklung vom Ackerland zur Einfamilienhaussiedlung dokumentieren, Seite an Seite mit gleichförmigen Gebäudereihungen, wie sie Margherita Spiluttini in ihrer Fotoserie „Eternity“ festgehalten hat.

Hinzu kommt eine äußerst unterhaltsame Auslese an Filmstills, Buchcovers und Fotoserien, die daran erinnert, dass Gewalt oftmals nicht von außen in das vermeintliche Glück eindringt, sondern in den eigenen vier Wänden droht und Schrecken auch aus der scheinbaren Idylle hervorbrechen kann. Von der Architekturkritikerin Kate Wagner, der Verfasserin des viralen Blogs „McMansionHell“, stammt beispielsweise eine Farbfotografie aus dem Jahr 2023. In ihrem Blog durchleuchtet Wagner die hässlichsten Häuser der Welt und informiert gleichzeitig über Architektur und Design. Ein anderer Beitrag kommt von der polnischen Künstlerin Weronika Gesicka, die für ihre Serie „Traces“ verschiedene Online-Bilddatenbanken nach Fotos aus den 1940er bis 1960er Jahren durchsuchte, die in ihren Augen den American Way of Life jener Zeit widerspiegeln. Oft handelt es sich hierbei um klischeebeladene Szenen mit glücklich wirkenden Menschen in einer scheinbar perfekten Welt. Die genaue Herkunft der Aufnahmen ist nicht mehr nachvollziehbar, sodass sich Werbe- und Privatbilder vermischen. Spielerisch manipuliert Gesicka die dargestellte Idylle, indem sie die Bilder digital verfremdet. Gabriele Galimberti wiederum spürt mit seinem Fotoprojekt „The Ameriguns“ dem weiterverbreiteten Waffenfetischismus in den USA nach, in dem Land, das mehr Schusswaffen als Einwohner zählt, und portraitiert vor allem die „Durchschnittsbürger*innen“ der Suburbs.

Im Rückblick zeigt sich: die Rückkehr ins Private als Kompensation von Verlusten, die Suche nach familiärer Nähe statt urbaner Anonymität ging nicht auf. Vor allem nicht für den weiblichen Anteil der Suburb-Bewohner. Denn von möglichen Arbeitsplätzen entfernt, kehrten viele Frauen zurück an den Herd und kümmerten sich angesichts fehlender Betreuungsangebote selbst um die Kinder. Die überwiegend Männern vorbehaltene Autonomie wurde mit den verschiedensten Konsumartikeln zur Haushaltspflege kompensiert, wie die Ausstellung mit einer großen Collage von Werbungen für Haushaltsgeräte aus diversen nordamerikanischen Zeitschriften der Jahre 1947 bis 1962 dokumentiert.

Doch nach wie vor möchte immer noch ein Großteil der Menschen seine eigene Version des Traums vom Eigenheim am Stadtrand verwirklichen. Laut einer aktuellen Studie der Universität für Bodenkultur Wien hat sich der Anteil der hoch zersiedelten Fläche in Österreich zwischen 1975 und 2020 verfünffacht, insbesondere durch freistehende Einfamilienhäuser, großflächige Gewerbegebiete und Einkaufszentren. Das Bild der halbverwaisten, in die Jahre gekommenen Häuser und Siedlungen prägt viele Teile des Landes. Anstatt neu zu bauen, stellt sich die Frage, wie der Bestand der rund 1,5 Millionen Einfamilienhäuser, von denen eine beträchtliche Zahl unbewohnt oder untergenutzt ist, für die Zukunft nutzbar gemacht werden kann.

Was tun mit großen, meist nicht altersgerechten und barrierefreien Häusern, die von der älteren für die nächste Generation geplant wurden? Was passiert mit dem einstigen Wohntraum, wenn die Kinder ausgezogen sind und nicht mehr zurückkehren? „Suburbia“ stellt zahlreiche Ideen vor, wie der Bestand an veränderte Bedürfnisse, neue Nutzungen und Lebensmodelle angepasst werden kann. In begleitenden Veranstaltungen werden darüber hinaus Fragen diskutiert, wie Nachverdichtungen in Siedlungen möglich gemacht werden könnten, ob die Zukunft im Umbau oder in der Umnutzung liegt und welche rechtlichen, bautechnischen und architektonischen Fragestellungen sich hieraus ergeben.

Die Ausstellung ist der dringend nötige Anstoß, über andere Formen des Wohnens und Bauens nachzudenken, über die Neuordnung von öffentlichem und privatem Raum. Zwar ist nicht sicher, ob die Menschen hierzulande tatsächlich auf privaten Rückzugsraum zugunsten großzügigerer Gemeinschaftsflächen verzichten wollen. Aber wenigstens demografische Entwicklungen wie die wachsende Zahl der Ein-Personen-Haushalte sollten berücksichtigt werden, und die Ästhetik und Qualität der Architektur nicht immerzu der Ökonomie geopfert werden. Spätestens beim Verlassen von „Suburbia“ werden sich vielleicht auch diejenigen, die weiterhin vom gemütlichen Nest mit Doppelgarage träumen, fragen, ob Co-Living-Konzepte nicht doch die bessere Wahl sind.

Die Ausstellung „Suburbia – Leben im amerikanischen Traum“ ist bis zum 4. August zu sehen. Das Architekturzentrum Wien ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 12 Euro, ermäßigt 9 Euro.

Kontakt:

Architekturzentrum Wien

Museumsplatz 1

AT-1070 Wien

Telefon:+43 (01) 522 31 15

Telefax:+43 (01) 522 31 17

E-Mail: office@azw.at

Startseite: www.azw.at



22.03.2025

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Jacqueline Rugo

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06.03.2025, Suburbia - Leben im amerikanischen Traum

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