Carol Rama im Kunstmuseum Bern  |  | Carol Rama, Ohne Titel, 1967 | |
Unter der Leitung der Kuratorin Livia Wermuth präsentiert das Kunstmuseum Bern ab heute eine Ausstellung zu Carol Rama. Diese erste umfassende Retrospektive in der Schweiz würdigt das Werk der aus Turin stammenden, 2015 verstorbenen Künstlerin, die erst spät – unter anderem auf der Biennale von Venedig im Jahr 2003 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet – Anerkennung fand. Wermuth hat rund 110 Werke aus siebzig Schaffensjahren der Autodidaktin ausgewählt, die die vielfältigen Facetten eines Œuvres beleuchten, das durch Rebellion, Radikalität, Experimentierfreude und eine außergewöhnliche Materialvielfalt geprägt ist. Wermuth hat die Ausstellung in sechs Sektionen gegliedert, die dem zeitgeschichtlichen Kontext und Ramas künstlerischem Schaffen entsprechen. Den Auftakt bilden zentrale Arbeiten in Schwarz und Rot aus verschiedenen Werkphasen.
Sexualität, Wahnsinn, Krankheit und Tod zählen zu den zentralen menschlichen Themen, die sich durch ihr Werk ziehen. Carol Rama explorierte abstrakte Ausdrucksformen und nutzte auch die Technik des Bricolage, bei der sie Alltagsobjekte einsetzte. Diese Arbeiten spiegeln den Zeitgeist der 1960er Jahre wider, der von Konsumkritik und Protest gegen die traditionelle westliche Kunstgeschichte geprägt war. Schon vorher thematisierte sie in ihrer Serie erotischer Aquarelle unter dem Titel „Appassionata“ Körper, Geschlecht und Sexualität im Kontext gesellschaftlicher Normen. Diese Werke sollten 1945 in Turin präsentiert werden, doch die Ausstellung wurde aufgrund von Obszönität bereits vor der Eröffnung geschlossen. Carol Rama strebte eine Kunst an, die sich von ihrem konservativen Familienumfeld und dem katholischen Italien während des Faschismus distanzierte und den Weg der feministischen Kunst beschritt.
Unabhängig von Schulen und künstlerischen Gruppierungen verfolgte Carol Rama ihren eigenen nonkonformistischen Ansatz. Die Mutter von Carol Rama war in psychiatrischen Kliniken untergebracht. In diesen Einrichtungen entwickelte die Künstlerin ein Bewusstsein des Widerstands gegenüber gesellschaftlich vorgegebenen Normen und Zwängen, Geschlechterkategorien und -rollen sowie Vorstellungen von weiblicher Sexualität. Carol Rama sagte dazu: „Für mich war die Arbeit, die Malerei, immer etwas, das mir das Gefühl gab, weniger unglücklich, weniger arm, weniger hässlich und sogar weniger ignorant zu sein.“ Ihre Werke erhielten erst spät die Aufmerksamkeit der Kunstwelt. Rama äußerte, dass sie aufgrund ihres Geschlechts zunächst nicht die Anerkennung fand, die sie verdiente. „Das macht mich natürlich stocksauer, denn wenn ich wirklich so gut bin, kapiere ich nicht, warum ich so lange hungern musste, auch wenn ich eine Frau bin“, sagte sie 2003 zur Verleihung des Goldenen Löwen.
Die Ausstellung „Carol Rama. Rebellin der Moderne“ läuft vom 7. März bis zum 13. Juli. Das Kunstmuseum Bern hat täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, am Dienstag zusätzlich bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 24 Franken, ermäßigt zwischen 12 Franken bzw. 20 Franken, für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ist er frei. Der Katalog aus dem Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König kostet im Museum 35 Franken.
Kunstmuseum Bern
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