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Qualität, Schönheit, Opulenz und Harmonie: Die Brüsseler Kunstmesse BRAFA feiert ihre 70. Ausgabe

Salon der Connaisseure



Am Stand der Galerie Bernard De Leye

Am Stand der Galerie Bernard De Leye

Wer unter einer Messe eher so etwas wie eine ungemütliche, zugige und lärmige Industrieschau mit aufgeregt hin- und herlaufenden Firmenvertretern und Einkäufern versteht, wird auf der Brüsseler Kunst- und Antiquitätenmesse BRAFA in eine vollkommen andere Welt hineingestoßen: Eleganz, gedämpfte Atmosphäre und ein ansprechendes kulinarisches Angebot herrschen hier vor. Die beiden Hallen auf dem Expo-Gelände sind komplett mit schalldämpfendem Teppichboden ausgelegt. Das gut gekleidete, überwiegend etwas ältere Publikum gibt sich diskret und kennerhaft. Für neureiche Blender scheint die BRAFA nicht der richtige Ort zu sein.


Denn etwas Kennerschaft ist schon angebracht, will man die Bandbreite der BRAFA beurteilen. Gleich der erste Stand hinter dem Eingang wartet mit einer unglaublichen Fülle an außergewöhnlichen Objekten auf: Die Brüsseler Galerie Bernard De Leye präsentiert eine überaus festlich gedeckte Tafel, wie sie einem exklusiven Jagdessen in einem europäischen Fürstenhaus gut zu Gesicht stünde. Blank polierte, silberne Tafelaufsätze mit Hirschdarstellungen, edles Porzellan mit Vogelmotiven, dazu aufwendig geschliffene Kristallgläser, Silberleuchter und vieles mehr. Frische Blumen und Weintrauben komplettieren das Ensemble. Die Stücke stammen überwiegend aus dem 18. Jahrhundert, vornehmlich aus Frankreich, Deutschland und Holland. Ein unabhängiges Belgien gibt es ja bekanntermaßen erst seit 1830.

Die BRAFA existiert bereits seit Mitte der 1950er Jahre. Ihr ursprünglicher Name lautete „Foire des Antiquaires“, heute steht die Abkürzung für Brussels Antiques and Fine Art Fair. Die beiden Messehallen auf dem Gelände der Brussels Expo beherbergen Jahr für Jahr über eine Woche lang Gemälde und Zeichnungen Alter Meister sowie Werke wichtiger Repräsentanten der Moderne und neuerdings auch der Gegenwart. Daneben sind auf der BRAFA antike und moderne Möbel, Tribal Art vornehmlich aus Afrika, Wandteppiche und Tapisserien, Porzellan, Gold- und Silberschmiedearbeiten, edler Schmuck, antiquarische Bücher und vieles mehr zu sehen und selbstverständlich auch zu erwerben. 130 Aussteller*innen aus 16 Ländern sind anlässlich der diesjährigen 70. Jubiläumsausgabe nach Brüssel gekommen, die meisten von ihnen schon seit vielen Jahren. Daher ist die Zahl neuer Galerien mit nur 16 Erstteilnehmenden sehr überschaubar.

1956 wurde die BRAFA gegründet, um den führenden belgischen Antiquitätenhändlern ein jährlich stattfindendes gemeinsames Forum zu bieten. Im Laufe der Jahrzehnte erweiterte sich das Ausstellerspektrum. Ab 1995 setzte eine zunehmende Internationalisierung und Erweiterung des Angebots ein. Angesichts ihrer wachsenden Teilnehmerzahl und dem damit einhergehenden Raumbedarf, ist die Messe immer wieder innerhalb Brüssels umgezogen. Von den Galeries Louise in der eleganten Brüsseler Oberstadt 1968 in das Palais des Beaux-Arts, 2004 auf das Tour & Taxis-Areal und zuletzt 2022 auf die traditionsreiche Brussels Expo mit ihren für die Weltausstellungen 1935 und 1958 errichteten ikonischen Hallen und dem Atomium als Blickfang. Hier angekommen, breitet die BRAFA ihr Programm nun auf einer großzügig bemessenen Fläche von rund 21.000 Quadratmetern in den beiden ineinander übergehenden Hallen 3 und 4 aus. Im vergangenen Jahr hatte die Messe rund 67.000 Besucher. In diesem Jahr sollten es anlässlich des 70. Jubiläums sogar noch ein paar mehr werden.

Im Gegensatz zu anderen Kunstmessen ist die BRAFA nicht in thematische Sektionen aufgeteilt. Zudem gibt es keinerlei chronologische Ordnung. Vielmehr ist es von der Messeleitung beabsichtigt, dass die Besucher*innen mehr oder weniger unvermittelt von einer Epoche in die andere eintauchen. Daher landet man schon wenige Schritte, nachdem man sich an den Silberwaren bei Bernard De Leye sattgesehen hat, im 20. und 21. Jahrhundert. Valérie Bach, Inhaberin der Brüsseler Galerie La Patinoire Royale Bach, hat eine Reihe von Arbeiten der Künstlerin Joana Vasconcelos zusammengestellt. Die 1971 geborene, überwiegend bildhauerisch tätige Portugiesin ist in diesem Jahr „Guest of Honour“ der BRAFA. Damit tritt sie in die Fußstapfen von Christo oder Gilbert & George, denen diese Ehre in früheren Jahren zuteil wurde.

Joana Vasconcelos ist bekannt für ihre großformatigen und das Publikum visuell überwältigenden Skulpturen und Installationen – so auch auf der BRAFA. In den zentralen Gängen hat sie zwei monumentale, von der Decke hängende Soft Sculptures installiert. Die „Valkyrie Léonie“ und „Valkyrie Seondeok“ bestehen aus Häkelgarn, Kunstfell, verschiedenen Stoffen, Spitzen, Stickereien, Wolle, Pailletten, Perlen, Federn und LEDs. Ihre tentakelhaften Gliedmaßen lassen sie als sanftmütige Wesen erscheinen. Vasconcelos Arbeiten entstehen unter Verwendung von traditionellen Handarbeitstechniken wie Nähen, Stricken, Sticken, Häkeln und Spitzenklöppelei in Zusammenarbeit mit ihrem rund 60köpfigen Team. In den überschwänglich ornamentalen Skulpturen verbindet Joana Vasconcelos ein klares Bekenntnis zu ihren portugiesischen Wurzeln mit Statements zu Weiblichkeit, Emanzipation und Feminismus. Valérie Bach hat von der Künstlerin zum Beispiel die voluminöse Arbeit „Blue Moon“ von 2019 aus verschiedenen, miteinander vernähten, organischen Wollgebilden, die mit Kunstperlen verziert sind, für 85.000 im Angebot. Kontrastprogramm: Daneben hängen in Bachs Koje seltene Gelatinesilberabzüge und Fotocollagen des 1978 früh verstorbenen amerikanischen Architekten und Konzeptkünstlers Gordon Matta-Clark. Die Bilder direkt aus dem Nachlass des Künstlers kosten zwischen 30.000 Euro und 1,5 Millionen Euro.

Seit 1976 ist ebenfalls Axel Vervoordt auf der BRAFA vertreten. Der Galerist aus Antwerpen war damals einer der ersten Teilnehmer, die zeitgenössische Kunst, etwa von Lucio Fontana oder der ZERO-Gruppe, mitbrachten. Die Geschäftsführung der Galerie hat mittlerweile sein Sohn Boris übernommen, und der hat eine Erklärung dafür, warum die Veranstaltung in einem eher kleinen Land wie Belgien so erfolgreich ist: „Was die BRAFA so besonders macht, ist das Konzept, mit allen zusammen an einem Strang zu ziehen. Gemeinsam die bestmögliche Messe zu organisieren, ist unser vornehmstes Ziel. Und da setzen wir die Philosophie der Gilden und Zünfte fort. So hat sich Belgien auf der internationalen Landkarte als Handelsplatz für Objekte, Kunst und Mobiliar positioniert. Wir haben hier seit dem späten Mittelalter eine lange Tradition im Leben mit Kunst. Das hat auch internationalen Widerhall erzeugt. Die Menschen legen immer mehr Wert auf die Art und Weise, wie sie leben und wohnen, und sie umgeben sich dabei gerne mit Kunst, besonderen Objekten und Mobiliar.“ Typisch für Vervoordt ist die eklektische Offerte: Eine minimalistische Abstraktion des flämischen Malers Jef Verheyen aus dem Jahr 1975 trifft hier beispielsweise auf einen ebenso monumentalen wie wohlgeformten Bronzearm aus der Übergangszeit zwischen der späten griechischen Klassik und der frühen hellenistischen Periode.

Neuer Chairman der BRAFA ist der auf Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts spezialisierte Brüsseler Händler Klaas Muller. Er bezeichnet die Messe als „eine gut geölte Maschine, die es zu erhalten gilt“. Dennoch möchte er die Akzente ein wenig verschieben: „Während zeitgenössische Kunst sich ihren Platz auf der Messe erobert hat und dauerhaft auf ihr vertreten sein wird, möchte ich jedoch den Schwerpunkt wieder etwas mehr auf alte und klassische Kunst legen: asiatische und ethnologische Kunst, Archäologie und so weiter“, sagt Muller. Außerdem plant er in Zukunft eine stärkere Internationalisierung der Messe, insbesondere durch zusätzliche Aussteller aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Großbritannien, Italien und Spanien. Diese, so hofft Muller, würden dann auch zusätzliche Gäste auf die BRAFA locken. An seinem eigenen Stand präsentiert er gleich zwei außergewöhnliche Kücheninterieurs mit Hunden des flämischen Barockmeisters Frans Snyders, die man in dieser Qualität eher in Museen erwarten würde. Auf der BRAFA kann man sie, das nötige Kapital vorausgesetzt, erwerben.

Neben einer großen Auswahl von Altmeisterzeichnungen ist bei Stéphane Renard Fine Art aus Paris dann auch das „Portrait of a Man“ von László Moholy-Nagy zu haben. Das Blatt ist ungewöhnlich für den späteren Bauhaus-Künstler. Genau datieren lässt es sich nicht. Der expressionistisch anmutende, in schwarzer Wachskreide ausgeführte Männerkopf gehört zu einer kleinen Gruppe von Porträts, die der Künstler zu Beginn seiner Karriere in Wien und Berlin angefertigt hat. Die kurvenartigen Lineaturen unterhalb der Augen, die fast wie Tätowierungen wirken, sind typisch für Moholy-Nagys Schaffen aus der Zeit gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Sie kennzeichnen auch ein 2010 bei Sotheby’s in London versteigertes Selbstporträt des Künstlers. Stéphane Renard hat zudem eine Vogelstudie aus der Werkstatt von Jan Breughel d.J. aus dem Jahr 1626 ausgewählt. Die in Öl auf Holz ausgeführte Malerei versammelt für 55.000 Euro präzise Darstellungen von Reihern, Fasanen, Perlhühnern und anderen Vogelarten in perfekter Harmonie.

Auffallend an der diesjährigen BRAFA ist das breite Spektrum an textilen Artefakten aus der Zeit um 1500 bis hinein in die unmittelbare Gegenwart. So hat etwa die Galerie De Wit Fine Tapestries aus Mechelen neben Tapisserien des 15. und 16. Jahrhunderts auch Alexander Calders Wollteppich „Serpent pressé“ ausgebreitet. Auch die Galerie Hadjer aus Paris macht auf gleich mehrere Wandteppiche bekannter Künstler aufmerksam, etwa auf Joan Mirós bunte „Femme au miroir“ von 1965 oder die „Autumn Leaves“, ein fröhliches Blätterspiel ebenfalls von Alexander Calder aus dem Jahr 1971.

Dass textile Wandbehänge heute wieder eine Renaissance erleben, stellt dann die Koje der Galerie Nathalie Obadia aus Paris und Brüssel unter Beweis, unter anderem mit dem Wandteppich „We will keep cool“ der französischen Künstlerin und Turner Prize-Gewinnerin Laure Prouvost aus dem Jahr 2023. Das surreal anmutende Werk zeigt eine Burgruine, die von Vögeln, Pflanzen und weiblichen Brüsten besiedelt ist. Das fluide Verschmelzen verschiedenster Daseinsformen ist typisch für Prouvosts Ansatz, der ihre Besorgtheit anlässlich des Klimawandels und Artensterbens mit humorvollen Anspielungen auf Mutterschaft und die Verbundenheit allen irdischen Lebens vereint.

Die Bernier/Eliades Gallery aus Athen rückt eine Teppicharbeit des Belgiers Martin Margiela in den Mittelpunkt. Der ehemalige Modedesigner, der seit einigen Jahren vornehmlich als bildender Künstler in Erscheinung tritt, hat 2023 unter dem Titel „Grey Steps III“ eine konzeptuelle Arbeit mit einem eher banalen Treppenhaus in verschiedenen Grauabstufungen erstellt. Gut dazu passend offeriert die Galerie von Vertes aus Zürich eine kleine, aber besondere Arbeit des 87jährigen kalifornischen Konzeptkünstlers Ed Ruscha an. Das Blatt mit dem Titel „DOT # 4“ von 2020 zeigt drei weiße Blockbuchstaben auf schwarzem Grund, die nach unten zu zerfließen scheinen. Sie fügt sich nahtlos in Ed Ruschas Wortbilder, Schießpulver- und Grafitzeichnungen ein und verlangt 140.000 Euro.

Wer sich in seinem Sammlerleben bereits mit allen möglichen von Künstlerhand geschaffenen Artefakten ausgestattet hat, kann auf der BRAFA einen der neuesten Trends für betuchte Connaisseure entdecken. Ein jüngst hinzugekommenes Sammelgebiet sind seltene Naturalia. So findet sich bei der Stone Gallery aus dem niederländischen Baarn nicht nur das aus der Nordsee geborgene Vorderbein eines Wollmammuts, sondern auch die Versteinerung eines schwangeren Ichthyosaurus. Die wie ein Gemälde an der Wand hängende, graue Steinplatte gibt den Blick auf zwei im Mutterleib enthaltene Babysaurier für 1,2 Millionen Euro frei. Die Galeriebetreiber scheinen dabei nicht nur geschäftstüchtig sondern auch humorvoll zu sein. Die 180 Millionen Jahre alte Versteinerung bieten sie unter dem Namen „Mutti“ an und weisen darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um ein ganz „außergewöhnliches Fossil“, sondern auch „um ein Symbol für Mutterschaft, Fruchtbarkeit und Weiblichkeit“ handele.

Griechische und römische Statuen aus dem klassischen Altertum, Skulpturen des Bambara-Volks aus Mali, Gemälde der klassischen Moderne oder neuerdings Fossilien: Der gepflegte Eklektizismus ist sozusagen das Markenzeichen dieser Messe. Was auf anderen Kunstmessen als absolutes No-Go gelten würde, macht die Stärke der BRAFA aus. Man flaniert über diese Verkaufsschau, verlustiert sich hier und da an einem Canapé, ein paar Macarons, einem Stück Schokolade, einem Glas Wein oder Champagner und verliert sich so im Strudel der Stile und Epochen, nur um am Ende doch genau das Passende zu finden. „Serendipity“, also das glückliche Entdecken von Dingen, nach denen man eigentlich gar nicht gesucht hat, ist hier angesagt.

Die BRAFA läuft noch bis zum 2. Februar und hat täglich von 11 bis 19 Uhr, am Donnerstag zusätzlich bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 30 Euro, ermäßigt 10 Euro; für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ist er frei. Der Katalog kostet 20 Euro. Er ist auch als kostenlos unter issuu.com/artsolution/docs/brafa_cata25_binnenwerk_web einsehbar.

www.brafa.art



27.01.2025

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Nicole Büsing & Heiko Klaas

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