Trauer um Ingeborg Flagge  |  | Ingeborg Flagge 2005 in Sri Lanka | |
Das Deutsche Architekturmuseum trauert um seine ehemalige Direktorin Ingeborg Flagge: Die Wissenschaftlerin und Museumsleiterin starb im Alter von 82 Jahren in Bonn. Entsprechend ihrem lebenslangen Motto der Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit wählte sie Ende Dezember 2024 nach langer Krankheit den Freitod, wie ihr Freund und ehemaliger Kollege Volkwin Marg in seiner Todesanzeige meldete. Das Museum in Frankfurt am Main erinnert auf seiner Webseite mit einem ausführlichen Portrait an Flagge. Sie sei neugieriger und keiner Konfrontation aus dem Weg gehender Mensch gewesen, der durchaus eine ambivalente Haltung zur Architektenschaft hatte, so Museumsdirektor Peter Cachola Schmal.
Ingeborg Flagge kam 1942 in Oelde zu Welt und studierte Englisch in Cambridge und an der Übersetzer- und Dolmetscherschule in Köln, wo sie 1963 ihren Abschluss machte. Darauf blieb sie in Köln, um in einem Studium generale die Fächer Philosophie, Alte Geschichte, Sanskrit, Klassische Archäologie und Ägyptologie zu belegen. Im Anschluss an ihre Promotion in Archäologie nahm sie die Arbeit für den Bund Deutscher Architekten (BDA) auf und wurde wenig später Chefredakteurin der verbandseigenen Zeitschrift „Der Architekt“. Immer wieder stritt sie sich in pointierten, den Heften vorangestellten Kommentaren um und für die Produktionsbedingungen von Architektur und die dafür notwendige Politik und ließ ihre Meinung zu all dem deutlich erkennen. Von 1978 bis 1983 fungierte Flagge zudem als Bundesgeschäftsführerin des BDA. In dieser Zeit wurde der Architekt Volkwin Marg BDA-Präsident, mit dem Flagge über viele Jahre freundschaftlich verbunden war.
Zwischen 1995 und 2000 hatte sie einen Lehrstuhl für Baugeschichte und Baukultur an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig inne. Nachdem Flagge 1998 den BDA „im Protest gegen bestimmte Tendenzen in der Architektenschaft“ verlassen hatte, übernahm sie von 2000 bis 2005 die Leitung des Deutschen Architekturmuseums. Dort konzipierte sich die Dauerausstellung zur Geschichte des Wohnens und Bauens neu, stellte das Programm des 2001 generalsanierten Museums neu auf, veranstaltete wieder zahlreiche Wechselausstellungen und sprach so breitere Schichten von Gästen an, was sich in einen deutlichen Erhöhung der Besuchszahlen und einer stärkeren Wahrnehmung in der Presse niederschlug. Dabei schreckte Flagge auch vor Ausstellungen über den verpönten, aber jenseits der Architekturdiskurse populären Friedensreich Hundertwasser nicht zurück und machte auf der anderen Seite hierzulande kaum geläufige Architekten wie Geoffrey Bawa bekannt, dessen Werk sie in Sri Lanka kennengelernt hatte. Der bis heute alle zwei Jahre vom Museum verliehene Hochhauspreis geht auf ihre Initiative zurück.
2005 verließ Ingeborg Flagge zwei Jahre vor Ablauf ihres verlängerten Vertrages das Museum in Frankfurt, weil für sie nach eigener Aussage abzusehen war, dass es immer schwieriger würde, Sponsoren für interessante und aktuelle Themen der Architektur zu finden und dabei die eigene Unabhängigkeit und die des Hauses zu wahren. Danach arbeitete Flagge in Bonn freiberuflich als Architekturjournalistin, hielt Vorträge und führte Reisen zum Thema Architektur und Baugeschichte durch. 2024 stellte sie im Text „Der Gleichklang aus Natur, Architektur und Kunst“ die Ausstellungsorte Louisiana, Museumsinsel Hombroich und den Kröller-Müller Museumspark nebeneinander und verband damit das, was sie stets umtrieb: Architektur, Kunst, Natur und die Menschen, die alles miteinander verbinden und beleben. |