Trauer um Daniel Spoerri | | Daniel Spoerri ist mit 94 Jahren in Wien gestorben | |
Daniel Spoerri ist tot. Der in Wien lebende Schweizer Objektkünstler, Pionier des Nouveau Réalisme und Begründer der Eat Art, starb gestern im Alter von 94 Jahren in Wien. Das teilte das Ausstellungshaus Spoerri in Hadersdorf am Kamp in Niederösterreich mit, das Spoerri im Jahr 2008 erworben hatte und zu einem Präsentationsort für seine Kunst umbauen ließ. Er sei ein „preisgekrönter und weltbekannter Ausnahmekünstler“ gewesen, würdigte Johanna Mikl-Leitner, die Landeshauptfrau Niederösterreichs, den Verstorbenen, der 2020 mit dem Niederösterreichischen Kulturpreis ausgezeichnet wurde. Als Meister der Bildenden Kunst und Begründer der ‚Eat Art‘ habe Spoerri wahrlich Kunstgeschichte geschrieben. „Er hat die niederösterreichische Kunst- und Kulturszene in seinen letzten 16 Lebensjahren geprägt wie kaum ein anderer. Vor allem mit seinem Ausstellungshaus Spoerri in Hadersdorf am Kamp hat er einen Kristallisationspunkt im Waldviertel geschaffen“, betonte Mikl-Leitner. Hier habe er eine wahre Wunderkammer seiner Kunst gegründet. „Sowohl für Niederösterreich als auch für die internationale Kunstszene ist sein Ableben ein großer Verlust“, so Mikl-Leitner weiter.
Daniel Spoerri kam 27. März 1930 als Daniel Isaac Feinstein im rumänischen Galati zur Welt und erlebte als Kind den dortigen Faschismus, den Zweiten Weltkrieg und 1941 die Tötung seines jüdischen Vaters im Pogrom von Iasi. Im Jahr darauf flüchtete seine Mutter, eine Schweizer Staatsbürgerin, mit ihren sechs Kindern in ihre Heimat, wo Spoerri von seinem Onkel Theophil Spoerri, den Rektor der Universität Zürich, adoptiert wurde. Sein Leben verlief danach vielseitig und war von steter Veränderung geprägt. Nach einer kaufmännischen Lehre arbeitete Spoerri unter anderem als Buchhändler, Obstverkäufer und Fotograf. Dann studierte er in Zürich und in Paris von 1949 bis 1954 klassischen Tanz und Pantomime. Mit 24 Jahren folgte sein Engagement als Solotänzer am Stadttheater Bern. Hier inszenierte er auch Tanzstücke und versuchte sich zudem als Regisseur von Kurzfilmen, ehe er ab 1957 als Regieassistent am Landestheater Darmstadt arbeitete.
Zwei Jahre später zog es ihn wieder nach Paris, wo Spoerri auf Jean Tinguely, Arman, Martial Raysse, François Dufrêne und Yves Klein traf und mit ihnen 1960 das Manifest der „Nouveaux Réalistes“ unterzeichnete. Sie propagierten eine Annäherung von Kunst an das Leben und wollten den Alltag in Kunst transformieren. Daniel Spoerri gelang dies vor allem mit seinen „Tableaux pièges“, seinen „Fallenbildern“, bei denen er Überreste von Mahlzeiten in Kunstwerke umwandelte. Zufällig vorgefundene Konstellationen von Objekten, etwa eines Tischs mit Geschirr, Besteck und Essensresten, wurden nach dem Dinieren unverändert fixiert, in die Vertikale gekippt und samt Unterlage als Bild an die Wand gehängt. Mit diesen Hinterlassenschaften kulinarischer Gelage hielt Spoerri einen einmaligen Realitätsausschnitt fest, spannte einen sinnlichen Bogen von der Kunst zur Kulinarik und sollte mit dieser originellen Form des Stilllebens international berühmt werden.
Mit seinen raumplastischen Materialbildern und Collagen aus Gebrauchsgegenständen, den Assemblagen und Akkumulationen, avancierte Daniel Spoerri zu einem der Hauptvertreter des Nouveau Réalisme. 1968 wandelte sich sein künstlerisches Tun erneut. Mit dem Wirt Carlo Schröter eröffnete er in Düsseldorf das „Restaurant Spoerri“ und gab damit einhergehend eine „Eat-Art“-Edition als quasi gastronomisches Tagebuch heraus, in der sich auf ironisch-humorvolle Weise die neodadaistische Identifikation von Kunst und Leben manifestieren sollte. Damit begründete Spoerri die „Eat-Art“: Als Meister der Kochkunst kredenzte er seinen Gästen essbare Kunstwerke, auch solche seiner Künstlerkollegen Bernhard Luginbühl, Dieter Roth, Arman, César und Niki de Saint Phalle, was als Happenings wie das „Banchetto funebre del Nuovo Realismo“ stattfand.
1978 ging Spoerri als Professor für Dreidimensionale Gestaltung an die Kölner Werkschulen und lehrte dort bis 1982. Dazwischen gründete er das „Musée Sentimental“ in Köln. 1983 nahm er einen Ruf an die Akademie der bildenden Künste in München an, kündigte aber Mitte der 1990er Jahre, da er der Meinung war, dass freie Kunst und Beamtenstatus nicht zueinander passen. In seinem Nomadenleben, das ihn unter anderem auch nach Amsterdam, New York oder Berlin führte, zog er dann Ende der 1980er Jahre nach Seggiano südlich von Siena und errichtete mit großer Leidenschaft sein Gesamtkunstwerk „Il Giardino di Daniel Spoerri – Hic Terminus Haeret“, einen Skulpturengarten mit eigenen Werken und Arbeiten von über 50 weiteren Künstler*innen. Seit 2008 lebte Daniel Spoerri in Wien und widmete sich bis kurz vor seinem Tod seinem Werk, das vielfach ausgestellt und ausgezeichnet wurde, darunter 1993 mit dem Grand Prix de la Sculpture in Paris, 2007 mit dem Eckart Witzigmann-Preis oder 2016 mit dem Lovis-Corinth-Preis. |