| | Oswald Achenbach, Der Ausbruch des Vesuvs, 1890 | |
Alle rennen. Pferdewagen scheppern. Jeder, der kann, nimmt Reißaus. Die Stadt ist in Auflösung begriffen. In Oswald Achenbachs Gemälde wird auch schnell klar warum: Der Vesuv bricht aus. Dichte Rauchschwaden stehen über dem feuerspukenden Berg. Gleich einer Dampflokomotive stößt der Vulkan Unmengen an Dunst und Asche in den Himmel. Eine aufgebrachte Menge an verzweifelten Leuten kommt vor dem Standbild eines heiligen Bischofs, wohl des Stadtpatrons Januarius, zusammen, in der Hoffnung auf himmlischen Beistand. Während alle aus dem Bild zu strömen scheinen, weg von Asche und Lava, marschiert einzig eine Gruppe blau berockter Soldaten pflichtbewusst in die bedrohte Stadt Neapel ein. Ob sie oder der steinerne Heilige an diesem Tag eine Seele retten werden, bleibt ungewiss. Achenbach stillt auf diesem Bild jegliche Sensationslust. Von Parallelen zum Untergang Pompejis bis hin zur Freude am Schaurigen wird hier alles bedient. Das funktioniert bis heute, denn die gleichermaßen detailverliebt wie pastos gemalte Leinwand von 1890 soll bei Van Ham auf ein Ergebnis zwischen 65.000 und 80.000 Euro zusteuern.
Oswald Achenbach, der große Landschaftsmaler der Düsseldorfer Malerschule, ist beim Kölner Versteigerer in diesem Spätherbst gleich mit acht Losen zugegen, darunter vor allem mit Eindrücken aus seinen Italienreisen. Sie machen aber auch den Preisverfall für seine Kunst um rund die Hälfte in den letzten zwanzig Jahren deutlich. Besonders stimmungsvoll fällt sein Blick in die „Bucht von Neapel mit einem Regenbogen“ von 1889 aus, in dem die Klippen der süditalienischen Steilküste mit dem Rund der Küstenlinie zu einer harmonischen Einheit verschmelzen (Taxe 55.000 bis 65.000 EUR). Fünf Jahre zuvor hielt Achenbach die „Abendstimmung am Hafen von Ischia“ auf einer kleineren Leinwand fest. Mit seinem typischen rauen Pinselduktus fängt er darin das Schimmern des Strandes im untergehenden Abendlicht vor dem Castello Aragonese ein (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Als Andenken für Besucher der Ewigen Stadt entwarf Achenbach 1888 seine Ansicht vom „Park der Villa Borghese“ mit gemütlich lagernden Gästen (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR) sowie seinen Blick auf die Engelsburg vom „Ufer des Tibers in Rom“ (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Bereits für kleines Geld ist eine charmante Skizze mit „Felsen an der Küste“ für 2.000 bis 4.000 Euro zu haben, und mit dem „Blick von der Mittleren Rheinbrücke auf das Basler Münster“ hält die Offerte auch mitteleuropäisches Motivgut bereit (Taxe 24.000 bis 30.000 EUR).
Die Italien-Begeisterung steckte gleichfalls Johann Jakob Frey zu einem sommerlichen Blick auf Palermo mit dem Monte Pellegrino (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR), Salomon Corrodi 1852 zu einem Panorama über die Bucht von Neapel mit diesmal ruhig rauchendem Vesuv (Taxe 3.000 bis 5.000 EUR), Albert Flamm zu einer diesigen, in die Weite führenden Landstraße mit zwei Bauersleuten (Taxe 4.000 bis 8.000 EUR), Heinrich Hartung 1877 zu Bauern mit Ziegenherde bei Ruinen in der Campagna Romana (Taxe 2.500 bis 4.000 EUR) oder Eugen Bracht um 1921 zu einer Ansicht der kleinen Isola di Bergeggi an, einsam gelegen im tiefen Meeresblau vor der Ligurischen Küste (Taxe 20.000 bis 40.000 EUR). Aber es gibt auch Heimisches, etwa Ernst Ferdinand Oehmes Aquarell mit einem romantischen Landschaftsausschnitt an der Elbe in Sachsen (Taxe 2.000 bis 4.000 EUR), Christian Morgensterns Flusslandschaft mit Hirten und Wanderern von 1850, die eine schier endlose Weite suggeriert (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR), oder Hans am Endes ansteigender Hügel mit der ebenso ausgedehnten, violett „Blühenden Heide“ (Taxe 12.000 bi 18.000 EUR).
Von Blumen und Zitronen
Ebenfalls mit einem Landschaftsausblick auf einen Vulkan verzaubert Raden Sarief Bustaman Saleh Ben Jaggia, der als javanischer Prinz nicht nur eine der schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts war, sondern auch als der erste Asiat gilt, der eine europäische Malerausbildung erhielt. Sein atmosphärisches Porträt des still ruhenden Merapi auf Java aus der Zeit um 1867 geht für 40.000 bis 80.000 Euro ins Rennen. Als Cornelis Springer 1863 die Nahansicht „Die Rathausstraße in Naarden“ mit Marktleuten davor schuf, war der Amsterdamer Maler auf dem Zenit seiner Laufbahn. Prominente Sammler im In- und Ausland zählten damals wie heute zu den Kunden des großen holländischen Vedutenmalers des 19. Jahrhunderts (Taxe 60.000 bis 100.000 EUR). Charakteristisch für den Belgier Petrus van Schendel sind Nachtszenen mit effektvoller Beleuchtung wie bei seiner „Schreiberin“ um 1839, die im Kreis der Familie an einem Tisch sitzt, der nur von einer Öllampe erhellt wird, und nach dem Diktat des Vaters ein Schriftstück verfasst (Taxe 20.000 bis 40.000 EUR). Hugo Mühligs impressionistische Malweise und sein Talent, Bilder zu kreieren, die wie Momentaufnahmen wirken, brachten ihm zu Lebzeiten Erfolg ein. Sein Gemälde „Nach der winterlichen Jagd“ verfügt über diese Qualitäten und dürfte daher 15.000 bis 20.000 Euro einspielen. Gleiches gilt für Mühligs Gemeinschaftswerk mit Adolf Lins, das 1899 ein Ehepaar mit Hund auf einer Terrasse vor dem Panorama des Siebengebirges einfängt. Mit 12.000 bis 20.000 Euro könnte es sich in ähnliche Höhen aufschwingen.
Zu den kleinen, aber feinen Stars der Auktion zählt Emilie Preyers „Stillleben mit blauen Trauben, Aprikosen, einem Pfirsich und Nüssen“. Die 1849 in Düsseldorf geborene Preyer ist bekannt für ihre realistische Wiedergabe von Texturen und Lichtreflexen (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Wer bei diesem Stillleben leer ausgehen sollte, darf sich bei Van Ham auf ihr zweites, etwas kleineres und niedriger bewertetes „Stillleben mit Trauben, Reineclauden und Aprikosen auf einer Steinplatte“ stürzen (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Emilies Vater, Johann Wilhelm Preyer, trat ebenfalls als Stillleben-Maler hervor und ist mit drei Arbeiten bei Van Ham vertreten, darunter einem Arrangement mit hoher Sektflöte, Nüssen, Trauben, Birne und Fliege, das mit seiner feinmalerischen Manier eindrucksvoll veranschaulicht, wo die Wurzeln von Emilies Talent zu suchen sind (Taxe 50.000 bis 80.000 EUR). Eine Reminiszenz an Caravaggios berühmtes Früchtestilleben ist Vater Preyers „Stillleben mit Trauben, Pfirsichen und Aprikosen“ von 1848, das für 35.000 bis 45.000 Euro in Köln zum Aufruf kommt.
Blütenkunst Alter Meister
Neben Klassikern der Stillebenmalerei des 19. Jahrhunderts bietet Van Ham auch ein prunkvolles Werk Georg Flegels an, der häufig als erster deutscher Stillebenmaler tituliert wird. Sein „Blumen-Stillleben mit Distelfink und Heuschrecke“ dürfte in Frankfurt am Main entstanden sein, wo der aus Mähren stammende Maler bis zu seinem Tod 1638 tätig war (Taxe 80.000 bis 100.000 EUR). Kompositionell bildet es den Ausgangspunkt für spätere Werke, wie Jacob Marrels ebenfalls in einer Nische stehendes „Blumen-Stillleben mit Kaiserkrone, Tulpen, Narzissen und anderen Blumen in einer Vase“ von 1668. Überbordender Blütenreichtum, botanische Akkuratesse und ikonografische Doppeldeutigkeiten sind beiden Arbeiten zu eigenen, auch wenn sie gut 50 Jahre trennen (Taxe 25.000 bis 45.000 EUR). Ganz ohne Blumen kommt hingegen Peter Willebeecks frühbarockes „Stillleben mit Zitrone, Pfeife und Brot“ aus. Für das Paradebeispiel Antwerpener Stillebenmalerei der Rubens-Zeit in kleinem Format werden 20.000 bis 30.000 Euro erwartet. Franciscus Gysbrechts’ Zusammenstellung einer goldenen Helmkanne samt Becken, rotem Seidenstoff, Foliant und Grafikblättern weist in den Musikinstrumenten und den Uhren eher auf einen Vanitas-Gedanken hin (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR).
Die Aktivierung der menschlichen Sinne und das umfassende Wahrnehmen der Umwelt stehen in Mittelpunkt einer „Alten Dame, den Rosenduft genießend“ aus der Hand David Teniers’ d.J. Mit dem Duft der Rosen in der Nase mag die verhärmte Frau an eine vergangene Liebe denken; der treue Hund an ihrer Seite tut vielleicht dasselbe (Taxe 15.000 bis 25.000 EUR). Weniger rätselhaft und versteckt präsentiert sich der allegorische Gehalt in Adriaen van der Werffs Gemälde „Herkules zwischen Tugend und Laster“ aus der Zeit um 1715. Der mythologische Held sitzt zwischen den beiden weiblichen Personifikationen, die versuchen, ihm wahlweise die Welt der Tugendhaftigkeit oder der Vergnügungen schmackhaft zu machen. Wer die Geschichte des Tugendhelden Herkules kennt, erahnt, dass sich dieser in Wahrheit längst entschieden hat (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Mit viel Personal wartet Cornelis Dusart bei seinem ausgelassenen Dorffest um 1690 auf (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), während sich Jan Olis bei seinem Interieur mit rauchenden und trinkenden Soldaten beim Kartenspiel (Taxe 4.000 bis 8.000 EUR) und Cornelis Bega bei seiner bereits ausgelassenen Wirtshausszene auf einige wenige Personen konzentrieren (Taxe 7.000 bis 12.000 EUR). Einen Blick in die Künstlerausbildung zur Barockzeit gewährt Johann Heiss mit seiner „Mal-Akademie“, in der sich angehende Maler in einem Aktsaal um ein männliches Modell geschart haben (Taxe 6.000 bis 10.000 EUR).
Gold und Silber, Glas und Porzellan
Bereits am 12. November bringt Van Ham eine breite Auswahl kunsthandwerklicher Objekte zur Versteigerung, unter denen etwa eine Türmchenuhr von Nikolaus Schmidt d.Ä. heraussticht. Sie tut dies zum einen wegen ihrer stolzen Höhe von mehr als 50 Zentimetern, zum anderen durch ihren feinen Renaissance-Zierrat und ihre fantastische Feuervergoldung, die seit ihrer Herstellung in Augsburg um 1600 nichts von ihrem Glanz eingebüßt hat (Taxe 19.000 bis 21.000 EUR). Zu den großen Augsburger Silberschmieden des späten 17. Jahrhunderts zählt Hans Jacob Mair. Mehr als 3,5 Kilogramm bringt seine monumentale silberne Schauplatte auf die Waage, die die Traumdeutung Josephs aus dem Alten Testament in antiker Architekturkulisse zeigt, umringt von einem Dekor aus Fruchtgehängen und Knorpelwerk. Zwischen 30.000 und 50.000 Euro erwartet Van Ham für dieses seltene Stück, das entlang der breiten Fahne mit acht Ansichten von römischen Ruinen aufwartet. Nur drei weitere vergleichbare Arbeiten von Mair sind der Forschung bislang bekannt. In den Historismus geht es mit einem ausladenden Girandolenpaar samt Viktorien, bei dem die Firma Ludwig Neresheimer & Co. aus Hanau um 1900 Vorbilder des Empire kopiert hat (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Bei seinem nur rund fünf Jahre jüngeren Kaffee- und Teeservice „Blossom“ greift der Däne Georg Jensen dann schon die moderne Formensprache des floralen Jugendstils auf. Aufgrund der Handhaben aus Elfenbein darf die fünfteilige Garnitur nur innerhalb der EU verkauft werden (Taxe 12.000 bis 14.000 EUR).
Im Reigen früher Porzellane sticht bei Van Ham eine gedrungene Meißner Teekanne um 1725/30 mit farbig und golden staffierten Chinoiserien und KPM-Marke aus einer Hamburger Privatsammlung heraus (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Ebenfalls aus Meißner Produktion stammen mehrere Teedosen des 18. Jahrhunderts. Insbesondere Johann Ehrenfried Stadler prägte mit seinen Entwürfen die sächsischen Porzellane dieser Zeit, zu denen eine hexagonale Teedose mit indianischen Blumen und den sogenannten Stadler-Chinesen gehört (Taxe 2.500 bis 3.500 EUR). Um 1920 modellierte Gustav Oppel für die Aelteste Volkstedter Porzellanfabrik in Rudolstadt die nur weiß glasierte Figurengruppe „Wasseridyll“ mit einem lustigen Putto, der auf einem Seepferdchen reitet (Taxe 3.000 bis 5.000 EUR). Zwischen freien und angewandten Arbeiten pendelt das Schaffen des 1964 geborenen britischen Keramikkünstlers Edmund de Waal. Den Einfluss der japanischen Keramiktradition lassen sein Becher mit lichtheller Seladonglasur (Taxe 600 bis 800 EUR) und seine ebenfalls auf das Wesentliche reduzierte Teekanne aus der Mitte der 1990er Jahre spüren (Taxe 5.000 bis 6.000 EUR).
Unter den Glasarbeiten macht zunächst der französische Art Nouveau auf sich aufmerksam, etwa die Daum Frères mit ihrer langhalsigen Vase „Bryone“ um 1905, die auf der gelb-braunen Wandung mit Blättern und roten Beeren der giftigen Zaunrübe verziert ist (Taxe 9.000 bis 10.000 EUR), mit ihrer hohen Stangenvase samt aus blauem Grund grün wachsenden Narzissen mit weißen Blüten (Taxe 7.000 bis 8.000 EUR) oder Emile Gallé mit seiner Vase „Nuit de feuilles“ in Herbstfarben, die Zeilen des gleichnamigen Gedichts von Maurice Rollinat zitiert (Taxe 3.000 bis 5.000 EUR). Zudem sei auf Entwürfe des italienischen Designers Dino Martens hingewiesen. Dessen Kreation „Oriente Geltrude“ entstand um 1954 und präsentiert auf der Schauseite die für das Modell typischen markanten Augenbrauen und Nase (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Martens’ farbenfrohe, flach gebauchte und ringförmige Kanne „Eldorado“ stammt ebenfalls aus dem Jahr 1954. Das hier angewandte Verfahren aus Überfangglas, Pulver- und Plättcheneinschmelzungen, teils in Zanfirico-Technik, wurde nur zwischen 1952 und 1954 verwendet, was dieses Objekt zu einem begehrten Sammlerstück macht (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR).
Aufgrund seiner Größe kaum zu übersehen ist ein Überbauschrank mit den vier Evangelisten, der im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts in Köln gefertigt wurde. Das imposante, reich verzierte Möbel, das in seinem Inneren mit mehreren versteckten Fächern und Türen aufwartet, dürfte am Ende ein Preisschild zwischen 14.000 und 18.000 Euro tragen. Eine Liga darüber spielt ein Schreibschrank à trois corps aus der Zeit um 1765. Das in der Werkstätten von Johann Friedrich Spindler und Heinrich Wilhelm Spindler in Bayreuth oder Potsdam hergestellte Möbel besticht mit seinem aufwändigen Marketeriedekor und der leicht gewölbten Tabernakeltür mit Neptun und Najaden. Als der Einlieferer die Aufsatzschreibkommode 1984 bei Neidhardt Antiquitäten in München erwarb, dürfte er ein Mehrfaches der heute veranschlagten 20.000 bis 30.000 Euro gezahlt haben. Noch erschwinglicher kommt eine kleine Pfeilerkommode mit Rosenholzfurnier um 1750 daher, die aus der Pariser Manufaktur von Louis Péridiez stammt. Für 4.000 bis 6.000 Euro soll das feine Beistellmöbel in Köln einen neuen Besitzer finden.
Die Auktion „Works of Art & Art Nouveau“ beginnt am 12. November um 11 Uhr. Die Auktion „Fine Art“ startet am 14. November um 15 Uhr. Vorbesichtigungen sind jeweils zwischen dem 7. und 10. November von 10 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 16 und sonntags von 11 bis 19 Uhr möglich. |