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Aktuellzum Archiv:Auktions-Vorbericht

Architekturmalerei von Klenze, Nerly, Springer oder Quaglio, Tierbilder aus Afrika von Kuhnert, romantische Landschaften von Oehme oder Koekkoek und Genreszenen von Spitzweg, Kauffmann und Grützner – Lempertz versteigert eine potente Kunstsammlung zum 19. Jahrhundert

Plädoyer für eine vergessene Epoche



Leo von Klenze,  Ansicht von Atrani bei Amalfi, 1834

Leo von Klenze, Ansicht von Atrani bei Amalfi, 1834

Die Kunst des 19. Jahrhunderts hat es heute nicht leicht. Der Wandel des Geschmacks in den vergangenen fünfzig Jahren hat sich von den Neueren Meistern weitgehend auf die Moderne und Gegenwart verlagert. Die Preise für Gemälde vom Klassizismus bis zum Realismus rangieren derzeit weit hinter denen aus jüngeren Epochen. Wenn Lempertz nun eine Privatsammlung mit knapp hundert Positionen offeriert, von denen siebzehn an die Marke von 100.000 Euro heranreichen oder gar darüberliegen, müssen darin schon einige Highlights enthalten sein. So etwas kommt nicht alle Tage vor. Die Werke hatte ein westfälischer Sammler seit den 1980er Jahren mit einem sicheren Gespür für Qualität zusammengetragen und sich dabei auf die für ihn spannendsten Gattungen des 19. Jahrhunderts konzentriert: Landschaft, Genre, Veduten und Tiere hatten ihn besonders fasziniert. Dabei wurde er vor allem in den Katalogen der großen deutschen, aber auch internationalen Auktionshäuser bis in die vergangenen Jahre fündig. Seine Erben trennen sich nun von der exquisiten Kollektion und wollen nicht unbedingt die damals erzielten Preise wieder sehen.


Lempertz eröffnet die Auktion am 26. Oktober in Berlin mit mehreren Meisterwerken der Architekturmalerei und der Stadtansichten. Hier tut sich zunächst Leo von Klenze hervor, der als Architekt den Klassizismus in Deutschland wesentlich mitgestaltet und mit seinen zahlreichen antikischen Bauten vor allem das italienisch anmutende Stadtbild Münchens und die Landschaft in Bayern geprägt hat. Nach Italien zog es Klenze häufiger, wo er von der antiken, aber auch der Kunst des Mittelalters und der Renaissance begeistert war. Das spiegelt sich etwa in seinem Gemälde „Römische Bauten mit der Ansicht der Cloaca Maxima“ aus der Mitte der 1820er Jahre. Den Hauptabwasserkanal des antiken Rom mit seinem Rundbogen setzte Klenze ins Halbdunkel der Geschichte und ließ eine üppige Vegetation sprießen, die das Bauwerk aus dem sechsten Jahrhundert langsam überwuchert. Hierin zeigt sich schon der romantische Blick des Klassizisten. Auch eine der Staffagefiguren hat es in sich: Es soll Klenzes langjähriger Freund Martin von Wagner sein, der als Maler, Bildhauer und Kunstsammler, vor allem aber als Kunstagent für König Ludwig I. tätig war und Klenze als Cicerone durch Rom begleitete. 2018 bei Lempertz als Marktneuheit mit illustrer Provenienz für 300.000 Euro netto erworben, stehen nun 100.000 bis 120.000 Euro auf dem Preisschild.

Teuerstes Werk Klenzes soll sein Blick auf das abendliche Forum Romanum aus dem Jahr 1840 werden. Doch für die Reste des Saturn-Tempels, die korinthischen und ionischen Säulen des Vespasian- und Titus-Tempels und den Bogen des Septimius Severus hat sich die Erwartung seit dem letzten Auktionsauftritt bei Neumeister im Jahr 2002 von 530.000 Euro auf nun 300.000 bis 340.000 Euro ebenfalls deutlich reduziert. Auch für Orte an der Küste von Amalfi war Klenze empfänglich, etwa im Jahr 1834 für Atrani. Die Gebäude der kleinen Stadt hat er straff geordnet in die Höhe steigen lassen. Den Vordergrund vor der hohen Bogenbrücke, die eigentlich direkt am Meer liegt, hat Klenze frei zu einem romantischen Flusstal umgewandelt und damit dem Werk zusätzlich malerisches Gewicht verliehen. Nach den 205.000 Euro bei der Herbstauktion 2019 von Neumeister sind nun 150.000 bis 200.000 Euro vorgesehen.

Ein weiterer Freund des westfälischen Sammlers war Michael Neher, der bei seinen Veduten im biedermeierlichen Geist erzählerischer agiert und „Eine Straße in Tivoli“ 1832 durch einen Schausteller anreichert, der die Leute von ihrem Tagesgeschäft ablenkt (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Häufiger rückte Neher Kirchengebäude in den Mittelpunkt seiner Kompositionen, etwa die gotischen Bauten der Stiftskirche St. Peter von „Wimpfen im Tal“ aus dem Jahr 1864 (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR) oder der Martinskirche in Braunschweig zwei Jahre zuvor (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Für Nehers „Leonhardskirche in Frankfurt“ am Mainufer von 1855 und seinen Blick über den Marktplatz von Löwen mit dem hypertrophen spätgotischen Rathaus und der Peterskirche sind dann jeweils 80.000 bis 90.000 Euro fällig. In diese malerische Kerbe schlägt zudem Domenico Quaglio d.J. mit seiner Vedute der Marienkirche, des Marktplatzes und Rathauses in Hannover von 1834 mit geschäftigem Alltagstreiben, die 2009 bei Lempertz seinen Auktionsrekord von 190.000 Euro aufstellte und nun 80.000 bis 120.000 Euro sehen will, oder seine Ansicht der spätgotischen Kathedrale Notre-Dame in Reims aus dem Jahr 1827 (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR).

Adrianus Eversen nimmt uns dann nach Brügge mit, wo der Belfried seit 1853 im verschatten Halbdunkel aufragt (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR), Cornelis Springer nach Lübeck zu einem geschäftigen Markttag zwischen Rathaus und Marienkirche aus dem Jahr 1870 (Taxe 140.000 bis 160.000 EUR). Wie beschaulich der winterliche Hafen von Dordrecht im Jahr 1832 mit dem zugefrorenen Flussarm noch war, führt ein Gemälde von Hendrikus van de Sande Bakhuyzen vor Augen (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Dann geht es nochmals nach Italien. Die Begeisterung der vielen Venedig-Reisenden bediente der aus Erfurt zugewanderte Friedrich Nerly mit zahlreichen, teils ungewöhnlichen Veduten von der Serenissima. So hielt er den Canal Grande mit Santa Maria della Salute nach einem winterlichen Schneefall fest (Taxe 100.000 bis 120.000 EUR). Noch mehr Postkartenpanorama entwickelte Nerly bei seinem Blick über das abendliche Bacino di San Marco mit Booten und Segelschiffen im Vordergrund, dem Dogenpalst auf der rechten und Santa Maria della Salute auf der linken Seite (Taxe 250.000 bis 300.000 EUR). Noch weiter in den Süden zog es Oswald Achenbach, der am Strand von Neapel eine Puppenspielertruppe beim Kasperletheater zur Zeit der untergehenden Sonne entdeckte (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR).

In der Sammlung nimmt Ferdinand Brütts Gemälde „An der Börse“ von 1888 thematisch einen ungewöhnlichen Platz ein. In einem am akademischen Realismus geschulten Malstil zeichnet Brütt darin treffend die verschiedenen Charaktere der Personen: Spekulant, Intrigant, Gaffer, Raffer, der vornehme Kaufmann, der ängstliche Kalkulator und der abwägende Investor werden glaubwürdig geschildert (Taxe 80.000 bis 100.000 EUR). Fündig wurde der westfälische Sammler bei dem großen Münchner Biedermeier-Humoristen Carl Spitzweg im Auktionshaus Neumeister. 2001 erwarb er dort für 800.000 D-Mark den pazifistischen „Kanonier“, der strickend auf der überwucherten Festungsanlage steht und argwöhnisch auf den aufsteigenden Rauch in der Ferne schaut (Taxe 250.000 bis 300.000 EUR), ein gutes Jahr später den „Abgefangenen Liebesbrief“ dann schon für 440.000 Euro, den ein fescher blonder Student aus dem oberen Fenster eines Hauses an seine darunter wohnende Abgebetete herablässt. Allerdings hat die strenge Gouvernante die stille Post schon entdeckt (Taxe 80.000 bis 100.000 EUR).

Die Münchner Kunstakademie war im 19. Jahrhundert eine wichtige Kaderschmiede für angehende Maler und zog diese in Scharen an, so etwa auch den Schlesier Eduard von Grützner, der seine „Mogelei“ von 1890 mit zwei Jägern und einem Wirt zur Verfügung stellt, die versuchen einen behäbigen Landpfarrer beim Kartenspiel hereinzulegen (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), oder Hugo Kauffmann. Der gebürtige Hamburger war mit 23 Gemälden ein gern gesehener Gast in der Privatkollektion und ist ebenfalls für eine Gesellschaft von Kartenspielern in der Wirtsstube verantwortlich (Taxe 14.000 bis 18.000 EUR), genauso aber auch für humoristisch aufgefasste Musikanten (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR), für einen trefflich charakterisierten „Dorfpolitiker“ (Taxe 1.500 bis 2.000 EUR), einen Heiratsantrag mit noch unsicherem Ausgang auf dem Gemälde „Die gute Partie“ oder den großspurig „Jägerlatein“ in einer Runde erzählenden Bauern (Taxe je 15.000 bis 20.000 EUR).

Eine noch romantische empfundene Landschaft entwickelte Ernst Ferdinand Oehme 1839 mit seiner „Mühle im Eichtal“ samt knorrigem Baum, jungem Mädchen mit Krug und Mann mit Esel auf dem Waldweg (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Indem Barend Cornelis Koekkoek 1858 die „Wartburg bei Eisenach“ und vom Wind zerzauste Bäume in seine stimmungsvolle Hügellandschaft aufnahm, weist sich der Holländer gleichfalls als Vertreter einer Spätromantik aus (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Der Realist Peder Mork Mønsted steht für zwei Jahreszeitengemälde. Einen unbeschwerten „Sommer am Fluss“ mit zwei jungen Frauen im hohen Gras verewigte er 1898, eine „Untergehende Wintersonne“ rund zwanzig Jahre später mit einer alten Bauersfrau und ihrer Enkelin auf dem verschneiten Waldweg (Taxe je 80.000 bis 100.000 EUR). Bleibt noch der Tiermaler Wilhelm Kuhnert übrig, der als Illustrator für Haackes „Tierleben der Erde“, für Stollwerck-Sammelbilder oder für „Brehms Tierleben“ große Bekanntheit genoss. Auf seinen Reisen nach Afrika gehörte er zu den ersten, die die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten und malen konnten. Davon erzählen etwa sein erwachender Löwe (Taxe 100.000 bis 140.000 EUR) oder sein Löwenpaar, das von einer Anhöhe aus die Umgebung genau studiert (Taxe 120.000 bis 160.000 EUR).

Die Auktion „Romantik und Realismus. Veduten, Landschaften und Genrebilder einer Privatsammlung“ beginnt am 26. Oktober um 11 Uhr in der Berliner Dependance von Lempertz. Die Besichtigung ist bis zum 24. Oktober täglich von 10 bis 17 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.lempertz.com.

Kontakt:

Kunsthaus Lempertz

Poststraße 21-22

DE-10178 Berlin

Telefon:+49 (030) 278 760 80

Telefax:+49 (030) 278 760 86

E-Mail: info@lempertz.com

Startseite: www.lempertz.com



24.10.2024

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching

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