Die Fotografin Binia Bill in Winterthur | | Binia Bill, Selbstporträt mit Max Bill, 1931 | |
Laut der Fotostiftung Schweiz gilt Binia Bill als eine der bedeutenden Vertreterin der Schweizer Fotografie des 20. Jahrhunderts. Seit dem Wochenende widmet die Stiftung in Winterthur der 1904 in Zürich geborenen Künstlerin die Retrospektive „Bilder und Fragmente“. Bills Arbeiten dokumentierten nicht nur die Kunst- und Kulturszene ihrer Zeit, sondern zeigten sich als eigenständiges Werk, das die moderne Bildsprache der Vorkriegszeit mit einer individuellen Sensibilität vereint, so Kuratorin Teresa Gruber. Ziel ist nicht nur der Einblick in das Schaffen von Bill, sondern auch ihre Würdigung als Pionierin der modernen Fotografie. Dabei kann sich Gruber auf den gesamten fotografischen Nachlass stützen, der sich seit Anfang des Jahres in der Fotostiftung Schweiz befindet. Die Schau, in der neben Vintageprints auch etwa 78 neu produzierte Inkjetdrucke von teilweise nie publizierten Aufnahmen zu sehen sind, schlägt einen Bogen von der angewandten Fotografie bis zu freien Arbeiten und versammelt Produktinszenierungen, Architekturaufnahmen, Porträts, Stillleben und Pflanzenstudien.
Im ersten Raum wird über eine Reihe von Selbstporträts die junge Binia Bill vorgestellt, die sich Anfang der 1930er Jahre ihrem neuen Beruf zuwandte. Zuvor hatte Bill in Paris eine Ausbildung zur Konzertcellistin genossen und studierte 1930 Fotografie bei Lucia Moholy an der Berliner Itten-Schule. Zurück in Zürich arbeitete Binia Spoerri als freie Fotografin. In einem ihrer Selbstportraits hielt sie sich in einem Spiegel mit ihrer Kamera und einem kritischen Blick fest. 1931 heiratete sie den Architekten und Künstler Max Bill, was zugleich der Auftakt einer engen Zusammenarbeit war. Ihren frühen Auftragsarbeiten werden die von Max Bill gestalteten Prospekte, Plakate und Anzeigen gegenübergestellt. Ein wichtiger Auftraggeber des Ehepaars Bill war die 1931 gegründete Firma Wohnbedarf. So dokumentierte Binia Bill die Reklameschriften ihres Mannes an Schaufenstern und Gebäudefassaden, seine künstlerische Arbeit oder das 1933 erbaute Atelierhaus in Zürich-Höngg. Mit ihren Aufnahmen trug Binia Bill wesentlich zur öffentlichen Wahrnehmung von Max Bill bei.
Im zweiten Raum thematisiert eine Reihe von Porträts die Begegnungen und Freundschaften der Bills, etwa mit dem Architektenpaar Elsa Burckhardt-Blum und Ernst Friedrich Burckhardt oder den Künstler*innen Hans Arp, Max Ernst und Verena Loewensberg. In diesen Bildnissen überrascht Binia Bill mit teils ungewohnten Perspektiven, vor allem aber durch die familiär wirkende Inszenierung. Hinzu kommen reportageartige Bildgruppen, die etwa eine Schafschur, einen Kleintiermarkt in Paris und einen Wanderzirkus thematisieren. Den Abschluss bildet ihre Auseinandersetzung mit Körpern, Objekten und Pflanzen, die Binia Bill vor unterschiedlichen Hintergründen arrangierte. Sie orientierte sich dabei an einer avantgardistischen Fotografie, die die spezifischen Eigenschaften und Möglichkeiten des Mediums auslotete, gab etwa detailgetreu Oberflächen wieder oder experimentierte mit Ausschnitten und Perspektiven. Ein Beispiel hierfür ist der Zweig mit Blütenranke von 1934/36. Nach der Geburt ihres Sohnes Jakob Bill im Jahr 1942 fotografierte Binia Bill nur noch selten und ließ ihr Archiv bewusst in Vergessenheit geraten.
Die Ausstellung „Binia Bill – Bilder und Fragmente“ läuft bis zum 26. Januar 2025. Die Fotostiftung Schweiz hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr geöffnet. Das Haus bleibt am ersten Weihnachtstag und an Neujahr geschlossen. Der Eintritt beträgt 14 Franken, ermäßigt 12 Franken, für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren wie auch mittwochs ab 17 Uhr ist er kostenlos.
Fotostiftung Schweiz
Grüzenstrasse 45
CH-8400 Winterthur
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