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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Auktions-Vorbericht

Die Alten Meister im Wiener Dorotheum sind wieder einmal breit aufgestellt. Vor allem italienische Renaissance und Barock sind stark vertreten. Aber auch ausgesuchte Flamen lassen aufhorchen

Dämonische Vielfalt



Hieronymus Bosch, Hieronymus Bosch Nachfolger, Der Sturz des Zauberers Hermogenes

Hieronymus Bosch, Hieronymus Bosch Nachfolger, Der Sturz des Zauberers Hermogenes

Die Welt des Unheimlichen ergibt meistens keinen Sinn: Ein schielender Mann, der Xylophon spielt. Ein Glatzkopf, der einen Handstand auf langen Holzstelzen vollführt. Ein Akrobat, der ein Schwert auf seinem Kinn balanciert. Ein Seiltänzer mit Fischkopf und ein rotes Teufelchen, das in grotesker Verrenkung einen Schellenreif schüttelt. Inmitten dieses dämonischen Treibens wird ein weißbärtiger Zauberer in grünem Mantel kopfüber von gespenstigen Kreaturen fortgetragen. Gebieter über all das Unheil ist ein Heiliger, der rechts den Bildraum betritt. Die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, vertreibt der heilige Antonius die Dämonen. Die Bildwelt des Hieronymus Bosch ist voller unheimlicher Rätsel und fasziniert nicht zuletzt deswegen bis heute. Obschon der Maler 1516 starb, war die Nachfrage nach seiner Kunst auch hundert Jahre später noch immer ungebrochen. Unbeeindruckt davon, dass das Kopieren seiner Bilder in Antwerpen im 16. Jahrhundert offiziell verboten wurde, blieb Boschs Nachfolgerschaft groß. Ein eindrucksvoller Beweis dieses Phänomens kommt mit dem „Sturz des Zauberers Hermogenes“ im Dorotheum jetzt zum Aufruf. Der Schätzpreis von 60.000 bis 80.000 Euro bezeugt, dass Bosch und seine Anhänger nach wie vor zu verzaubern wissen.


Geradezu spektakulär ist das Toplos der Auktion „Alte Meister“ vom 22. Oktober. Ein kleinformatiges Diptychon des Renaissance-Malers Perugino. Die zwei Tafeln aus den 1490er Jahren zeigen den dornengekrönten Christus und die Jungfrau Maria. Sie waren einst mit muschelförmigen Scharnieren miteinander verbunden und mit geprägtem Leder hinterlegt, was den Einband einer Handschrift oder eines liturgischen Textes imitieren sollte. Das leicht zu transportierende Diptychon entstand vermutlich während Peruginos Aufenthalt in Venedig und fungierte als Hausaltar. Die intimen und überaus einfühlsamen Bildnisse strahlen eine strenge und auffordernde, beinahe irritierende Präsens aus. Mit 600.000 bis 800.000 Euro ist das Diptychon deutlich unter den Millionenmarke angesetzt, allerdings bringt das umfangreich ausgestellte und publizierte Werk durchaus das Potential für ein spannendes Bietergefecht mit.

Madonnen an der Spitze

Zu den talentiertesten Schülern von Peruginos berühmten Schützling Raffael zählt der römische Maler Giulio Romano. Dieser ist in Wien mit einer frühen kleinformatigen Darstellung der Heiligen Familie bei der „Mystischen Vermählung der heiligen Katharina“ vertreten. Das Gemälde wird in die Zeit um 1526 datiert, als Giulio in Mantua arbeitete, und ist von Raffaels feinfühligen Madonnenbildern inspiriert. 400.000 bis 600.000 Euro sollen für die später auch von Tizian genauestens studierte Arbeit fällig werden. Ebenfalls in diesem Preisspektrum bewegt sich eine „Madonna mit Kind“ von Artemisia Gentileschi um 1609/10. Die gefeierte Künstlerin malte die „Maria lactans“ im Alter von 16 oder 17 Jahren und griff später wiederholt auf das hier entwickelte Figurenmuster zurück. Physische und emotionale Nähe werden hier genauso ins Bild gesetzt wie mütterliche und theologische Verbundenheit, familiäre Zweisamkeit gepaart mit weltumspannender Verbindlichkeit. Artemisia selbst wird später vier Kinder gebären, von denen nur eines das Erwachsenenalter erreichen sollte.

Die Riege der manieristischen Kunst wird im Dorotheum von einem Mitarbeiter des Florentiner Malers Jacopo Carucci, besser bekannt als Pontormo, angeführt. Die Komposition zeigt Maria als „Madonna dell’Umiltà“ auf dem Boden sitzend, ohne Thron, Heiligenschein oder andere Symbole, die sie als Mutter Jesu ausweisen. Im Hintergrund ist der heilige Josef bei seiner Arbeit als Zimmermann zu sehen, während der junge Johannes der Täufer ihm einen Korb mit Kirschen reicht, die auf die Passion Christi vorauswissen. Diese Version von Pontormos „Madonna del Libro“ ist mit 300.000 bis 400.000 Euro angesetzt. Abgeschlossen wird die hochpreisige Versammlung von Darstellungen der Muttergottes durch eine emotionale Rötelzeichnung Peter Paul Rubens, die nach einer Vorlage von Giulio Romano entstand. Die Frage, ob Rubens die Vorlage in seiner Zeichnung kopierte oder er eine zeichnerische Kopie von Giulios Blatt besaß und dieses eigenhändig überarbeitete, wurde in der Rubens-Forschung mehrfach diskutiert. Der Preisfindung mag dieses Rätsel nur dienlich sein (Taxe 120.000 bis 150.000 EUR).

Großes Kino

Domenico Fiasella war im 17. Jahrhundert der führende Maler Genuas. Kurz nachdem er 1615 in die reiche Hafen- und Kunstmetropole übersiedelte, schuf er ein Gemälde von „Kain und Abel“, dem ältesten Brudermord der Geschichte. Die dramatische Szene spiegelt deutlich den Einfluss Caravaggios wider, der sich in den starken Hell-Dunkel-Effekten und in der Körperhaltung Kains zeigt, die möglicherweise von Caravaggios „Martyrium des heiligen Matthäus“ inspiriert wurde. 200.000 bis 300.000 Euro müssen Interesssenten für dieses kapitale Gemälde des italienischen Barock aufbringen. Eine Wiederentdeckung ist Mattia Pretis „Bacchanal“ aus der Zeit um 1640. Einst hing es in der Sammlung des Königshauses von Savoyen und war bislang nur aus alten Inventaren bekannt. Die in dramatisches Hell-Dunkel gehüllte mythologische Szene ist stolze 2,5 Meter breit und beeindruckt in ihrer berauschenden und dystopischen Ausgelassenheit (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). Hingegen bestens publiziert und ausgestellt ist Giovanni Francesco Romanellis „Tod der Kleopatra“ von 1635/45. In überbordender barocker Üppigkeit wird der Selbstmord der berühmten Pharaonin erzählt, der bis heute sagenumwogen ist (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Ein weiteres Werk im Einflussbereich Caravaggios ist die mit Schlaglicht gemalte Darstellung eines Kirchenvaters in einfacher mönchischer Kleidung, mit der Dirck van Baburen wohl den heiligen Augustinus oder den heiligen Ambrosius intendiert hat (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR).

Verrat und Liebe, Wahrheit und Betrug liegen manchmal gefährlich nah beieinander, so auch in Giuseppe Vermiglios „Judaskuss“. Die schillernden Stoffe und Metalle sowie die wechselseitig hell erleuchteten oder dunkel verschatteten Gesichter geben der Komposition einen dramatischen wie unheilvollen Charakter. Im November 2020 von dem kalifornischen Geschäftsmann Roy T. Eddleman für 300.000 Euro netto im Dorotheum angekauft, sind jetzt die Preisvorstellungen deutlich auf 100.000 bis 150.000 Euro gesunken. Das gleiche Preisschild trägt eine heitere Festgesellschaft von Giovanni Antonio Guardi. Sie war einst Teil der 43 Gemälde umfassenden Serie türkischer Szenen, die der österreichische Feldmarschall Matthias Johann von der Schulenburg zwischen 1742 und 1743 in Auftrag gegeben hatte. Einst hingen sie in dessen venezianischem Heim, dem Palazzo Loredan. Heute hat sich kaum mehr die Hälfte von ihnen erhalten. Guardis „Drei Paare in exotischen Gewändern beim Tanz um ein Feuer“ kommen nun zum ersten Mal bei einer öffentlichen Auktion für 100.000 bis 150.000 Euro zum Aufruf.

Kleines und Feines

Das Dorotheum überzeugt auch mit einigen Schmankerln im unteren Preissegment. Hierzu zählt etwa ein „Segnender Christus“, der vor einem Landschaftsausblick an einem gedeckten Tisch sitzt. Die Christusfigur bezieht sich auf das Letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci, dessen Schule das Bild auch zugewiesen wird (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). In den Schuhen eines großen Vorbilds bewegte sich zudem Marco Liberi, als er seine „Venus mit zwei Putten“ malte, die auf einer Erfindung seines Vaters Pietro Liberi beruht, diese jedoch in eine anmutigere und gefälligere Malerei überführt (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Aus einer Malerdynastie stammte ebenfalls Carlo Caliari: er war der jüngste Sohn von Paolo Caliari, der als Paolo Veronese Berühmtheit erlangte. Carlos signierte, spätmanieristische und feinmalerische „Anbetung der Hirten“ soll 30.000 bis 40.000 Euro einspielen.

Zu den Preziosen der Offerte zählt Frans Mostaerts betörender Tondo einer weiten Flusslandschaft mit einer Burg inmitten eines Dorfes. Von Mostaert sind nur wenige Werke erhalten. Er soll 1560 an der Pest gestorben sein, als sein berühmtester Schüler, Bartholomäus Spranger, erst wenige Wochen bei ihm war (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Weitaus öfter sind Landschaften des Niederländers Aert van der Neer überliefert. In Wien ist eine stimmungsvolle „Mondbeschienene Flusslandschaft“ für 30.000 bis 50.000 Euro zu haben. Der Barockmaler Giovanni Battista Salvi ist mit zwei Madonnen vertreten. Elegante Kompositionen, ein emailhafter Farbauftrag und idealisierte Gesichtszüge zeichnen seine Werke aus. Eine oval gefasste Madonna mit schlafenden Christuskind kommt auf 20.000 bis 30.000 Euro, während eine andächtig betende, jedoch stark vergilbte Maria auf 15.000 bis 20.000 Euro taxiert wird.

Deutliche Anklänge an die venezianische Malerei im Umfeld Tiepolos offenbart die biblische Szene „Esther vor Ahasver“ von Francesco Zugno d.J., der seit etwa 1730 Schüler des großen Malers und später dessen Mitarbeiter war (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Im venezianischen Kunstkreis bleibt es mit Francesco Fontebassos Tronie eines alten bärtigen Architekten mit Turban (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR) und mit Michele Marieschis eher intimer Vedute vom Campo Santi Giovanni e Paolo mit der Scuola di San Marco im Hintergrund (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR). Mit dem nach Italien ausgewanderten Engländer Thomas Patch richtet sich der Blick dann nach Florenz, der in seinen beiden Veduten den Arno in den Mittelpunkt rückt und einmal den Ponte alle Grazie vom Molo di Santa Maria Sopr’Arno erspäht (Taxe 70.000 bis 90.000 EUR), das andere Mal den bekannteren Ponte Santa Trinita mit Booten einfängt (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). An deutschen Künstlern melden sich etwa Johann Michael Rottmayr mit seiner alttestamentlichen Erzählung von „Joseph und Potiphars Weib“ aus dem Jahr 1695 (Taxe 70.000 bis 100.000 EUR) oder Johann Heiss mit einer figurenreichen Allegorie der Vier Elemente zu Wort (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR).

Die Auktion „Alte Meister“ beginnt am 22. Oktober um 18 Uhr. Die Besichtigung ist bis zum Auktionsbeginn täglich von 10 bis 18 Uhr, sonntags von 14 bis 17 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Werke unter www.dorotheum.com.

Kontakt:

Dorotheum

Dorotheergasse 17

AT-1010 Wien

Telefon:+43 (01) 515 60 0

Telefax:+43 (01) 515 60 443

E-Mail: client.services@dorotheum.at

Startseite: www.dorotheum.com



17.10.2024

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Maximilian Nalbach

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