Der 1571 geborene Michelangelo Merisi da Caravaggio hat unübersehbare Spuren in der Kunst hinterlassen. Seine naturalistischen Bilder, die er in einer raffinierten und kontrastreichen Hell-Dunkel-Malerei ausführte, haben nicht nur seine Zeitgenossen, sondern auch zahlreiche Generationen an Malern bis in die Gegenwart geprägt. Zu ihnen gehört Dirck van Baburen, der 1612 zwei Jahre nach Caravaggios frühem Tod in Rom eintraf und hier die Kunst seines großen Vorbilds aufsog. 1620 kehrte er in seine Heimat Utrecht zurück und begründete zusammen mit Gerrit van Honthorst und Hendrick ter Brugghen den Ruf der Stadt als Hochburg der Caravaggio-Nachfolge. Recht bald nach seiner Rückkehr aus Rom schuf Baburen mit der „Opfergabe an Ceres“ eine seiner kühnsten Kompositionen. Im Mittelpunkt der fünf Menschen, die der Gottheit eben Gaben darbringen, steht die Rückenfigur eines Soldaten mit glänzendem Brustpanzer, der ebenso auf die Götterstatue deutet, wie sein Begleiter mit Weihrauchfass zur Linken, der halb liegend beinahe aus dem Bild zu fallen scheint. Das scharfe Schlaglicht von links beleuchtet seine Schulter, wie auch die beiden Frauen mit Renaissancelaute und Blumen auf der rechten Bildseite, während das ebenfalls Blumen haltendende Mädchen in der Mitte verschattet im Halbdunkel steht. Das letzte Mal hatte das fast zwei Meter breite Gemälde im Dezember 2013 bei Sotheby’s in London seinen Auktionsauftritt und wurde für 480.000 Pfund zugeschlagen. Daran orientiert sich nun der Schweizer Versteigerer Koller und hofft auf 500.000 bis 800.000 Franken.
Wem dies zu teuer ist, kann für 40.000 bis 60.000 Franken bei Dirck van Baburens offenherziger Szene „Die Kupplerin“ zugreifen, die vor einem Soldaten einer jungen Frau eben das Mieder aufschnürt. Allerdings muss er dafür einen hohen Werkstattanteil, eine schlichtere Bildanlage und einen schlechteren Erhaltungszustand in Kauf nehmen. Gegen die von Baburen fast überlebensgroß inszenierten Figuren nehmen sich die unzähligen Edeldamen und -herren, die sich im Forêt de Soignes bei Brüssel um den Teich Vivier d’Oye versammelt habe, nahezu winzig aus. Anlass ist die Ankunft des Erzherzogenpaars Albrecht VII. von Österreich und Isabella Clara Eugenia von Spanien, die Denis van Alsloot und seine Werkstatt beinahe unauffällig in einer Kutsche im Vordergrund platziert haben (Taxe 150.000 bis 250.000 SFR). Auch nicht viel größer hat Adriaen Pietersz van de Venne sein elegantes Figurenpersonal auf einem Tondo angelegt, das sich auch einem zugefrorenem Fluss vor einer Stadt beim Eislaufen vergnügt (Taxe 300.000 bis 400.000 SFR). Der Wintersaison haben sich zudem Josse de Momper d.J. und Jan Breughel d.J. mit einer Stadt an einem vereisten Fluss verschrieben und sie mit kleinen Menschen bei alltäglichen Verrichtungen angereichert (Taxe 150.000 bis 200.000 SFR). In selber Konstellation entstand um 1630 zudem noch eine fantasievolle Küstenformation mit Fischverkäufern (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR).
Antwerpener Kooperationen
Für seine Heilige Familie bei der Rast auf der Flucht nach Ägypten hat sich Jan Breughel d.J., der die weite, dunstige, nach hinten verblauende Flusslandschaft malte, dann Unterstützung bei Pieter van Avont geholt. Sein Antwerpener Kollege steuerte die Figuren bei, die in leuchtendes Rot kontrastreich gekleidete Maria mit dem Kind, den farblich zurückhaltenden Josef, den jungen Johannes den Täufer mit dem Lamm und einige quirlige Engelchen (Taxe 60.000 bis 80.000 SFR). Schon sein Vater Jan Brueghel d.Ä. war Kollaborationen nicht abgeneigt und engagierte Hans Rottenhammer für die zahlreichen, um 1596 in leuchtendem Kolorit gehaltenen Personen auf der vor kurzem wiederentdeckten Kupfertafel „Die Auferweckung des Lazarus“ (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Jan van Goyen arbeitete dagegen lieber für sich selbst und gestaltete allein seine sogenannten „tonalen“ Landschaften samt den dort angesiedelten Menschen, wie den Fischverkäufern „Am Strand von Scheveningen“ von 1641 (Taxe 100.000 bis 150.000 SFR). In einer auf Ockertöne reduzierten Palette hat zudem Isaac van Ostade sein „Eisvergnügen auf einem Dorfplatz“ angelegt. Mehr Farbe kommt dann bei Jan Wildens und seiner großformatigen weiten Flusslandschaft mit einer Fähre wohl aus den späten 1630 Jahren ins Spiel (Taxe je 60.000 bis 80.000 SFR).
Für die Stilllebenkunst der alten Flamen steht diesmal vor allem Jan van Kessel d.Ä., der auf einem Tisch vier Teller mit kandierten und frischen Früchten, weiteres Obst, Zuckergebäck, mehrere Gefäße und eine Tazza mit Blumen zu einem köstlichen Mahlzeitstillleben arrangiert und keck noch zwei knabbernde Meerschweinchen und ein Eichhörnchen dazwischen platziert hat (Taxe 80.000 bis 120.000 SFR). Bei Carstian Luyckx gibt es nichts zu essen; vielmehr hat er sich bei seinem dekorativen Stillleben auf Muscheln, eine kunstvolle Schatulle, Spielkarten, einen Korallenbaum und die Skulptur eines Knaben konzentriert, die auch in fürstlichen Kunstkammern zu finden waren (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Dazu gesellen sich etwa noch Gillis de Bergh mit seiner Komposition aus Sektflöte, Trauben, Wanli-Schale und Papagei für 20.000 bis 30.000 Franken oder Cornelis de Bryer mit seiner dichten Anhäufung saftiger Kirschen, Zwetschgen und Quitten samt Haselnüssen für 8.000 bis 12.000 Franken.
Die alten Italiener
Die italienische Kunst reicht nochmal einige Jahrhunderte weiter zurück. Los geht es im späten 14. Jahrhundert mit der Altartafel der heiligen altrömischen Märtyrin Christina von Bolsena, die als formatfüllende imposante hieratische Gestalt nebst putzigem Stifter um 1370/80 in Venedig von einem Maler im Umfeld Catarino Venezianos geschaffen wurde (Taxe 60.000 bis 80.000 SFR). Daran schließen sich die auf Goldgrund gemalten Heiligen Agatha und Barbara des Sienesers Taddeo di Bartolo in einem der Gotik nachempfundenen Rahmenwerk des 19. Jahrhunderts an (Taxe je 20.000 bis 30.000 SFR) oder die etwa zeitgleich in den letzten Jahren vor 1400 entstandene thronende Madonna mit vier Heiligen des in Florenz tätigen Maestro di Sant’Ivo (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Schon im Frühjahr 2021 hatte Koller drei Tafeln eines mehrflügeligen Altars von Battista di Biagio Sanguigni, aufgeteilt auf zwei Losnummern, für zusammen mindestens 160.000 Franken im Angebot. Jetzt hat sich die Schätzung für die zentrale Madonna mit Kind, Engeln und Stifterfamilie sowie die begleitenden Heiligen Jakobus d.Ä. und Maurus respektive Johannes den Täufer und Antonius Abbas halbiert.
Mit Symbolen ist eine hochformatige nackte weibliche Allegorie von Giovanni Maria Butteri überladen. In einem Brief an den Bischof von Arezzo deutet Giorgio Vasari die Embleme als Hinweise auf die Tugend der Geduld (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR). Allegorisch betätige sich auch ein weiterer Künstler der italienischen Renaissance: Jacopo da Ponte, der nach seinem Geburtsort auch Jacopo Bassano gerufen wurde, ersann mit Liebe zum Detail eine Ernteszene mit mehreren Personen und reich gefüllten Körben um einem gedeckten Tisch, die damit sinnbildlich für den Herbst steht (Taxe 80.0000 bis 100.000 SFR). Sein Sohn Leandro Bassano steht dann schon am Übergang zum Barock, was man seiner biblischen Erzählung „Moses schlägt Wasser aus dem Stein“ in der Bewegtheit der Figuren ansieht (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR).
Der enthauptete Kopf von Johannes dem Täufer, den Frauenhände auf einer Schlage tragen, wird dem 1588 in Bologna geborenen Francesco Gessi zugeschrieben. Angesichts der individuellen zarten Gesichtszüge und der romantischen Auffassung könnte man auch an einen französischen Maler des 19. Jahrhunderts denken (Taxe 4.000 bis 6.000 SFR). Den Abschluss bei den Gemälden der Alten Meister machen wenige Werke des Klassizismus, unter denen Angelika Kauffmann herausragt. In einem kleinen Selbstporträt von 1780 zeigt sie sich selbstbewusst als Malerin mit Pinsel und Palette in den Händen (Taxe 30.000 bis 50.000 SFR), während sie sich auf ihrem zweiten Oval mit viel Pathos der tragischen weiblichen Königin Dido aus Vergils „Aeneis“ widmet, die aus Liebeskummer eben auf den Scheiterhaufen steigt (Taxe 70.000 bis 90.000 SFR).
Frankreich über allem
Bei den Gemälden des 19. Jahrhunderts steht Eugène Boudin mit drei charakteristischen Bildern unangefochten an der Spitze: Seinem bewölkten Tag am Hafen von Le Havre mit großen Segelschiffen von 1892 für 120.000 bis 160.000 Franken, den kleineren Segelbooten im Küstenstädtchen Trouville, die bei Ebbe auf Grund gelaufen sind, für 80.000 bis 100.000 Franken und die ebendort nah aufgenommenen „Bateaux échoués“ von 1891 für 50.000 bis 70.000 Franken. Erst auf diesem Preisniveau kommt dann Barend Cornelis Koekkoek mit seinem weiten Blick über die niederrheinische Ebene mit einem Bauern samt Planwagen bei aufziehendem Sturm von 1847 zum Zug. Der Däne Peder Mork Mønsted gab 1907 seinem Landschaftsausschnitt an einem Waldbach in den starken Lichtreflexen etwas Impressionistisches, in der klaren Malweise aber auch etwas Fotorealistisches (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Letzterer Stil herrscht zudem bei Jules Adolphe Goupils Gemälde „Nach dem Kirchgang“ von 1866, bei dem eine vornehme Mutter und ihr adrett gekleidetes Kind einer Bettlerin ein milde Gabe überreichen (Taxe 10.000 bis 15.000 SFR), ebenso bei François-Adolphe Grisons Genreszene im Café, in dem ein Arbeiter einen anderen Gast doch recht belästigt (Taxe 5.000 bis 8.000 SFR).
Die Malerei aus Frankreich ist überhaupt recht gut aufgestellt, vor allem mit Landschaften aus der Schule von Barbizon, etwa mit Charles-François Daubignys „Paysan au bord de l’Étang“ (Taxe 15.000 bis 25.000 SFR), Léon Richets Mühle an einem Teich von 1873 (Taxe 10.000 bis 15.000 SFR) oder Paul Désiré Trouilleberts Gänsehirtin vor einem Bauernhof (Taxe 7.000 bis 10.000 SFR). Verlustreich will sich der Eigentümer von Théodore Chassériaus feinem Bildnis der Schauspielerin Alice Ozy in südländischem Kostüm trennen, das er 2010 bei Fischer in Luzern für netto 90.000 Franken erworben hat. Nun stehen nur noch 25.000 bis 35.000 Franken auf dem Etikett. Mit lockerem summarischem Pinsel hat Ernest Meissonier 1871 einen Connaisseur in Rokoko-Gewand beim Studium mehrerer Stiche eingefangen (Taxe 4.000 bis 6.000 SFR).
Der gebürtige Genfer Jacques-Laurent Agasse etablierte sich um 1800 in London vor allem als gefragter Tiermaler, aber auch als Portraitist. Für sein charmantes Gemälde „Das Geheimnis“ standen ihm 1833 mit Georgina Booth und ihrem jüngeren Bruder George die Kinder seines Vermieters Modell (Taxe 30.000 bis 40.000 SFR). Ein Jahr älter als Agasse ist der ebenfalls in Genf geborene Wolfgang-Adam Töpffer, der um 1835 mit biedermeierlicher Akkuratesse einige Landleute bei der Rast in einer sonnigen Schweizer Ebene festhielt (Taxe 12.000 bis 18.000 SFR). Romantisches Empfinden spricht aus Barthélemy Menns Leinwand „Pauvre mère, ton fils est mort“ von 1837: Ausgelöst durch den Tod eines Kindes des Genfer Malers Jules Hébert zeigt Menn eine trauernde Mutter an der Wiege ihres toten Neugeborenen, während ein Engel dessen Seele schon gen Himmel trägt (Taxe 7.000 bis 10.000 SFR). Eine heitere Stimmung verbreitet dagegen Friedrich Mayers abendlicher Weitblick über den Golf von Neapel auf den rauchenden Vesuv in mildem Licht der untergehenden Sonne (Taxe 8.000 bis 12.000 SFR).
Malerisch geht es zunächst auch bei den Arbeiten auf Papier weiter. So stellt der wenig bekannte Miniaturmaler Cesare Franchi die Gouache einer originellen figurenreichen Sacra Conversazione zur Verfügung, bei der hinter der Madonna eine Heilige auf einem Altar thront (Taxe 8.000 bis 12.000 SFR). Auch der englische Orientalist John Frederick Lewis hat sein Blatt „A fakeer at the door of a mosque – Constantinople“ 1863 mit leuchtenden Aquarell- und Gouachefarben ausgeführt (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Aber dann gibt es doch auch viel klassisch Zeichnerisches, darunter die Tuschestudie eines stehenden Orientalen mit Schlapphut von Giovanni Battista Tiepolo (Taxe 10.000 bis 15.000 SFR) oder Jakob Philipp Hackerts exakt angelegtes Blatt der Latomia dei Cappuccini von Syrakus mit zwei Besuchern aus dem Jahr 1790 (Taxe 2.000 bis 3.000 SFR). Pferdeliebhaber werden unter anderem mit Hippolyte Lalaisses quadrierten Studie des Comte de Mouts auf seinem Ross oder mit mehreren Aquarellen von Antoine Charles Horace Vernets entlohnt (Taxen zwischen 600 und 2.000 SFR). Am Übergang zum 20. Jahrhundert stehen Henri Martins zwischen Impressionismus und Symbolismus changierende Kreidezeichnung einer jungen nachdenklichen Frau mit Blumen (Taxe 1.500 bis 2.000 SFR) und Jan Toorops klares ausdrucksstarkes Profilportrait der Dora Luthy-Arbenz aus dem Jahr 1909 (Taxe 2.000 bis 3.000 SFR).
Die Auktion beginnt am 23. September um 10 Uhr. Die Vorbesichtigung läuft vom 16. bis zum 20. September täglich von 10 bis 18 Uhr. |