Jürgen Brodwolf wird 90 Der in Dübendorf bei Zürich geborene Jürgen Brodwolf feiert heute seinen 90. Geburtstag. Der Schweizer Bildhauer und Objektkünstler ließ sich bereits als Kind von verschiedenen Naturgegenständen inspirieren, um Szenisches zu gestalten. Heute ist er vor allem für seine Tubenfigur bekannt. Von einer fast leeren Farbtube angeregt, entwickelte er dieses Ready-made weiter; so bevölkern diese Wesen bis heute seine Schöpfungen. Ab 1965 entstanden die ersten Figurenkästen, so sein „Ertüchtigungsraum“, ein elektromechanischer Guckkasten von 1975. Das Amalgam aus Vogelbauer und Fitnessstudio im Format einer Puppenstube besteht lediglich aus Blech, Spiegel, Drahtgitter und bewegliche Tubenfiguren. Sofort hinterfragt man sowohl das eigene Dasein wie das eines Wellensittichs. Mittlerweile tauchen seine Tubenfiguren auch auf Reliefarbeiten oder Rötelzeichnungen auf. So entstanden jüngst im ehemaligen Krankenhaus in Kandern an den Hängen des südlichen Schwarzwalds, das er 1995 zu seinem Arbeits- und Wohnort umfunktioniert hat, mehrere Zeichnungsserien, die teilweise von Reisen und Wanderungen inspiriert sind.
Als Einzelkind in einer unberührten Natur aufgewachsen, ließ sich Jürgen Brodwolf an der Berner Kunstgewerbeschule ab 1948 zum Zeichner und Lithografen ausbilden. Nach einem Studium in Paris machte er ab 1953 erste Schritte als Maler. Zwei Jahre darauf konnte er sich dank des Eidgenössischen Preises für freie Kunst in Vogelbach im Südschwarzwald einrichten und als Fresko-Restaurator sowie Glasmaler arbeiten. Ab 1976 lehrte er darstellendes Zeichnen an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim. Von 1982 bis 1994 nahm er als Nachfolger von Rudolf Hoflehner die Professur für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart wahr. Von seinen Schülern sind vor allem Camill Leberer und Karin Sander bekannt.
1977 nahm Brodwolf an der sechsten Ausgabe der Documenta in Kassel, 1982 an der Biennale in Venedig teil. In dieser Zeit löste er sich von der kleinen Tube und konnte, indem er die Figuren aus Blei formte, auf größere Formate übergehen. Ab den 1990er Jahren verwendete er auch Papier und Pappmaché aber auch Wachs, um seine Tubenfiguren zu formen, die er mit anderen Alltagsgegenständen, wie Pinsel, Stoffe oder Ofenkacheln, kombinierte. Seit der Jahrtausendwende verwendet Brodwolf auch Bronze als Arbeitsmaterial. In der Zeit der Pandemie, der jüngsten „Naturkatastrophe“, wie er selbst sie bezeichnet, verfeinerte Brodwolf seine Arbeiten mit Rötel. Noch schockiert den Künstler der Krieg in der Ukraine. Die aktuellen Nachrichten des Konflikts hat er allerdings noch nicht in seinem Werk verarbeitet, wie er anlässlich seines Geburtstags in einem Interview mit seiner Galeristin Alexandra Henze Triebold erklärte. So bleibt der Einfluss der jüngsten Zeitgeschichte abzuwarten.
Mit zahlreichen Preisen gewürdigt, darunter dem Hans-Thoma-Preis und dem Düsseldorfer Kunstpreis der Künstler, bespielt Jürgen Brodwolf unermüdlich Ausstellungen. Zuletzt waren seine Werke etwa in der Antwerpener Galerie Schoots + van Duyse, in der Schau „Entschleunigung“ in der Galerie Henze & Ketterer & Triebold in Riehen bei Basel oder im Hans-Thoma-Kunstmuseum in Bernau im Schwarzwald zu sehen. |