 |  | Arne Jacobsen, Egg-Chair, 1958 | |
Dänemark ehrt in diesem Jahr einen seiner bekanntesten Architekten und Designer des 20. Jahrhunderts. 100 Jahre alt wäre er 2002 geworden, der Mann, der die dänische Architektur und das dänische Design revolutionierte und weltweit bekannt machte - Arne Jacobsen. Am Werk dieses Multitalents kommt niemand vorbei. Angefangen bei Architektur und Möbeln über Lampen und Geschirr bis hin zum Besteck entwarf er alles, was die Sinne erfreut.
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte am 11. Februar 1902 in Claessensgade, Kopenhagen. Arne Jacobsen wuchs im Schoße einer jüdischen, bürgerlichen Familie auf, die vor einigen Generationen aus Portugal nach Dänemark emigrierte. Sein Vater, Johann, verdiente sein Geld als Großhändler für Sicherheitsnadeln und Druckknöpfe, seine Mutter, Pouline, war Bankangestellte und Hobbymalerin. Schon als Kind tat Arne sich als großes zeichnerisches und darstellendes Talent und ruheloser, possenreißender Schüler hervor. Eigentlich wollte er Maler werden, doch sein Vater überredete ihn, ein Architekturstudium zu beginnen. Und so sollte es auch kommen. Bereits mit 18 Jahren erhielt er seine Zulassung an der königlichen Akademie der schönen Künste in Kopenhagen. Nach Beendigung seines Studiums 1927 an jener Akademie, an der er später, zwischen 1956 und 1965 selbst als Professor tätig werden sollte, arbeitete Jacobsen zunächst im Architekturbüro von Paul Holsoe, der ihn 1929 an dem Wettbewerb zum Thema „Haus der Zukunft“ teilnehmen ließ.
Damit wurde der Durchbruch von Jacobsen in dessen 27. Lebensjahr besiegelt. Er gewann den Wettbewerb gemeinsam mit seinem Studienkollegen Flemming Lassen mit der Präsentation eines unkonventionellen runden Hauses aus Beton und Glas. Dieser Entwurf, mit eigenem Hubschrauberlandeplatz und Garage für ein Motorboot, revolutionierte den Stil des Funktionalismus, nach dem die Form des Gebäudes grundsätzlich durch die Funktion bestimmt sein soll. Dieses „Haus der Zukunft“ sollte das erste Gesamtkunstwerk Jacobsens sein. Neben der Architektur entwarf er das Innendesign, die Farbigkeit, die Möbel, die Teppiche und Tapeten.
Bereits 1931 gründete der Architekt sein eigenes Büro. Orientierte er sich ideologisch und stilistisch bis dahin am Bauhaus und Le Corbusier, entwickelte Arne Jacobsen in den folgenden Jahren seinen eigenen Stil mit dem Ziel, unter bestmöglicher Materialverwertung optimal funktionale Möbel und Architektur zu schaffen. Getreu dem Motto, das Komplexe zum Einfachen hin zu reduzieren, zog es ihn unter ästhetischen Gesichtspunkten bei Möbeln immer zu organischen, an der Natur angelehnte Formen, während er bei den Gebäuden eher zur strengen Geometrie neigte.
Zwischen 1931 und 1937 arbeitete Jacobsen unter anderem an dem Bebauungsplan für die Strandregion Bellevue, einem beliebten Erholungsgebiet am Rande der Stadt Klampenborg, mit der Wohnsiedlung Bellavista, Restaurants, einem Theater und einem kompletten Strandbad. Dieses Projekt visualisiert erstmalig den Traum des modernen Lebens der 1930er Jahre. Nebenher entstanden Gebäude wie das Stelling-Haus im Zentrum Kopenhagens (1934-1937) und die Rathäuser in Århus (1937-1942) und in Søllerød (1939-1942).
1943 flüchtete der Däne jüdischer Herkunft mit seiner Frau Jonna und seinem Freund Poul Henningsen vor den Nazis nach Stockholm. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er zurück nach Dänemark und führte seine Karriere nahtlos zum Höhepunkt. Ende der 1940er Jahre entstand der Appartementkomplex in Gentovte außerhalb der Hauptstadt, der heute zu den meist bewunderten Wohnsiedlungen gehört.
In den 1950er Jahren entwickelte sich Arne Jacobsen zum international renommierten, innovativen Architekten und Designer. Zwischen 1956 und 1960 plante und erbaute er das bekannte SAS Royal Hotel in Kopenhagen, ein Höhepunkt seines Schaffens. Vom Fundament über die Möbel bis hin zu den Lampen, dem passenden Aschenbecher, den Türgriffen, der Tapete, dem Geschirr und dem Besteck entstammt alles der Feder des Multitalents. Das Zimmer 606 ist noch heute originalgetreu erhalten.
Auch hinter dem Design seiner Möbel stand die Idee des Funktionalen und der Rationalität in Produktion und Verwendung. Die „Serie 7“ (1955) und die „Ameise“ (1952) wurden zum Inbegriff des stapelbaren, klar definierten, schlichten Stuhls, der bis heute in vielen Haushalten als Sitzmöbel dient. Parallel zum Bau des SAS Royal Hotels entwarf der Däne seine bekanntesten Möbel, Sessel und Stühle, die unter den Namen „Ei“ und „Schwan“ (1958) weltberühmt wurden und schon zu Lebzeiten Jacobsens zum Klassiker avancierten.
In den 1960er und den darauffolgenden Jahren über seinen Tod im Jahr 1971 hinaus untermauerte der Stardesigner seinen internationalen Ruf. Es entstanden beispielsweise das Gebäude der Nationalbank in Kopenhagen (1965 bis 1978), die Geschirrserie Cylinda-Line (1967), die dänische Botschaft in London (1969 bis 1977), das Saint Catherine’s College in Oxford (1966) und das Rathaus in Mainz (1970 bis 1973).
Nach der großen Retrospektive im Dansk Design Centre „Evergreens and Nevergreens“ widmet ihm seit dem 30. August das Louisiana Museum for Moderne Kunst in Humlebaek eine große Werkschau. Die Retrospektive „Arne Jacobsen – Absolut Moderne“ erzählt sein Leben und Werk in drei Teilen. Der erste Abschnitt schildert den historischen Kontext im Leben des Architekten, während der zweite sich den Hauptprojekten zuwendet. Der dritte Teil rundet die Ausstellung mit dem zeitgenössischen Blick auf sein Werk ab. Die Ausstellung ist bis zum 12. Januar 2003 täglich von 10 bis 17 Uhr und mittwochs von 10 bis 20 Uhr für Besucher geöffnet.
Louisiana Museum of Modern Art
Gl. Strandvej 13
DK-3050 Humlebæk
Telefon: +45 4919 0719
Telefax: +45 4919 3505
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