 |  | Lutz Wagner, Lutz Wagner und Peter Heim (Eisenherz), Virus Sessel, um 1992/93 | |
Für seine kommende Design-Auktion hat das Dorotheum wieder eine ausgefallene Auswahl an Möbeln aus dem 20. Jahrhundert zusammengetragen, die manchmal sogar den Gebrauchswert überschreiten und zu einem eher skulpturalen Objekt mutieren. Fast so weit geht es etwa bei einem Sessel, den Lutz Wagner und Peter Heim um 1992/93 unter ihrer damaligen künstlerischen Firmierung „Eisenherz“ entwickelt haben. Man sitzt auf einer aufgeschnittenen Kugelform, die mit sechs Stachelbeinen auf dem Boden steht. In die Wandung aus geflammtem Schwarzblech haben die beiden kleine Dornen aus Silikon integriert und von innen beleuchtet, so dass der Stuhl durch weite Welten zu schweben scheint und sich eben nur kurz niedergelassen hat. Schon damals haben Wagner und Heim ihrem borstigen Konstrukt einen Namen von hoher Aktualität gegeben: „Virus Sessel“. Das unikate Objekt aus einer Reihe von fünf handgefertigten Stücken soll nun zwischen 2.400 und 3.600 Euro einspielen.
Direkt auf die Corona-Pandemie hat der Aschaffenburger Designkünstler Udo Breitenbach Bezug genommen und im vergangenen Jahr aus Fundstücken seine humorvollen, bisweilen sarkastischen Assemblagen wie den „Corona-Schnelltest-Generator“ aus Einmachglas, Drehkurbel und Positiv-Negativ-Schild (Taxe 1.300 bis 2.000 EUR) oder die in Vogelkäfige eingezwängten Schaufensterpuppen „PandeMe+You 3“ kreiert (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR). Auch Johann Rumpf greift bei seinen Möbeln auf Vorhandenes zurück, bei seinem Hochlehnstuhl „Modern Houses“ etwa auf die Formensprache von Charles Rennie Mackintosh, setzt darauf diverse Holzteile, bemalt sie bunt und gestaltet damit eine kleine Häuserlandschaft. Bei seinem ebenfalls unikaten Stuhl „Flower Power“ von 2021 ist ein farbenreicher exotischer Urwald herausgekommen (Taxe je 2.000 bis 3.000 EUR). Auch Bert Löschner kann man Humor nicht absprechen: Hat er doch 2002 zwei stapelbare Standardgartenstühle aus Kunststoff heiß verformt, so dass sie sich jetzt umarmen und zu einer Sitzbank verschmolzen sind (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR).
Die Reihe der absonderlichen Dinge lässt sich mit etwa mit Karl Püskatscheks Showauto „Charly“, einem alten umgestalteten Dixi-Modell von 1933 mit etwa 100 Gimmicks wie sich bewegenden Flossen, Hupen, Taxischild, Blaulicht, Tröten und auch einer eingebauten Dusche samt WC, das Clowns etwa beim Österreichischen Nationalzirkus als Requisit diente (Taxe 5.000 bis 6.000 EUR), oder Andreas Gessners Stehlampe fortführen. Die florale Konstruktion von 2005/08 aus Eichenholzstand, massivem Holunderstamm und mehrfach verstellbaren Blütenblättern aus bemaltem Sperrholz kann in ihrer Lichtwirkung frei reguliert werden (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR). Ob man auf dem glänzenden Edelstahlobjekt „Araneo“ von Friedrich Schilcher aus dem aktuellen Jahr gerne Platz nimmt, sei wegen der spinnenartigen Beine dahingestellt (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Geradezu klassisch nehmen sich dagegen schon Xaver Sedelmeiers „Ring Chair“ aus miteinander verlöteten kleinen Edelstahlkreisen von 2017 (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR) oder Fernando und Humberto Campanas Sofa „Cipria“ aus voluminösen, teils zotteligen Kissenauflagen von 2008 aus (Taxe 9.000 bis 12.000 EUR).
Die Möbel aus dem frühen 20. Jahrhundert der Internet-Auktion sind dann sicher zum Nutzen gedacht, etwa das ausladende Bücherregal von Richard Riemerschmid, das er 1898/99 mit integriertem Schrankelement aus Ahornholz für sein Wohnhaus in München-Pasing konstruierte und zahlreiche Bücher aufnehmen kann (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Eines der ältesten Stücke ist die Sitzbank der Gebrüder Thonet von 1866 mit der frühen Modellnummer 13 und der typischen geschwungenen Lehne aus Buchenbugholz (Taxe 3.600 bis 4.500 EUR). Die bekannten Wiener Designer geben sich am 6. Oktober ein Stelldichein: Adolf Loos mit seinem berühmten „Elefantenrüsseltisch“ in einer späten Ausführung um 1960 (Taxe 12.000 bis 20.000 EUR) oder Otto Prutscher mit einem schwarz gebeizten Paraventrahmen samt zwei Papageien um 1915 (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Es gibt aber auch einige unbekannte Künstler zu entdecken. Der Brünner Architekt Bohumír Cermák stellt einen dunklen kubischen Esstisch für 5.000 bis 7.000 Euro und zwölf dazu passende, elegante schwarze Stühle inklusive zweier Fauteuils für 12.000 bis 15.000 Euro zur Verfügung. Von anthroposophischen Ideen inspiriert ist ein massiger Vitrinenschrank von Siegfried Pütz aus Eichen- und Nussholz von 1931, zu dem es sogar eine Schriftrolle mit einem Text zum Entstehungsprozess gibt (Taxe 6.000 bis 9.000 EUR). Mehr auf barocke Anklänge setzte der Wiener Fritz Nagel bei seinem etwa gleichaltrigen Bücherschrank aus Nussholz (Taxe 6.000 bis 10.000 EUR).
Gut bestückt ist die Versteigerung mit italienischem Design. Hier tut sich Gio Ponti vor allem als Keramiker für die Manufaktur Richard Ginori hervor, für die er in den 1920er Jahren zahlreiche Gefäße figurativ, oft mit Frauenakten verzierte, etwa seine Schale „Donatella“ (Taxe 8.000 bis 14.000 EUR) oder die Kugelvase „Il trionfo delle amazzoni“ (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Pontis großer Teller „La pontesca“ ist dagegen ein Wimmelbild aus unzähligen, sich nie wiederholenden Figuren und Gegenständen (Taxe 10.000 bis 16.000 EUR). Ins Mid-Century-Design geht es dann mit mehreren Lampenentwürfen von Gino Sarfatti. Stiltypisch für diese Epoche steht seine zusammen mit Vittoriano Viganò für Arteluce erdachte Stehlampe von 1951 aus zwei mit einem Gelenk verbundenen, beweglichen und schlanken Messingarmen, die in zwei schwenkbare Lampenschirme aus blau lackiertem Aluminium enden (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Ebenfalls Arteluce produzierte drei Jahre später Sarfatti noch reduzierteres Modell 3026, das als Decken- und Wandlampe fungieren kann: von einem weiß lackierten Rechteckblech gehen vier Metallstreben aus, die lediglich die Enden von zwei Neonröhren umfassen (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). 1970/71 sperrte Sarfatti bei zwei Stehlampen die kugeligen großen Leuchtkörper aus weißem Glas in ein mannshohes zylindrisches Gittergeflecht ein (Taxe 11.000 bis 13.000 EUR). Etwas aus der Zeit scheint Angelo Lellis um 1950 gefertigte Deckellampe gefallen zu sein. Bei dem Kronleuchter hat sich der Italiener an historistischen Vorgaben des 19. Jahrhunderts orientiert und ihn noch mit geschliffenen Glasprismen behängt (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Die schlichte Eleganz des skandinavischen Designs verkörpert eindrucksvoll Poul Kjærholms Liegestuhl „PK24“ aus einer filigranen Bandstahlkonstruktion mit einem Peddigrohrgeflecht und einer braunen Ledernackenrolle von 1965 (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Für seine sechs gleich hoch bewerteten Armlehnstühle aus Kirschholz ließ sich Hans J. Wegner 1943 vom fernöstlichen Möbelbau inspirieren und nannte sie daher auch „Chinese Chair“. Ähnlich agierte Helge Vestergaard Jensen 1955 bei seiner Teakholz-Liege „No. 701“ mit dünnen verspannten Nylonschnüren (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Aus dem Gegensatz von Masse und Leichtigkeit beziehen zwei Sofaentwürfe des vor kurzem verstorbenen Schweizers Robert Haussmann ihre Spannung. Für sein Modell „RH 302“ ließ er 1954/56 eine dicke kompakte Sitz- und Lehnenfläche aus cognacbraunem Leder auf schlanken Metallfüßen ruhen (Taxe 3.000 bis 4.500 EUR); ebenso ging er 1960 bei seinem Modell „RH 310“ mit schwarzer Lederpolsterung vor (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR).
Für den Schweizer Möbelhersteller de Sede konstruierten die Designer*innen Ueli Berger, Eleonore Peduzzi-Riva, Heinz Ulrich und Klaus Vogt 1972 ihr inzwischen legendäres Sofasystem „DS-600“, den sogenannten „Tatzelwurm“, der immer noch produziert wird. Über einen Reißverschluss können beliebig viele L-förmige Polsterelemente zu einer individuell formbaren, weichen Sitzlandschaft kombiniert werden. Ein Set aus zwölf Elementen in dunkelbraunem Leder listet der Katalog für 8.000 bis 10.000 Euro, 22 gleichartige Glieder für 16.000 bis 20.000 Euro. Auf das Kantige setzt dagegen Anna-Lülja Praun bei ihrem auslandenden Schreibtisch von 1988: in einen rechtwinkligen Aufbau aus rot lackiertem Erlenholz hat sie die Tischplatte und die flachen Schubläden aus schwarz gefärbtem Rindsleder eingesetzt (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Verspielter – allein schon vom Titel her – geht es bei Ettore Sottsass’ „Tappeto Volante“ zu: Ist der rot-grüne Thron von 1974 eher ein Sitzmöbel oder doch der „Fliegende Teppich“, den die Bezeichnung suggeriert (Taxe 18.000 bis 26.000 EUR)? Sein Memphis-Kollege Michele de Lucchi stellt das farbenfroh gestreifte Sofa „Lido“ von 1982 zur Verfügung (Taxe 3.000 bis 4.500 EUR), ihr Gesinnungsgenosse Peter Shire seinen ebenfalls schrillen Sessel „Bel Air“ in kräftigen Farben (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Gestalterisch nicht weit davon entfernt sind zwei bunte Lampen des Österreichers Adolf Krischanitz von 1987, die teils floral anmuten und als Einzelstücke je 4.000 bis 6.000 Euro einspielen sollen. Dazu gesellt sich Hans Holleins Sofamodell „Mitzi“ von 1981, das mit den Farben Schwarz, Rot und einem goldenen Hellbraun fast das Kolorit der deutschen Flagge aufgreift (Taxe 3.000 bis 4.500 EUR). Teuerstes Objekt der Auktion ist Ron Arads „Ping Pong Table“ von 1995. Der aus hochglanzpoliertem kaltem Edelstahl gefertigte Tisch dient wegen seiner gewölbten Platte wohl kaum zum sportlichen Tischtennisspiel, sondern ist vielmehr wieder eine skulpturale Arbeit, die in einer Auflage von zwanzig Stück 36.000 bis 50.000 Euro sehen will.
Die Online-Auktion endet am 6. Oktober um 15 Uhr. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.dorotheum.com. |