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Marktberichte |
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Vor allem die Franzosen behaupten sich in der Auktion mit moderner und zeitgenössischer Kunst bei Beurret Bailly Widmer in Basel Nicht ganz nach Eileen Grays Geschmack
| Mit einigen exquisiten Werke der französischen Kunst des Impressionismus und der Moderne warten Beurret Bailly Widmer bei ihrer kommenden Auktion auf. Höhepunkt ist Le Corbusiers „Nature morte au grand livre“. Das formreduzierte Stillleben datiert in das Jahr 1928 und damit an den Endpunkt der puristischen Phase, die zehn Jahre zuvor Le Corbusier und Amédée Ozenfant mit ihrem Manifest „Après le Cubisme“ ins Leben gerufen hatten. Die damaligen Strömungen des Kubismus kritisierten sie als zu ornamental und dekorativ und wollten mit einer klaren geometrischen Formensprache, einer beschränkten Farbwahl und einer Reduzierung der Bildgegenstände einen „neuen Geist“ in die Malerei bringen. Bei der „Nature morte au grand livre“ hob Le Corbusier die körperliche Präsenz der Gegenstände fast vollständig auf und gab den Auf- und Grundriss der nun transparent gewordenen Objekte simultan wieder. Der Baseler Versteigerer preist das Gemälde, das der Schweizer Kunsthistoriker Stanislaus von Moos 1966 in seinem grundlegenden Artikel zum Purismus als eines von nur vier Bildern Le Corbusiers ausführlich besprach, als malerisches Hauptwerk in musealer Qualität und will dafür 1,2 bis 1,6 Millionen Franken sehen.
Le Corbusiers zweites Gemälde „Figure à la porte jaune“ stammt dann schon aus dem Jahr 1937 und gehört damit zu einer späteren Periode, die als „Objets à réaction poétique“ bekannt ist. Die Formfindung ist fließender und amorpher konzipiert. Aber auch in diesem Werk überschneiden sich mehrere Umrisse der abstrahiert dargestellten Frau mit Harfe und gehen in einen verästelten Baumstamm über. Le Corbusier diente die „Figure à la porte jaune“ ein Jahr später als Vorlage für ein Wandbild in der Villa Eileen Grays in Cap Martin an der Côte d’Azur; doch die Architektin und Designerin war nicht gerade „amused“ über das zuvor noch nie gesehene, bunte und eigenwillige Kunstwerk (Taxe 1,2 bis 1,6 Millionen SFR). Wer nicht ganz soviel für eine Arbeit Le Corbusiers ausgeben will, kann auf seine späte, auf Umrisslinien und Farben reduzierte Tapisserie „La licorne passe sur la mer“ von 1962 für 80.000 bis 120.000 Franken zurückgreifen.
Beim Impressionismus stehen zwei Gemälde Pierre-Auguste Renoirs an der Spitze. Eines der zentralen Themen in seinem Schaffen ist der weibliche Akt. Das Motiv der nackten Sitzenden hat Renoir immer wieder variiert, so auch 1876 in seiner intimen „Baigneuse“, die vor einem schemenhaften blauvioletten Naturhintergrund auftaucht. Obschon Renoir als der Figurenmaler par excellence unter den Impressionisten galt, beschäftigte er sich immer wieder auch Landschaften. Eine sommerlich heitere Stimmung evozierte er 1895 mit der Küstenansicht „La mer à Tréboul près de Douarnenez“, die seit der Renoir-Ausstellung im Kunsthaus Zürich 1917 derselben Schweizer Familie gehört. Beide Werke sind auf jeweils 600.000 bis 800.000 Franken geschätzt. Als Vorläufer der Impressionisten gilt Jean-Baptiste Camille Corot, der in seinem ebenfalls marktfrischen, um 1860/70 gemalten „Bord d’une rivière avec un village à l’horizon“ eine nachmittägliche Landschaft in lebendiger Atmosphäre einfängt (Taxe 120.000 bis 180.000 SFR).
Gut bestückt ist der Katalog mit Gemälden französischer Künstler der nachfolgenden Generationen im mittleren Preisbereich. Da gibt es etwa Gustave Loiseaus sommerlich flirrende Standansicht „Moret-sur-Loing“ (Taxe 50.000 bis 70.000 SFR), die beiden unter einem Apfelbaum ruhenden Feldarbeiter von Maximilien Luce aus dem Jahr 1896 (Taxe 30.000 bis 40.000 SFR) oder die gleichfalls Ruhe ausstrahlende Landschaft mit zentralen Baum und zwei am Boden liegenden Bauern in der Gegend um Vernon von Pierre Bonnard um 1910 (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Albert Marquet hat 1930 seine Stadtansicht von „Boulogne dans la brume“ eingefangen (Taxe 80.000 bis 120.000 SFR). Auf den Menschen verzichtet Maurice Utrillo bei seiner Vedute mit der frontalen Fassade der „Église Notre-Dame-des-Grèves“ in Saint-Malo (Taxe 50.000 bis 70.000 SFR), Maurice de Vlaminck lässt in seiner Straßenflucht „La Mairie“ nur eine Frau mit einem Karren auftreten (Taxe 50.000 bis 60.000 SFR).
Arbeiten auf Papier schicken Pablo Picasso mit seiner dünnen Tuschezeichnung „Pierrot au loup“ von 1918 (Taxe 150.000 bis 200.000 SFR) und Fernand Léger mit seiner bunten Gouache der Balken- und Räderkonstruktion „La Moissonneuse“ von 1953 in die Versteigerung (Taxe 60.000 bis 80.000 SFR). Von Iwan Puni, einem Vertreter der russischen Avantgarde, der sich 1919 für das Exil entscheid und schließlich Paris zu seiner Wahlheimat erkor, sind Arbeiten aus seiner russischen Zeit selten. Beurret Bailly Widmer können die drei dichten Tuscheblätter mit den abstrahierten Motiven „Escalier“ von 1915, „Musique ancienne“ von 1916 und „La neige“ von 1919 aus der Sammlung des Züricher Puni-Experten Herman Berninger für jeweils 25.000 bis 35.000 Franken offerieren. Zu gleichen Preisvorstellungen gibt Henri Matisse seine auf Bleistiftumrisse verknappte „Nu assis“ von 1926 ab. Ins Malerische geht es dann wieder mit Francis Picabias gegenstandslosem Gemälde „Talamus“ von 1938/39 mit geheimnisvollen schwarzen Flächen und Zeichen auf buntem Grund (Taxe 180.000 bis 220.000 SFR) oder mit Bernard Buffets grauem Blumenstillleben „Les chardons“ von 1952 in überwältigender Tristesse (Taxe 50.000 bis 70.000 SFR).
Bei den Bildhauern haben sich Aristide Maillol mit seiner kleinen Terrakottafigur „Jeune fille accroupie“ (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR) und Antoniucci Volti mit seinem etwas größeren Bronzetorso „La Florentine“ dem weiblichen Akt verschrieben (Taxe 25.000 bis 30.000 SFR). Auch bei der Kunst ab 1945 gibt es einige ansprechende skulpturale Positionen. Dazu gehören Louise Nevelsons aus kleinen Holzstücken in hochrechteckigem Holzkasten akkumulierte und vollständig golden bemalte Stele „Royal Guardian“ von 1960 (Taxe 70.000 bis 90.000 SFR), Carl Andres minimalistische Bodenarbeit „Levee“ von 1975 aus 33 streng aneinander gereihten rechteckigen Aluminiumplatten (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR) oder Wolfgang Laibs meditativer „Milchstein“, für den er 1978 ein dickes weißes Marmorviereck und Milch miteinander kombinierte (Taxe 30.000 bis 35.000 SFR). Während sich Jean Tinguelys aus Metallteilen und Holzstücken aufgebaute „Schaukel-Skulptur“ von 1989 bewegt und rattert (Taxe 50.000 bis 70.000 SFR), steht der zweieinhalb Meter hohe, aus gebrauchten Eisenelementen verschweißte „Eisenstorch IV“ von Bernhard Luginbühl aus dem Jahr 1987 starr da (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR).
Kunst seit 1945
Die Spitzenplätze in der Abteilung „Zeitgenössische Kunst“ teilen sich zwei Künstler des Abstrakten Expressionismus. Hans Hofmanns energiegeladenes Gemälde „Birth of Taurus“ von 1945 ist ein Paradebeispiel für seine revolutionäre Maltechnik „push and pull“, die er selber als Bewegung und Gegenbewegung und Plastizität bezeichnete. Die wohl in einem Schwung aufgetragenen Farbverläufe in Rot, Gelb, Blau und Orange strahlen und pulsieren und sind reich an visuellen und strukturellen Details (Taxe 280.000 bis 350.000 SFR). Auf Sam Francis’ Leinwand „Untitled (SF P86-41) von 1986 verbinden sich die Farbflüsse und -spritzer zu einer kompakten Farbwolke mit betonter Mittelachse (Taxe 180.000 bis 220.000 SFR). Aus der europäischen gestischen Malerei gesellt sich Hans Hartung mit seinen auf blauem und schwarzem Grund eingeritzten Strichbündeln „1967-A46“ aus dem Jahr 1967 hinzu (Taxe 60.000 bis 80.000 SFR).
Insgesamt dominiert in diesem Auktionsteil die ungegenständliche Kunst. Hervorzuheben sind etwa Zoltán Keménys vibrierende Reliefstruktur „Le séducteur“ mit bemalten Nägeln auf einer Holzfaserplatte (Taxe 15.000 bis 20.000 SFR) oder Victor Vasarelys frühe Farbflächenverzahnung „Zombor“ von 1952/53 (Taxe 20.000 bis 30.000 SFR). Mimmo Rotella riss für seine Décollage „Sette Nascosto“ 1956 Plakate von einer Werbetafel und legte damit tiefere Farbschichten frei (Taxe 18.000 bis 22.000 SFR), und Joseph Marioni ließ 1989 gelbe Farbe ausgefranst über die Leinwand laufen (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Richard Long tat es ihm zwei Jahre später gleich, nahm aber auf seinem weißen Papier dafür braunen Mississippi-Schlamm in feiner Äderung her (Taxe 30.000 bis 50.000 SFR). Optische Moiré-Effekte erzeugte Xanti Schawinsky 1971 bei „SP-207 (Sphere)“, indem er mit Airbrush auf Jute zwei Kreise anlegte und darüber einen Gazestoff spannte (Taxe 10.000 bis 15.000 SFR). John Plumbs Gemälde „Pevensy“ von 1962 lässt sich mit seinen klar abgegrenzten Farbflächen und harten Kanten dem Hard Edge zurechnen (Taxe 8.000 bis 12.000 SFR).
Die 2018 verstorbene, gebürtige Rumänin Myra Landau interessierte sich für Rhythmus, Raum und Zeit und ließ sich von der traditionellen Kunst Lateinamerikas inspirieren, wo sie viele Jahre verbrachte. 1965 gestaltete sie mit „Ritmo“ ihr erstes, auf geometrischen Bezügen basierendes Werk und erweiterte es im Laufe der Zeit zu einem Zyklus. Daraus verzeichnet der Katalog die durch Linien und Farbflächen auf ungrundierter Leinwand definierten „Ritmo 7“ von 1977 und „Ritmo XXXX“ von 1976 für jeweils 2.000 bis 3.000 Franken. Den Abschluss der Auktion bilden einige Kunstwerke, die zugunsten der von dem Galeristen Ernst Beyeler gegründeten Stiftung „Art for Tropical Forests“ versteigert werden. Dazu gehören Franz Gertschs großformatiger türkisblauer Portraitholzschnitt „Bagatelle IV Silvia“ von 2008 (Taxe 45.000 bis 65.000 SFR), Brigitte Kowanz’ in unendliche Spiegelwelten vordringende Neonröhrenarbeit „UN Climate Change Conference Paris“ von 2017 (Taxe 20.000 bis 25.000 SFR) oder Beatriz Milhazes’ bunt-fröhliche Serigrafie „Flip-Flop“ von 2010 (Taxe 5.000 bis 7.000 SFR).
Die Auktion beginnt am 29. September um 11 Uhr. Der Katalog ist im Internet unter www.bbw-auktionen.com einsehbar. | | Kontakt: Artcurial Beurret Bailly Widmer Schwarzwaldallee 171 CH-4058 Basel |
| Telefon:+41 (061) 312 32 00 | | | Startseite: www.bbw-auktionen.com |
28.09.2021 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching | |
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Carl Andre, Levee,
1975 | | Taxe: 40.000 - 60.000 Losnummer: 161 | | | | | |
Hans Hartung,
1967-A46, 1967 | | Taxe: 60.000 - 80.000 Losnummer: 122 | | | | | |
Pablo Picasso,
Pierrot au loupe,
1918 | | Taxe: 150.000 - 200.000 Losnummer: 21 | | | | | |
Sam Francis,
Untitled (SF
P86-41), 1986 | | Taxe: 180.000 - 220.000 Losnummer: 171 | | | | | |
Maurice Utrillo,
L"Église
Notre-Dame-des
Grèves, Saint-Malo | | Taxe: 50.000 - 70.000 Losnummer: 23 | | | | | |
Pierre-Auguste
Renoir, Baigneuse,
1876 | | Taxe: 600.000 - 800.000 SFR Zuschlag: 690.000,- SFR Losnummer: 2 | | | | | |
Le Corbusier, Figure
à la porte jaune, 1937 | | Taxe: 1.200.000 - 1.600.000 SFR Losnummer: 56 | | | | | |
Jean-Baptiste
Camille Corot, Bord
d"une rivière avec un
village à l"horizon,
um 1860–1870 | | Taxe: 150.000 - 200.000 SFR Losnummer: 1 | | | | | |
Albert Marquet,
Boulogne dans la
brume, 1930 | | Taxe: 80.000 - 120.000 SFR Zuschlag: 85.000,- SFR Losnummer: 22 | | | | | |
Hans Hofmann, Birth
of Taurus, 1945 | | Taxe: 280.000 - 350.000 Losnummer: 113 | | | | | |
Pierre-Auguste
Renoir, La mer à
Tréboul près de
Douarnenez, 1895 | | Taxe: 600.000 - 800.000 SFR Zuschlag: 750.000,- SFR Losnummer: 3 | | |
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