Schweizer Kunst bei Sotheby’s  |  | Augusto Giacometti, Herbst (L’autunno), 1913 | |
In seinem „Swiss Fine Art Sale“ kann Sotheby’s mit Gemälden punkten, die schon lange nicht mehr im Rampenlicht standen oder sogar als verschollen galten. Dazu gehört auch das teuerste Werk der derzeitigen Onlineauktion: Der „Herbst“ von Augusto Giacometti aus dem Jahr 1913. Mit seinen leuchtenden warmen Farben und dem mosaikartigen Auftrag zeugt er von der produktivsten Phase des Schweizer Malers. Pastos hat Giacometti die Blätter als kreisrunde Punkte an die verschlungenen Äste gesetzt, so dass die quadratische Leinwand luftig wirkt und im Duktus an die Pointillisten erinnert. Sie soll 300.000 bis 500.000 Franken einspielen. Aus dem Jugendstil stammen „Les fardeaux“. 1909 brachte Ernest Biéler die drei Heuträgerinnen rhythmisiert als Aquarell aufs Papier. Die sparsamen Farbübergänge, harten Umrisslinien und die von Ocker und Grau dominierte Palette zeugen sowohl von der mühsamen Arbeit, als auch vom Einvernehmen der drei Landarbeiterinnen. Gerade die parallele Staffelung der drei Frauen und die leichten Abweichungen in ihren Haltungen erzeugen subtil Dynamik. Seit mehr als 60 Jahren in einer Privatsammlung beheimatet, treten sie nun bei 280.000 bis 350.000 Franken wieder auf den Kunstmarkt.
Wie Biéler zählt auch Raphy Dallèves zur Schule von Savièse, die im Wallis eine folkloristische, teils mythische Malerei in einem betont dekorativen und linearen Stil pflegte. Dazu passt Dallèves’ braunlastiges Gemälde zweier alter Männer in der Schenke um 1900/05 (Taxe 40.000 bis 60.000 SFR). Als größte Überraschung feiert Sotheby’s dann Ferdinand Hodlers Landschaftsbild, das selbst dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft unbekannt war. In der Mitte steht ein großer Kirschbaum, dessen satt-grüne runde Krone sich lebendig vom Hellgrün der Wiese abhebt. Im Hintergrund verschwinden der Genfersee und ein Ausläufer der Berge in grellem blauem Dunst. Gerade das Arrangement der Farben zeugt vom Interesse und vom Gefühl des Schweizers für das Kolorit. Die „Kirschbäume am Genfersee“ von 1906, der linke Teil von Hodlers größerer Komposition im Musée d’Art et d’Histoire in Genf, sind auf 100.000 bis 150.000 Franken geschätzt.
Dass Sotheby’s nicht nur auf Schweizer Künstler setzt, zeigt unter anderem Gerhard Richters „Grün-Blau-Rot“. Auf der kleinen Leinwand hat der gebürtige Dresdner die titelgebenden Farben so verwischt arrangiert, dass man ein wenig an die Bildstörung eines Fernsehers erinnert ist. Doch hat das Werk auch etwas mit der Schweiz zu tun; denn die Zürich Kunstzeitschrift Parkett hat es 1993 als malerische Edition in einer Auflage von 115 Stück herausgegeben (Taxe 260.000 bis 350.000 SFR). Noch farbenprächtiger präsentiert sich „Biclu“ von Maurice Estève aus dem Jahr 1982. Hier wecken die kombinierten Farbflächen Assoziationen zu der Darstellung eines sich umarmenden Paares (Taxe 100.000 bis 150.000 SFR). Neben den Gemälden steht eine frühe, mit Tinte ausgeführte Zeichnung Pablo Picassos zum Verkauf. Mit kühnen und raschen Strichen setzte der Spanier einen weiblichen Akt aufs Blatt, der die Hände gen Himmel reckt, als ob er gebärdenreich betet. Ihm dürfte bei 50.000 bis 70.000 Franken ein guter Preis winken.
Die Onlineauktion „Swiss Fine Art Sale“ läuft bis zum 15. Juni. Der Internetkatalog ist unter www.sothebys.com abrufbar. |