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Eine Ausstellungstournee präsentiert Bauten von Otto Weitling unter Mitwirkung seiner Partner Arne Jacobsen und Hans Dissing in Deutschland  Zwischen Bauhaus und Weltraumfahrt

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 |  | Arne Jacobsen und Otto Weitling, Atriumhäuser in Berlin, 1957 | |
„Ein Haus, über das man nicht redet, ist meist nicht der Rede wert.“ Dieses Zitat von Otto Weitling demonstriert, wie sehr sich der Architekt über die öffentliche Präsenz und Wirkung von Bauten bewusst war. Geboren am 12. Januar 1930 im dänischen Haderslev, zog es den Spross deutscher, aus Wiesbaden stammender Eltern rasch an die Architekturschule der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Anschließend stieß er zu Arne Jacobsen, der sich bereits als Designer mit populären Möbelentwürfen wie dem Stuhl „Ameise“ hervorgetan hatte. Weitling wurde dann sein Partner für Projekte in Deutschland. Nach Jacobsens überraschendem Tod 1971 vollendete Weitling mit Hans Dissing die begonnen Projekte.
Zur charakteristischen Herangehensweise der Architektentrias gehörte die ganzheitliche Ausarbeitung von Entwürfen von der Gabel bis hin zur Gestaltung des Umfeldes. Sicher beherrschten die Künstler die Bandbreite architektonischer Aufgaben vom Rathaus bis zum Wohnhaus. Darüber hinaus brachten sie mit dem nordischen Minimalismus eine neue Haltung in die deutsche Bauszene, die oft kritische Diskussionen auslöste. Einprägsames Kenneichen ihrer Bauten waren strenge Eleganz durch kompromisslose Reduzierung auf Wesentliches bei einer an Geometrie orientierten Formensprache. Neben geschickten Proportionen und Konzentration auf funktionale Abläufe brachten sie mit Materialgerechtigkeit, Offenheit und Transparenz neue Visionen bezüglich der Verknüpfung der Bauten mit dem Umfeld hervor. Dabei achteten sie auch auf die demokratische Einbeziehung der Benutzer.
Die acht in Deutschland unter diesen Maßgaben ausgeführten Projekte sind wie die Entwurfsverfasser im Gegensatz zu ihrer dänischen Heimat hierzulande vergleichsweise wenig im Diskurs. Alle Bauten stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Einige – allen voran das Rathaus in Mainz – sind bis heute heiß umstritten. Sieben von Otto Weitling mit Arne Jacobsen zwischen 1957 und 1976 errichtete Gebäude stellt eine von Hendrik Bohle mit Jan Dimog kuratierte Schau vor und will anlässlich Weitlings 90. Geburtstags und Jacobsens 50. Todestags ihr Wirken stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.
Die Auswahl setzt ein mit den im Rahmen der „Interbau“ erstellten Atriumhäuser im Berliner Hansaviertel. 1957 aus farbigen Leichtkonstruktionsplatten in kurzer Zeit aufgerichtet, sollten die Häuser mit eleganter Innenausstattung eine Vorstellung vom „Wohnen in der Zukunft“ vermitteln. Ab 1964 entwarfen Jacobsen und Weitling für die Stadt Hannover ein umfangreiches Bauprogramm für die barocken Herrenhäuser Gärten. Das bewusst als Gegenposition in modernen Formen geplante Ensemble aus Museen, Restaurants, Plattformen und Tribünen wurde jedoch bis auf eine 1966 eröffnete Wandelhalle für das Theater im historischen Galeriegebäude nicht realisiert. Nach Abschluss der äußeren Rekonstruktion des 1818 im Stil des Klassizismus vollendeten Laves-Schlosses im Jahr 2013 wurde Weitlings kristallines Glasfoyer 2017 restauriert. Innen in eine höher und tiefer gelegene Ebene unterteilt, bewirken die raumhohen, profillos gefügten und durch Glasschwerter gehaltenen Scheiben einen Lichteinfall in jeden Winkel des transparenten Gebäudes.
Dagegen erscheint die 1969 vollendete Zentrale der Hamburgischen Electricitäts-Werke eher herb und kantig. Monolithisch verschlossen, spiegeln sich in der dunklen Leichtmetall-Vorhangfassade und den 6.500 Glasfenstern der Himmel und die Landschaft. Der aus zwei langen mittleren Scheiben und zwei kürzeren an den Seiten zusammengesetzte Großbau gilt als Meisterwerk eines modernen Bürohauses. Ebenfalls recht eigenwillig und streng konzipierten Jacobsen und Weitling das aus vorgefertigten Betonträgern und -stützen erstelle Christianeum in Hamburg. Der Schulbau aus dem Jahr 1971 weist eine übergreifende Struktur auf, in die kleinteilige Pavillons im Rahmen eines flexiblen Ordnungs- und Erschließungssystems integriert sind. Als Gesamtkunstwerk geplant, wurde zwei Jahre später das Seebad Burgtiefe auf der Ostseeinsel Fehmarn eröffnet. Trotz massiver Veränderungen ist die seinerzeit als Musterbad gelobte, brutalistische Bettenburg noch heute eine Landmarke auf der Insel. Die Architekten gestalteten die futuristische Gruppe aus Kurmittelhaus, Hallenbad, drei 17 Stockwerke hohen Hotelhochhäusern mit 4.500 Betten, Bungalows und Apartmenthäusern als ein aufeinander abgestimmtes Ensemble.
Bis heute entzweit das 1973/74 bezogene Rathaus in Mainz die Gemüter. Die dreieckige, geschlossene Gebäudeform mit schräg gestellter Hauptfassade, spitzwinkligen Ausbuchten zum Vorplatz sowie vor großflächigen Fenstern installierten Sonnenschutzgittern kontrastiert in ihrer Starrheit bewusst die fürstlichen Mainzer Repräsentationsbauten aus dem Barock und der Renaissance. Innen setzt sich das spannungsreiche, farbenfrohe Konzept fort und mündet im kreisrunden Ratssaal, der als wichtigster Raum in einem Anbau zum Rhein inszeniert wurde. Mehr noch als in Mainz arrangierten Arne Jacobsen und Otto Weitling in Castrop-Rauxel das Rathaus als ihre Vision eines demokratisch-offenen Bürgerforums um einen Platz. Wie Markisen erscheinen die eleganten Hängedächer der verglasten Saalbauten mit Ratssaal, Sport- und Stadthalle, denen der 250 Meter lange Stahlbetonriegel der Verwaltung trutzig gegenübersteht.
Nach dem Tod Jacobsens wurde der Mitarbeiter Hans Dissing Weitlings Partner. Nun unter „Dissing + Weitling“ firmierend, bereicherten sie erfolgreich das Baugeschehen in Deutschland und stiegen in den 1970er Jahren zum gefragten Büro auf. Erstes Projekt war die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Der 1986 eröffnete „Konzertflügel“ mit der schwarzen Fassade aus glatt poliertem Bornholmer Granit gibt sich streng und weich zugleich, füllt unaufdringlich wie lebhaft die lange Brache am Grabbeplatz. Das puristische, klar funktionsbezogene Ausstellungshaus gilt heute als ein Schlüsselbauwerk dieses Jahrzehnts. Otto Weitling lebt heute überwiegend zurückgezogen auf der kleinen Insel Sejerø im Kattegat. Hier hat er ein weiß getünchtes Haus mit ziegelgedecktem Satteldach inmitten eines Obstgartens bezogen und genießt wortkarg die Ruhe – in jeder Hinsicht ein Meister des nordischen Minimalismus eben.
Die Ausstellung „Gesamtkunstwerke. Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ ist nach dem Lockdown noch bis zum 14. März im Felleshus der Nordischen Botschaften in Berlin zu besichtigen. Als weitere Stationen schließen sich dann Fehmarn, Mainz, Hannover, Castrop-Rauxel und Hamburg an. Wer nicht so lange warten möchte, kann auf das von den beiden Kuratoren Hendrik Bohle und Jan Dimog herausgegebene informative Begleitbuch zurückgreifen. Es ist im Verlag Arnoldsche Art Publishers erschienen und kostet 38 Euro. |  | Kontakt: Felleshus der Nordischen Botschaften Rauchstraße 1 DE-10787 Berlin |
 | Telefon:+49 (030) 50 500 | Telefax:+49 (030) 50 50 11 01 |  |  | Startseite: www.nordischebotschaften.org |
26.01.2021 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke |  |
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 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
Christianeum in
Hamburg, 1971 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
Meerwasserwellenbad
im Seebad Burgtiefe,
1973 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
Seebad Burgtiefe auf
Fehmarn, 1973 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
Rathaus Mainz, 1973 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling (beide
mit Brillen) an der
Baustelle des
Mainzer Rathauses |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
HEW-Zentrale in
Hamburg, 1969 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
Glasfoyer in
Hannover, 1966 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen und
Otto Weitling,
Glasfoyer in
Hannover, 1966 |  | |  |  |  |  |  | 
 Arne Jacobsen, Otto
Weitling und Hans
Dissing, Forum
Castrop-Rauxel,
1976 |  | |  |  |
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