Robert Frank in Winterthur Die Fotostiftung Schweiz in Winterthur widmet sich in der Schau „Memories“ dem Fotografen Robert Frank. Zentral ist seine „erzählerische Kraft“ in der „Bildsprache, die sich gegen alle Konventionen entwickelte“, so Kurator Martin Gasser. Zu sehen sind Bilder aus dem wenig bekannten Frühwerk von Frank mit Aufnahmen aus der Schweiz, Europa und Südamerika sowie einigen bisher kaum präsentierten Arbeiten aus den USA zu Beginn der 1950er Jahre. Leihgaben ergänzen die Exponate aus der Sammlung der Fotostiftung, die aus dem ehemaligen Besitz von Robert Franks langjährigem Freund Werner Zryd stammen oder vom Künstler der Stiftung geschenkt wurden. Gasser hat zudem einige Aufnahmen ausgesucht, die nicht in der Publikation „The Americans“ enthalten sind. Franks Buch aus dem Jahr 1959 ist mit seinem neuen fotografischen Stil schräger Einstellungen, angeschnittener Figuren und Bewegungsunschärfen zwischen Dokumentation und Erzählung zu verorten. Den Weg dorthin verdeutlicht das Frühwerk von Frank. Bücher und Filme, die der Verleger Gerhard Steidl während mehr als 15 Jahren mit Robert Frank herausgegeben hat, sind außerdem Teil der Schau.
Bevor es Robert Frank 1947 nach New York verschlug, absolvierte er eine fünfjährige Ausbildung zum Fotografen bei Hermann Segesser und Michael Wolgensinger in Zürich. In die USA nahm er ein Portfolio mit 40 Fotos mit, das Landschaftsaufnahmen, Porträts, freie Reportagebilder und sorgfältige Sachaufnahmen beinhaltete. Damit gelang ihm eine Anstellung als Assistenzfotograf bei Alexey Brodovitch, dem Art Director der Zeitschrift „Harper’s Bazaar“. Trotz seiner dortigen Erfolge gab Frank seine Stelle nach wenigen Monaten auf, um frei zu arbeiten. 1948 reiste er nach Peru und Bolivien. Robert Frank sagte später über diese Zeit: „Ich führte eine Art Tagebuch. Ich ging sehr frei mit der Kamera um. Ich dachte nicht darüber nach, was richtig ist; ich tat das, was sich für mich gut anfühlte. Ich war wie ein Action Painter.“
Im Frühjahr 1949 kehrte Robert Frank nach Europa zurück und lichtete in der Schweiz die alljährlich stattfindende Landsgemeinde im Kanton Appenzell Ausserrhoden ab, wo damals nur Männer unter freiem Himmel durch Handheben ihr Stimm- und Wahlrecht ausübten. Dieses Projekt legte den Fokus auf die Befindlichkeiten der einfachen Leute. Gasser betont, dass diese Fotos den kritisch prüfenden Blick vorwegnahmen, mit dem Frank bald darauf die verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Ereignisse in Amerika aus der „subjektiven, nach innen gerichteten Perspektive eines Außenseiters“ festhielt.
Über seine Fotoarbeiten in Paris, London und Spanien distanzierte sich Robert Frank zwischen 1949 und 1953 vermehrt von der Idee der Fotografie als universaler Sprache. Dieser setzte er 1952 die in Zürich mit Werner Zryd gestaltete Buchmaquette „Black White Things“ entgegen. Es war der Versuch, die alten Konventionen mit etwas Neues über Bord zu werfen: mit einer intuitiv gestalteten Bildfolge ohne Text, der Frank einzig Antoine de Saint-Exupérys Zitat aus „Der kleine Prinz“ voranstellte: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Die Ausstellung „Robert Frank. Memories“ läuft bis zum 10. Januar 2021. Die Fotostiftung Schweiz hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr geöffnet. Das Haus bleibt am Zweiten Weihnachtsfeiertag und an Neujahr geschlossen. Der Eintritt beträgt 12 Franken, ermäßigt 10 Franken, für Kinder und Jugendliche wie auch mittwochs ab 17 Uhr ist er kostenlos. Begleitend zur Schau erscheint die von Gerhard Steidl herausgegebene Publikation „Robert Frank. Books and Films Published by Steidl“, die für 20 Franken im Shop der Fotostiftung zu haben ist.
Fotostiftung Schweiz
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