Erich Reusch verstorben | | Erich Reusch, Skulptur auf der Documenta 6, Kassel, 1977 | |
Der Künstler Erich Reusch ist am 29. Dezember nach mehrwöchiger Krankheit im Alter von 94 Jahren gestorben. Der Architekt und Bildhauer, der unter anderem als „Pionier im dezentralen Raum“ bezeichnet wurde, zählt zu den prägenden Figuren der Kunst der Nachkriegszeit in Deutschland. Sein beherrschendes Thema war der Raum, den er mit seinen Skulpturen aktivieren wollte. So holte er noch vor den Künstlern der Minimal Art die Skulptur von Sockel, führte mit seinem zum Umschreiten einladenden Bodenplastiken die Horizontale in die Bildhauerei ein und gestaltete mit ihnen ein „erfülltes Spannungsfeld zwischen materiellen Objekten“.
Erich Reusch selbst charakterisierte sein Œuvre so: „Seit 1956 habe ich erste dezentralisierte Skulpturen entworfen. Durch die Reduzierung der Einzelformen auf ein Minimum (Kuben, Scheiben oder Säulen) entstanden Spannungsfelder, die durch Verdichtung oder Auflösung beträchtliche Dimensionen erreichen. Wichtig war für mich in erster Linie der Gravitationsbezug der Formen untereinander, nicht die Pressung durch das Gewicht auf den Boden. Mit dieser Entscheidung löste ich mich von Bindungen der Skulptur an Vorder- und Seitenansichten. Bestimmend wurden der Ort der Setzung und sein Verhältnis zum umgebenden Raum. 1961 entstanden Skulpturen, deren sockellose Metallflächen in den Raum eindrangen, 1962 geschlossene und geöffnete Binnenräume, 1965 bodenbündige dezentralisierte Skulpturen, 1972 Volumina, die den umgebenden Raum verdrängen. Ab 1993 wurden große Formen geschaffen, deren Außenflächen ihre geringe Materialstärke sichtbar werden lassen. In nachfolgenden Arbeiten wurde der geöffnete Binnenraum durch unterschiedliche Radialachsen bestimmt. Es entstand eine Fluktuation zwischen Binnenraum und dem umgebenden Raum.“
Am 26. Juni 1925 in Wittenberg geboren, absolvierte Erich Reusch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg für sechs Jahre ein Studium der Bildhauerei und Architektur an der Hochschule für Bildende Künste Berlin bei Georg Leowald, Richard Scheibe und Hans Uhlmann. Ab 1953 arbeitete er anschließend als Architekt in Düsseldorf, wobei er zahlreiche städtebauliche Projekte, wie beispielsweise die Trabantenstadt Meckenheim/Merl bei Bonn, realisierte. Seit 1964 wandte sich Erich Reusch vermehrt seiner bildhauerischen Tätigkeit zu. Auf der Documenta 6 war er 1977 mit einer großen Bodenplastik aus drei spitzwinklig geknickten Stahlbändern vertreten. Seine minimalen Eingriffe in den öffentlichen Raum sind mitunter kaum als Kunstwerke zu erkennen, etwa sein „Wasserrelief“ für den Forumsplatz der Ruhr-Universität Bochum von 1973/75. Mit dem stufenweise in den Boden eingelassenen Großquadrat wollte er den Raum, der zwischen Nutzbauten oft zum Unort degradiert ist, in einen für den Menschen eigens wahrnehmbaren Ort verwandeln.
Von 1973 bis 1990 unterrichtete Reusch an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, davon 15 Jahre als Professor des Lehrstuhls „Integration Bildende Kunst und Architektur“. 1980 gestaltete er in einem unaufdringlichen und geradezu antimonumental lapidaren Entwurf das Denkmal für den Widerstand des 20. Juli im Innenhof des Berliner Bendlerblocks. Nicht nur in zahlreichen Ausstellungen, sondern auch mit Preisen und Auszeichnungen wurde Reuschs Kunst gewürdigt: 2001 erhielt er den Ida-Gerhardi-Preis der Sparkasse Lüdenscheid, 2006 verlieh ihm der Landschaftsverband Westfalen-Lippe den Konrad-von-Soest-Preis. Außerdem ernannte die Kunstakademie Düsseldorf ihren zuletzt in Neuenrade im Sauerland heimischen Emeritus 2010 zum Ehrenmitglied. |