1962 brach Leni Riefenstahl zum ersten Mal in den Sudan auf, was den Anfangspunkt eines 15 Jahre andauernden Projekts markierte, in dem sie den Stamm der Nuba mit der Kamera begleitete. Bei ihrer ersten Ankunft in Afrika traf die Fotografin die Masakin-Qisar, die sie über mehrere Monate hinweg in den Fokus nahm. Die Werke, die Riefenstahl dabei von Alltagsszenen, rituellen Gebräuchen oder der Körperbemalung schuf, fanden auch deshalb große Beachtung, da sie weit über die Dokumentation hinausgehen und mit ihrer gekonnten Lichtregie, dem Auge für Details und Atmosphären sowie den interessanten Bildausschnitten oder Blickwinkeln einen großen artifiziellen Wert besitzen. Internationale Publikationen im „Stern“, der französischen „Paris Match“ oder dem bekannten US-amerikanischen „Life Magazine“ belohnten Riefenstahls langjährige Mühen. Die Künstlerin verkaufte ursprünglich nur eine Auflage von 15 „Nuba Portfolios“, bevor Christian Diener 2002 als Herausgeber sieben nummerierte und vier Künstlerexemplare ergänzte. Von letzteren bietet Lempertz nun die erste Ausgabe mit 30 Dye-Transfer-Prints in zwei leinenbezogenen Boxen mit Werkangaben und einer Textbeilage feil und hofft auf 80.000 bis 100.000 Euro.
Riefenstahl soll damit preislich die Auswahl von 30 Spitzenwerken zum Jubiläum des Kölner Versteigerers anführen, hat darin aber einiges an hochkarätiger Konkurrenz. Die ausgesuchten Spitzenwerke mit eigenem Katalog sind zudem nicht die einzige Foto-Rubrik bei Lempertz, denn die gewohnte Auktion mit Lichtbildern des 19. bis 21. Jahrhunderts findet direkt im Anschluss statt. Afrikanische Lebenswelten faszinierten nicht nur Riefenstahl, sondern auch den aus Johannesburg stammenden Pieter Hugo, der 2007 „Mohammed Rabiu with Jamis, Ibusa, Nigeria“ verewigte. Zentriert vor einem ruinösen Gebäude, handelt es sich um einen der „Hyänen-Männer“, die als Gaukler, Musikanten und Medizinmänner mit ihren Tieren durchs Land ziehen und Hugo lange Zeit beschäftigten (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Das Tierreich des Kontinents nahm David Yarrow in den Bann. Er nutzte speziell präparierte, ferngesteuerte Kameras, um seinem Löwen „Thor“ im Jahr 2018 so intim nah wie nur möglich zu kommen, sodass das gemütlich schreitende Raubtier kaum mehr gefährlich erscheint (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR).
Die Erkundung und Zerstörung der Welt
Karl Blossfeldt avancierte mit seinen Pflanzenaufnahmen zum Klassiker der neusachlichen Fotografie. Vor monochromen Grund nahm er die Strukturen der Natur mit analytischem Blick und wissenschaftlicher Präzision auf, die in seinem Vintage „Aconitum Anthora (Eisenhut)“ von 1915/20 zum Entdecken der Formenvariationen der Fauna einladen (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Größere Dimensionen strebte die National Aeronautics and Space Administration, kurz NASA, an, der vor 50 Jahren die erste bemannte Mondlandung gelang. Zu den wohl berühmtesten Bildern dieses Ereignisses gehört wohl „Astronaut Edwin E. Aldrin walks on the surface of the moon, Apollo 11“, das Neil Armstrong während des ersten Spazierganges auf dem Erdtrabanten von seinem Kollegen „Buzz“ Aldrin schoss (Taxe 20.000 EUR). Aufbrüche zu neuen Ufern dokumentierten Fotografen schon weit vorher, wie der für seine malerischen Gummidrucke bekannte Piktorialist Heinrich Kühn, dessen träumerisches „Auslaufendes Segelboot“ wohl des Jahres 1897 mit den dunklen Blau- und Schwarztönen auf unruhiger Kartonoberfläche zu den älteren Losen zählt und damit die Bandbreite der Auktion deutlich macht (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Eine gemütlichere Stimmung verbreiten Henri Cartier-Bressons 1938 von hinten festgehaltene Personen beim Picknick am Ufer. Der spätere Abzug „Sur les Bords de la Marne“ aus den 1970er Jahren soll auf 8.000 bis 12.000 Euro kommen.
Während Kühn und Cartier-Bresson die stille Idylle des Wassers lockte, hatte die „Joint Army Task Force One Photo“ 1946 ein anderes Ziel, nämlich die „Operation Crossroads – Aufnahmen der Atombomben-Tests auf dem Bikini-Atoll“. Die 20 Vintages der gewaltsamen nuklearen Verwüstung der paradiesischen Inseln können eines morbiden ästhetischen Reizes der Atompilze nicht entbehren (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR). Den menschlichen Einfluss auf die Natur stellte Albert Renger-Patzsch schon früher heraus. 1929 lichtete er die stark abfallende „Kiesgrube bei Bottrop“ ab, die in seiner auf Nähe und Tiefenzug ausgelegten Inszenierung zunächst wie eine natürliche Klippenformation wirkt (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR). Mit seinem eigens entwickelten „Zonensystem“ veränderte Ansel Adams die „Aspens. Northern New Mexico“ und entlockte dem Wald mit den leuchtend hellen Espenstämmen und einem jungem Gewächs vor dem tiefschwarzen Grund eine kontrastreiche neue Perspektive (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Heute ebenso für seine bearbeiteten Landschaften bekannt ist Andreas Gursky, der allerdings mit „Meerbusch“ von 1987/88 ein nicht digital manipuliertes Frühwerk eines flachen winterlichen Feldes in kühlen Blautönen beisteuert (Taxe 18.000 bis 22.000 EUR).
Der Mensch zwischen Subjekt und Objekt
Mitte der 1920er Jahre begann August Sander mit seinem Lebensprojekt der Darstellung von Menschen unterschiedlicher sozialen Schichten und Berufsgruppen. Die Künstlerporträts, beispielsweise von Franz Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle, Anton Räderscheidt, Otto Freundlich oder Gottfried Brockmann von den Kölner Progressiven, mit denen Sander in Kontakt stand, nehmen dabei eine einzelne Gruppe ein. Ein posthum 1974 von Gunther Sander abgezogenes Portfolio mit zwölf Arbeiten soll 15.000 bis 20.000 Euro kosten. Von Arnold Newman ist eine 1954 entstandene, persönliche Nahansicht des Malers Pablo Picasso in Vallauris mit aufgestütztem Kopf für 9.000 bis 12.000 Euro zu haben. Während bei den Künstlern Individuen im Mittelpunkt stehen, verfremdete Raoul Ubac in einem titellosen Blatt von 1939 der Serie „Penthésilée“ die tragische Frauengestalt der griechischen Mythologie zur surrealen Komposition mit ihrem Leib als dem strukturgebenden Objekt (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Ebenso körperbetont näherte sich Horst P. Horst 1939 im „Mainbocher Corset“ seinem Modemodell, das in Rückenansicht mit gekonntem Licht- und Schattenspiel wie eine museal inszenierte Skulptur wirkt (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Den Fotografen selbst rückte Andreas Feininger in einem seiner seltenen Porträts in den Mittelpunkt. „The Photojournalist (Dennis Stock)“ von 1951 mit der Kamera vor dem Gesicht entbehrt ohne den Titelhinweis der Zuordnung zu einer Person und erhebt das bildgebende Gerät als Auge allgemeingültig zu den Augen seines Fachkollegen (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Ruth Bernhard näherte sich 1962 wieder mehr dem Individuum, als sie einen ebenmäßigen Akt „In the Box – Horizontal“ positionierte. Die Inszenierung der Frau in der niedrigen breiten Kiste löst mit dem kühlen Licht, der unbequemen Liegeposition, der Enge der Einhausung sowie der Weite im dunklen Hintergrund zwiespältige Assoziationen zwischen einem schützenden Raum und bedrängter Zurschaustellung aus (Taxe 9.000 bis 12.000 EUR). Freier ist „Helena Christensen, Mohave Desert, Vogue Italy“, die Peter Lindbergh 1990 in kurzem weißem Kleid neben einem laufenden Kind im Astronautenanzug festhielt. Die Bewegungsunschärfe verstärkt die Dynamik im Gelatinesilberabzug der Zeit um 2000 (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Das Topmodel Gisele Bündchen stellte Irving Penn 1999 klassisch im New Yorker Atelier vor die Kamera und schuf einen elegant schmalen zentrierten Akt von der Seite (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR). Neues nahm sich Chris Levine 2010 für die viel fotografierte Königin Elisabeth II. bei Aufnahmen für sein Staatsportrait vor und schuf ein Hologramm von ihr. Doch während des aufwändigen und langen Shootings musste die Queen häufiger eine Pause einlegen und schloss die Augen. So erscheint sie auch in Levines „Lightness of Being“ als entspannte, in sich ruhende Monarchin (Taxe 25.000 EUR).
Glanz und Elend urbaner Lebenswelten
Strahlend funkelnd generiert sich New York in Berenice Abbotts Aufsicht „Nightview“ von 1932. Die kaum unterscheidbaren Häuserblocks und Straßenschluchten entfalten dabei ihren Reiz in der geometrischen Struktur (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Näher an die amerikanische Architektur-Moderne rückte Julius Shulman 1960, dessen offen verglastes „Case Study House #22, Los Angeles, California“ Einblicke zu den Bewohnern zulässt und zugleich durch die Fenster und den Freiraum die nächtliche Lichtkulisse der Stadt einfängt (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Weniger in die Ferne ist die Schau bei Günther Förgs Innenraum des Gebäudes von Bruno Taut in Istanbul von 2001 möglich. Die Fenster laufen wie hell leuchtende Rechtecke im Band durch eine verschattete dunkle Wand und zeigen lediglich einige Teile von Bäumen und benachbarten Häusern (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR). Noch lebensfeindlicher ist die inszenierte menschenleere winterliche Parkdeckaufnahme „Secret Liaison“ aus der Serie „Beneath the Roses“ von Gregory Crewdson aus dem Jahr 2006 (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR). Gleichfalls leblos agiert Wolfgang Tillmans bei seinem fünf Jahre jüngeren „Nachtstillleben“, für das er etwa verschüttete Zigarettenasche, eine leere Fastfood-Verpackung, Elektroschrott und weiteren Unrat zu einem vermeintlichen Chaos auf einer Fensterbank drapierte (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR).
Prunkstücke des Nachmittags
Das Lichtbild, das die Tagesauktion preislich anführt und zugleich eines der jüngeren Lose ist, füllen im starken Querformat Zebrastreifen, aus den sich leicht aus der Mitte nach rechts gerückt der Kopf des Vierbeiners schält. David Yarrows „Parallel Lines“ von 2018 bewegen sich kontrastreich zwischen der Tierdarstellung und der abstrakten Wirkung dessen Fells (Taxe 18.000 bis 20.000 EUR). Beim Mensch blieb Peter Lindbergh, der 1984 für die italienische Ausgabe der Modezeitschrift „Vogue“ das Model „Lynne Koester, Pin up studio“ oberkörperfrei von der Seite im großen Schritt und mit erhobenem Arm ablichtete (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Skurriler sind Marcel G. Lefrancqs „Haunted Eyes“ aus der Serie „Aux mains de la lumière“ von 1947, die den Katalog der Versteigerung zieren. Aus einer steinartigen porösen Struktur heraus zeichnet sich bei ihm das Gesicht einer Frau ab (Taxe 1.200 bis 1.500 EUR). Den Kopf außer Acht ließ Manuel Álvarez Bravo 1976 und schaute durch die Kamera auf die nur halb verdeckten Brüste einer Frau, vor der einige schilfartige Pflanzen sprießen. Die Einheit mit der Natur, die „La fruta prohibida“ suggeriert, schätzen die Experten auf 3.500 bis 4.500 Euro.
Die meist eher sachliche Moderne mit all ihren neuartigen Industriebaustoffen führen die 20 Vintages „Bauhaus Dessau“ vor, die Erich Consemüller und Lucia Moholy, die Bauhäuslerin und Ehefrau László Moholy-Nagys, 1926 schossen. Das Konvolut an Fotopostkarten soll 5.000 bis 7.000 Euro einspielen. Lebensräume der arbeitenden Bevölkerung interessierten Otto Steinert. Mit einer Aura von hinten beleuchtet, strahlt die Krankonstruktion in seiner „Saarländischen Industrielandschaft 3“ von 1950 beinahe sakralen Charakter aus (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR). Das Licht setzte Edward Weston 1937 gleichfalls geschickt ein. Im „San Carlos Lake, Arizona“ spiegelt sich der helle Himmel, was die Wasseroberfläche wie eine amorphe Fläche vor der Hügelkette stehen lässt (Taxe 6.000 bis 7.000 EUR). Albert Renger-Patzschs Augenmerk lag um 1950 eher auf der Vegetation am Ufer. Dünne Äste der Bäume hängen von rechts ins Gewässer. Der weiße Frost im „Wintertag an der Möhne“ stärkt den Kontrast seiner Naturstimmung (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
Der zeitgenössische Hang zur kunstvollen Inszenierung
Überlebensgroß fächern sich die Beine seiner „Protagonistin“ bei Jürgen Klauke hell und erotisch nach oben, während der Rest ihres Körpers mit dem dunklen Hintergrund verschmilzt. Fast 2,50 Meter misst das lebensgroße Format von aus der Serie „Viva España“ der Jahre 1976/77 in der Höhe und entfaltet damit eine monumentale Wirkung (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Auf mehr räumliche Distanz setzten Marina Abramovic und Ulay 1980 für „Floating/Australia“. Beide treiben in Vogelperspektive nackt im Zentrum des tiefblauen Meeres und sind von kreisförmigen Wellen umringt (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Anders als das Künstlerpaar griff Thomas Ruff für seine „Nudes“ auf vorhandenes Bildmaterial im Internet zurück, das er 2002 in „Nude EV 03“ so lange weichzeichnete, bis es seinen ästhetischen Idealen entsprach und damit nun eher einem künstlerischen Impetus, als dem ursprünglich pornografischen Zweck im Netz folgt (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Anrüchiges inspirierte Kim In Sook 2009 ebenfalls. „Cocain“ zeigt allerdings kein normales Rotlichtmilieu, sondern offenbart schnell ihre durchdachte Inszenierung der Gäste und Angestellten im und vor dem Schaufenster der zwielichtigen Bar (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).
Statisch und abweisend ist Dan Grahams Duo „New House, Perth, Australia“ und „Berwick-upon-Tweed, England“ der Jahre 1995 und 1996. Das Haus und der Landstrich sind vor weißgrauem Himmel wie freigestellt und locken in den gewählten Ausschnitten zur Suche nach dem Besonderen im Alltäglichen (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Über den oberen Rand hinaus strebt Günther Förgs angeschnitten fotografierte abstrakte Skulptur von Constantin Brancusi „Unendlicher Säule“ im rumänischen Târgu Jiu von 2001, deren Ende für den Betrachter gar nicht absehbar sein soll (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR). Eine kunstbezogene Idee setzte Gerhard Richter 2004 mit dem „Waldhaus“ gleichfalls um. Unscharf verschwimmen die Wipfel der Nadelbäume aquarellartig im Vordergrund einer Hügelkulisse. Das titelgebende Haus ist rechts nur in minimalem Ausschnitt zu sehen (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Den Kreis zu Karl Blossfeldt schließen Nathalia Edenmonts „Party Tongues“ von 2005. Wieder steht eine Blume frei vor monochromen Grund im Fokus. Bei Edenmont sticht jedoch die knallige Farbigkeit der Lilienblüte weit über ihre Struktur hinaus. Die Höhe von 1,30 Metern sorgt zudem für eine surreale Abstraktion des eigentlich kleinen Objekts, in dessen Blütenmitte sie ein Auge platziert hat (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
Am 29. November versteigert Lempertz in Köln die Sonderauswahl „30 Jahre Photographie – 30 Photographische Meisterwerke“ ab 13:30 Uhr, gefolgt von der „Photographie des 19. bis 21. Jahrhunderts“. Die jüngsten Lichtbilder bietet das Auktionshaus innerhalb der zeitgenössischen Kunst am Abend des 29. November ab 19 Uhr und am 30. November ab 15 Uhr an. Alle Lose sind online unter www.lempertz.com abrufbar. |