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Marktberichte |
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Moderne Kunst mit hohem Anteil aus Frankreich und der Schweiz bei Lempertz in Köln Hard Edge aus den 20ern
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| | Kurt Schwitters, Das Gustav Finzlerbild, 1926/36 | |
Unter „Hard Edge“ versteht die Kunstgeschichte eine schablonenhafte, flächige, geometrische Malerei mit harten Kanten und scharf gegeneinander abgegrenzten Farbaufträgen. Geprägt hat den Begriff 1958 der US-amerikanische Kunstkritiker Jules Langsner für eine von ihm organisierte Ausstellung im Los Angeles County Museum mit vier jungen Malern. Da war Kurt Schwitters schon zehn Jahre tot. Doch betrachtet man sein „Gustav Finzlerbild“ von 1926/36, meint man, auf eine Vorwegnahme der Hard Edge-Kunst zu treffen. So entschieden voneinander getrennt sind die Dreiecke, Trapeze und freie geometrische Entwicklungen auf dieser Collage-Malerei. Dass der amerikanische Hard Edge-Mitbegründer Leon Polk Smith von 1956 an über zwanzig Jahre lang Eigentümer des Werkes war, wundert daher nicht. Nun gelangt „Das Gustav Finzlerbild“ aus Berliner Privatbesitz wieder auf den Kunstmarkt und ist mit 400.000 bis 600.000 Euro eines der Highlights der Auktion „Moderne Kunst“ bei Lempertz in Köln.
Bedeutende Arbeiten von Kurt Schwitters sind selten zu haben. Daher ist es bemerkenswert, dass Lempertz ein zweites kapitales Werk des Malers, Grafikers, Bildhauers, Raumkünstlers und Dichters akquirieren konnte. Als übermalte Collage aus Fotografien, Zeitungsausschnitten, Billetts und Textilien präsentiert sich „Counterfoil“ von 1942/45 und hat ebenfalls eine Ausstellungstour in den 1980er Jahren durch das New Yorker Museum of Modern Art, die Londoner Tate Gallery und das Sprengel Museum in Hannover hinter sich (Taxe 300.000 bis 500.000 EUR). Der preisliche Höhepunkt gebührt am 31. Mai indes Max Liebermann für ein großformatiges museumsreifes Gemälde. Sein Blick auf das geschäftige Treiben in der „Judengasse in Amsterdam“ aus dem Jahr 1909 mit Gemüse- und Fischhändlern soll 600.000 bis 800.000 Euro einspielen. Mit weiteren sieben Arbeiten ist der deutsche Impressionist im Kölner Auktionshaus zugegen, unter anderem mit dem um 1901 zart ausgeführten Pastell eines charmanten Mädchens beim Eselreiten am Strand von Scheveningen (Taxe 100.000 bis 120.000 EUR).
Den Auftakt der Versteigerung bestreitet Otto Modersohn mit der großformatigen, ausgewogen komponierten Leinwand „Abend im Moordorf“ von 1898, auf der eine junge Schafhirtin, einen Bäuerin mit Schubkarre und ein Fischer im Segelboot eben ihr Tagwerk vollenden. Mit 100.000 bis 120.000 Euro streben der Einlieferer und Lempertz einen vorderen Platz im Auktionsranking des Worpsweder Malers an. Von Lovis Corinth gibt es das aufbrausende Stillleben „Blumen in Vase“ von 1923 in der für das späte Schaffen charakteristischen verströmenden Malweise (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR), von Lesser Ury die feine Kohlezeichnung einer Dame mit Hund auf regennasser Fahrbahn im Berliner Tiergarten um 1920 (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR).
Für den deutschen Expressionismus stehen Hermann Max Pechsteins Gemälde „Das blaue Kleid: Bildnis Frau Dr. Plietzsch“ mit leicht entrücktem Blick von 1921 (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR), Alexej von Jawlenskys stilisiertes menschliches Antlitz „Helle Erscheinung“ mit starren Augen von 1916 (Taxe 300.000 bis 350.000 EUR), Ernst Ludwig Kirchners furiose aquarellierte Kreidezeichnung „Pantomime Reimann I“ um 1912/13 (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR) oder Otto Muellers Farblithografie einer fröhlichen „Zigeunerfamilie am Planwagen“ von 1926/27 (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Auf ihrem Gemälde „Spanischer Tanz“ von 1913 hat Mela Muter die Figuren bildbeherrschend angelegt. An das Bein des älteren zentralen Gitarrenspielers schmiegt sich ein Hund, auf der anderen Seite tanzen zwei Kinder in exaltierten Bewegungen und werden vom Bildrand bedrängt. Das kreidige verhaltene Kolorit unterstreicht die melancholische Stimmung auf den Gesichtern der Dargestellten (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR).
Eher hitzig ist die kräftige Farbigkeit in Philipp Bauknechts expressivem „Blumenstillleben mit Buch“ von 1929/32 (Taxe 60.000 bis 70.000 EUR). Gerade Schweizer Künstler stellen diesmal bei Lempertz einige bedeutende Werke. Zwischen Realismus, Idealismus und flächigem Jugendstil changiert Ernest Biélers Aquarell „Le Marguillier“, das typisierte Bildnis eines alten Walliser Bauern mit Tabakdose um 1907 (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Aus pointillistisch kleinen Pinselstrichen hat Gottardo Segantini 1921 seinen Schweizer Alpengipfel „Lagrev in autunno“ in herbstlichen Farben aufgebaut (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR). Unter Einfluss von Kubismus und Futurismus entwickelte die 1872 in Genf geborene Malerin Alice Bailly einen eigenständigen, lyrisch bewegten Stil und verwendete ihn auch bei ihrer Leinwand „Jeux d’été“ von 1920 mit badenden und spielenden Menschen (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Zu den Vertretern des Schweizer Kubismus gehört gleichfalls Gustave Buchet, was sein rhythmisiert konstruiertes Aquarell „Bâteaux à vapeur“ deutlich vor Augen führt (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR).
Gut aufgestellt sind auch die Franzosen. Preislich an vorderster Front hat sich Pablo Picasso mit seiner strichbetonten Farbkreidezeichnung „Deux Pigeons“ beim Geschlechtsakt von 1946 für 180.000 bis 220.000 Euro platziert. Druckgrafische Arbeiten aus dem Impressionismus gibt es wenige. Daher freut sich das Auge über Camille Pissarros schwarzweiße Aquatintaradierung „Paysage sous bois, à l’hermitage“ bei Pontoise von 1879 (Taxe 14.000 bis 16.000 EUR). Für den Purismus stehen zwei Stillleben in fast übereinstimmendem Kolorit aus Braun-, Grau- und Schwarztönen: Amédée Ozenfants Pastell „Nature morte puriste à la guitare“ von 1923/24 (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR) und Serge Charchounes „Nature morte dite: Cuillère en bois“ von 1943 in Öl auf Papier (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Bei Ker-Xavier Roussels bukolischen „Bacchanales“ um 1925/30 in sommerlicher Landschaft kommt wieder etwas mehr Farbe ins ungezwungene Liebesspiel (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Nach Belgien geht es mit Victor Servranckx und seinem abstrakten Ölgemälde „opus 4“ von 1924. An Bauteile fantastischer Maschinen erinnern seine geometrischen Formen auf braunem Grund (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Zwei weibliche Rückenfiguren blicken „Am Morgen“ aus einem Fenster auf die voralpine Landschaft. Georg Schrimpfs neusachliche Komposition von 1936 gehört zu seinen musealen Fenster- und Balkonbilder und lässt eine empfindsame, fast mystisch transzendente Stimmung aufkeimen (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Ein wunderschönes Beispiel für die Neue Sachlichkeit ist Josef Mangolds ebenso stiller „Weiblicher Akt am Fenster mit Blumen“ um 1928 (Taxe 35.000 bis 38.000 EUR). Zu den interessanten Werken aus der zweiten Reihe deutscher Künstler gehören noch Josef Eberz’ „Blühender Weihnachtskaktus“ von 1918 im kraftvollen Rot-Grün-Kontrast (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR), das ebenfalls expressionistische Pastell mit der Ansicht der Stadt Esslingen von 1924 aus dem frühen Schaffen von Rolf Nesch (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR) oder Heinrich Nauens leicht kubistisch zerlegter Park in Dilborn von 1919 (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Ganz in die Ungegenständlichkeit hat sich Erich Buchholz’ quadratisches Gemälde „Schaukelnde Bewegung – Schaukelnde Ruhe“ von 1952 mit bunten Schleifenformen auf weißem Grund zurückgezogen (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).
Während Wilhelm Trübner 1912 sein Balkonzimmer am sommerlichen Starnberger See als ruhiges Interieur ausgearbeitet hat (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR), geht es bei Gert Heinrich Wollheims „Kartenspielenden Zirkusleuten“ von 1948 etwas schriller und lauter zu (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR). Mit der Integration in den ersten Auktionsabschnitt mit den herausragenden Werken würdigt Lempertz den etwas vergessenen HAP Grieshaber. Dafür stellt der schwäbische Grafiker aber auch ein monumentales Werk zur Verfügung: Auf sechs rund drei Meter hohen Papierbahnen hat er 1964 die drei Motive „Die Lorelei“, „Die Legion“ und „CCA“ aus der Serie „Der Rhein“ als schwarz-weiße abstrakte Holzschnitte gedruckt. Die originalen Druckstöcke sind als Wand im Raucherfoyer der Bonner Oper verbaut (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR).
Gut bestückt ist bei Lempertz die Auswahl an Skulpturen mit einem Fokus auf das Menschenbild. Da wippt „Der singende Mann“ von Ernst Barlach in sich versunken freudig hin und her. Die 1928 konzipierte Bronze ist in einem posthumen Guss wohl vom Anfang der 1950er Jahre für 120.000 bis 150.000 Euro zu haben. Da steht Giacomo Manzùs nackte „Tänzerin“ um 1956/57 aufrecht und in straffer Haltung auf ihren Zehenspitzen (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR), während Bernhard Hoetger um 1903 sein „Mädchen mit Schirm“ und den „Sitzenden Jungen mit Boot“ erzählerischer mit unruhiger Oberfläche ausformuliert hat (Taxe 3.000 EUR). Fast hieratisch wirken die zwei Mädchen mit Tuch, die im Wasser stehen und singen. Hermann Blumenthal konzipierte die Bronzegruppe 1939 als Entwurf für die Wasserwerke Berlin-Charlottenburg (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Der Abstraktion streben Franz Wilhelm Seiwerts Tonplastik „Mutter und Kind I“ von 1921 (Taxe 8.000 bis 9.000 EUR) und Anton Hillers verknappte bronzene „Säulenfigur“ von 1965 zu (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 31. Mai um 17 Uhr. Die Vorbesichtigung läuft noch bis zum 29. Mai täglich von 10 bis 17:30 Uhr, am 30. Mai von 11 bis 15 Uhr. Der Online-Katalog listet die Kunstwerke unter www.lempertz.com. | | Kontakt: Kunsthaus Lempertz Neumarkt 3 DE-50667 Köln |
| Telefon:+49 (0221) 92 57 290 | Telefax:+49 (0221) 92 57 296 | | | E-Mail: info@lempertz.com |
28.05.2019 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching | |
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Lovis Corinth,
Blumen in Vase, 1923 | | Taxe: 150.000 - 200.000 EURO Zuschlag: 260.000,- EURO Losnummer: 262 | | | | | |
Franz Wilhelm
Seiwert, Mutter und
Kind I, 1921 | | Taxe: 8.000 - 9.000 EURO Losnummer: 487 | | | | | |
Georg Schrimpf, Am
Morgen, 1936 | | Taxe: 60.000 - 80.000 EURO Zuschlag: 160.000,- EURO Losnummer: 271 | | | | | |
Max Liebermann, Dame
in rosa Kleid auf
weißem Esel (Mädchen
beim Eselreiten am
Strand von
Scheveningen), um
1901 | | Taxe: 100.000 - 120.000 EURO Losnummer: 258 | | | | | |
Otto Modersohn,
Abend im Moordorf,
1898 | | Taxe: 100.000 - 120.000 EURO Zuschlag: 110.000,- EURO Losnummer: 250 | | | | | |
Wilhelm Trübner,
Balkonzimmer am
Starnberger See,
1912 | | Taxe: 15.000 - 20.000 EURO Losnummer: 495 | | | | | |
Lesser Ury, Dame mit
Hund im Tiergarten.
Berlin, um 1920 | | Taxe: 25.000 - 35.000 EURO Losnummer: 260 | | | | | |
Ernst Ludwig
Kirchner, Pantomime
Reimann I, um 1912/13 | | Taxe: 30.000 - 40.000 EURO Zuschlag: 75.000,- EURO Losnummer: 265 | | | | | |
Otto Mueller,
Zigeunerfamilie am
Planwagen, 1926/27 | | Taxe: 20.000 - 30.000 EURO Losnummer: 421 | | | | | |
Josef Eberz,
Blühender
Weihnachtskaktus,
1918 | | Taxe: 12.000 - 15.000 EURO Losnummer: 350 | | | | | |
Ker-Xavier Roussel,
Bacchanales, um
1925/30 | | Taxe: 10.000 - 15.000 EURO Zuschlag: 7.000,- EURO Losnummer: 477 | | | | | |
Philipp Bauknecht,
Blumenstillleben
mit Buch, 1929/32 | | Taxe: 60.000 - 70.000 EURO Losnummer: 266 | | |
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