 |  | Wilhelm Wagenfeld, Tischlampe aus Glas – Modell: MT 9, 1923/24 | |
Das Bauhaus ist nicht nur Design. Das Bauhaus ist eine visionäre Idee, die ebenso in Architektur und Malerei, in Typografie und Fotografie ihre Spuren hinterließ. Dieser Tenor spiegelt sich deutlich im Angebot des deutschen Kunsthandels zum 100. Jubiläum des wohl folgenreichsten Kunstlabors der Moderne wider. Wenn am 30. Mai im Berliner Auktionshaus Grisebach in der Orangerie-Sektion „bauhaus forever!“ zelebriert wird, sind selbstverständlich einige Ikonen dabei: Marianne Brandts Messing-Aschenbecher MT36 von 1924 mit einer Erwartung von 40.000 bis 60.000 Euro, Wilhelm Wagenfelds berühmte „Tischlampe aus Glas“ in einer frühen Ausführung von 1924 für mindestens 100.000 Euro, Marcel Breuers Wassily-Chair aus der Pariser Produktion Thonet Frères von 1930 mit einem Limit von 12.000 Euro und als Glanzstück progressiver Handwerkskunst ein vierteiliges silbernes Kaffee- und Teeservice Naum Slutzkys von 1927 in avantgardistischer Maschinenästhetik, dessen untere Taxe bei 180.000 Euro liegt.
Bauhaus bei Grisebach
Stefan Körner, der die Orangerie-Offerten verantwortet, hat für seine Versteigerung assoziationsreich und inspirierend zusammengestellt, was sonst im Auktionshandel versprengt unter Klassischer Moderne, Fotografie oder Antiquarischem zu finden ist, wie etwa Paul Klees zarte Lithographie „Ein Genius serviert ein kleines Frühstück“ von 1920, die als Frontispiz eingebunden in Wilhelm Uhdes Zeitschriftenband „Freude“ 30.000 Euro einspielen soll. Der vollständige Satz von 20 Postkarten, der anlässlich der Bauhaus-Ausstellung 1923 erschien und von bekannten Künstlern, wie Klee, Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, aber auch von heute nicht mehr geläufigen Namen, wie Paul Friedrich Häberer, Dörte Helm, Kurt Schmidt oder Georg Teltscher, erstellt wurde, ist für 60.000 bis 80.000 Euro im Katalog verzeichnet. Vintage-Fotografien von Dessauer Gropius-Bauten des damaligen Mies van der Rohe-Schülers Iwao Yamawaki stehen für untere Schätzwerte von 2.500 Euro bis 4.000 Euro zum Verkauf.
Im Jahr seiner Berufung als Bauhaus-Lehrer entstand Wassily Kandinskys Grafik-Zyklus „Kleine Welten“. Einige der 1922 im Staatlichen Bauhaus Weimar gedruckten abstrakten Formspielereien listet der Katalog ab 6.000 Euro respektive 10.000 Euro. Von László Moholy-Nagy stammen konstruktivistische Lithografien aus der Bauhaus-Zeit, deren Rufpreise zwischen 7.000 Euro und 18.000 Euro liegen, aber auch eine späte, in Öl auf Acrylglas gearbeitete „Expressionist Composition“ mit integrierten Schattenwürfen von 1946 (Taxe 120.000 bis 150.000 EUR). Eine Inkunabel des Bauhauses dürfte der „Sterntänzer“ von Ludwig Hirschfeld-Mack sein, der für seine Auseinandersetzung mit Farbtheorie und Farbsystematik bekannt wurde. Die auf 4.000 bis 6.000 Euro geschätzte Lithografie mit einem aus Rechtecken konstruierten und zwischen Himmelskörpern wandernden Mann war 1922 sein Gesellenstück am Bauhaus. Grisebach ruft eine Reihe von Arbeiten aus dem Nachlass des experimentellen „Farblicht-Musikers“ auf: Bei 3.000 Euro etwa seine theoretische Schrift „Farben Licht-Spiele“ von 1925, für je 25.000 Euro den Schwarzweiß-Vintage des „Reflektorischen Farbenspiels“ von 1923 sowie die um sein Thema kreisende geometrische Flächenkomposition eines Weintrinkers.
Bauhaus bei Ulrich Fiedler
Grisebach breitet die Bauhaus-Welt als ein verzweigtes Geflecht der Moderne aus und kann mit dem Konzept zugleich ein anderes Problem umgehen. Der Markt für die musealen Urstücke des Bauhauses ist nämlich mehr als überschaubar. Seit Jahrzehnten handelt der Berliner Galerist Ulrich Fiedler mit Prototypen und historisch wegweisenden Design-Vintages. Bis Ende Juli offeriert er in seiner Galerie mehr als ein Dutzend Objekte, die direkt in den Werkstätten des Weimarer Bauhauses oder in der dem Bauhaus angeschlossenen Keramikwerkstatt in Dornburg gefertigt wurden. Otto Lindig und Theodor Bogler sind die Protagonisten des einfachen robusten Stils, der typisch für die nur fünf Jahre dauernde Dornburger Produktion wurde. Bei 100.000 Euro sieht Fiedler den Prototyp der Boglerschen Teekanne von 1923, die auf ihre Weise die Kombination stereometrischer Formen vorführt. Ein Prinzip, das auch in der Kakaokanne Otto Lindigs zum Ausdruck kommt.
Ein Foto in Fiedlers Ausstellungskatalog dokumentiert, wie der dem streng Geometrischen verpflichtete Kindertisch von Marcel Breuer in den hauseigenen Werkstätten geschliffen und lackiert wurde. Das Möbel von 1923/24, das in drei Größen hergestellt wurde, kostet 60.000 Euro. Metallarbeiten von Wolfgang Tümpel und Wilhelm Wagenfeld, eine geometrische Abstraktion Karl Peter Röhls, einst Jungmeister am Bauhaus und ab 1921 Mitglied der von Theo van Doesburg inspirierten Gruppe „Weimarer Stijl“, ergänzen den ersten Teil der Jubiläumsausstellung.
Ab 5. September steht bei Fiedler dann die Zeit ab 1925 im Fokus, als das Bauhaus in Dessau seine Fortsetzung erfuhr. Unübersehbar ist der Trend zum Industriedesign. Neben einem frühen Exemplar des Stahlrohrstuhls MR10 von Ludwig Mies van der Rohe für 15.000 Euro und seines eleganten, runden Stahlrohrtischs MR130 mit schwarzer Glasplatte für 25.000 Euro, den Mies 1927/28 in der Firma Berliner Metallgewerbe Josef Müller produzieren ließ, zählt auch eine der fünf existierenden Sitzmaschinen B25 von Marcel Breuer zu den Exponaten. Sie verlangt 75.000 Euro. Auch Fiedler zieht den Radius weit. Porzellane von Marguerite Friedlaender-Wildenhain, die in den Dornburger Werkstätten lernte, aber dann auf der Burg Giebichenstein in Halle an der Saale tätig war, ein Messinggefäß von Karl Müller, dem Erneuerer des Metallhandwerks, sowie Entwürfe der wohl bedeutendsten Bauhaus-Textildesignerin Lena Meyer-Bergner aus den Jahren 1936/38 ihres Schweizer Exils reflektieren den avantgardistischen Geistes dieser Zeit.
Bauhaus bei Quittenbaum
Angesichts der Bedeutung und der Popularität des Bauhauses sind die Preise für das Design der Schule in den letzten Jahren nicht in gleicher Weise gestiegen wie für die Werke ihrer Maler und Grafiker. Sechsstellige Beträge sind für Bedeutsames von Klee, Kandinsky oder Schlemmer keine Ausnahme. Für Bauhaus-Objekte wie den legendären, avantgardistischen Lattenstuhl von Marcel Breuer gilt schon der Hammerpreis von 66.000 Euro, 2018 bei Quittenbaum in München erzielt, als stattlicher Zuschlag. Viel Geld – aber im Vergleich zu Möbeln von Jean Prouvé oder Charlotte Perriand wiederum nicht. Der Quittenbaum-Einlieferer des Lattenstuhls jedenfalls hat sich entschlossen, auch das zweite Exemplar aus altem Familienbesitz zu verkaufen. Am 25. Juni wird das skelettartige Möbel mit einer unteren Taxe von 35.000 Euro eines der Highlights bei Quittenbaums Auktion „100 Jahre Bauhaus“ sein.
Der Münchner Versteigerer hat einen Ruf als Design-Spezialist. Josef Hartwigs in strenger Würfel-Kugel-Kegel-Manier entworfenes Schachspiel zum Schätzpreis von 15.000 Euro, Wilhelm Wagenfelds Tischleuchte „Typ 2“ mit gläsernem Fuß und konisch spitz zulaufendem Metallschaft mit einer Schätzung von 50.000 Euro und Ludwig Mies van der Rohes dynamischer Stahlrohr-Armlehnsessel MR 20 als rot lackierte Version zur unteren Erwartung von 8.000 Euro gehören zu den Spitzenlosen. Weitere Designer sind Christian Dell, Hannes Meyer und Marianne Brandt. Aber auch mit Oskar Schlemmers Künstlerpostkarte „Zwei Köpfe“ für 40.000 Euro und seiner Tuschezeichnung „Profilkopf, schräg nach rechts mit Lichtern“ für 25.000 Euro bleibt man dem Motto ebenso treu, wie mit dem berühmten „Ulmer Hocker“ von Max Bill, dessen Einstiegsgebot bei 2.000 Euro liegt. Herbert Hirches minimalistischer Barwagen von 1956 gab neben anderen Objekten den Ideen des Bauhauses nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Prägung.
Die Galerie Ulrich Fiedler zeigt ihre Ausstellung „Bauhaus Weimar 1919-1925“ bis zum 27. Juli, ab 5. September dann „Bauhaus Dessau 1925-1932“. Geöffnet ist nach Vereinbarung.
Galerie Ulrich Fiedler
Mommsenstraße 59
D-10629 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 33 09 40 10
Telefax: +49 (0)30 – 33 09 40 20
Das Auktionshaus Quittenbaum hält seine Versteigerung „100 Jahre Bauhaus“ am 25. Juni ab 17 Uhr ab.
Quittenbaum Kunstauktionen
Theresienstraße 60
D-80333 München
Telefon: +49 (0)89 – 273 702 125
Telefax: +49 (0)89 – 273 702 122
Die Auktion „Orangerie – bauhaus forever!“ beginnt am 30. Mai um 14 Uhr. Die Vorbesichtigung bei Grisebach läuft vom 24. bis zum 27. Mai täglich von 10 bis 18 Uhr, am 28. Mai von 10 bis 15 Uhr. Der Onlinekatalog listet die Objekte unter www.grisebach.com. |